Der erste Teil unserer Analyse der Parteiprogramme befasste sich mit der Struktur unseres Rentensystems. Das Ergebnis fiel sehr klar aus: Die etablierten Parteien wollen weder die Privilegien der gut aufgestellten Versorgungswerke für besondere Berufsgruppen noch die Pensionskassen der Beamten angehen, sondern beschränken sich auf Maßnahmen, die die Senkung des gesetzlichen Rentenniveaus begleiten. Die AG60+ aus Bayern und der AK Altersarmut und Rentenpolitik NRW setzen ihren gemeinsamen Programmantrag PA 118 für den Bundesparteitag in Bochum dagegen und treten für eine grundlegende Strukturreform ein, die Schluss macht mit den Ausnahmeregelungen für privilegierte Berufsgruppen, wie Politiker und Richter.
Der zweite Teil der vorliegenden Analyse griff die aktuellen Streitfragen Mindestrente und Renteneintrittsalter auf. Im dritten Teil schließlich geht es jetzt um Kernthemen der Piratenpartei wie Selbstverwaltung und Transparenz in der Rentenversicherung.
Selbstverwaltung und Transparenz in der Rentenversicherung
Um es gleich vorweg zu sagen, für alle anderen Parteien, mit Ausnahme ggf. der Rentnerinnen und Rentnerpartei, sind Transparenz und Selbstverwaltung in der Rentenversicherung kein Thema. Es scheint, als ob mit der verbreiteten Meinung, die Rentenversicherung wird von selbstverwalteten Körperschaften des öffentlichen Rechts getragen und deren Selbstverwaltungsorgane alle sechs Jahre gewählt werden, alles in Ordnung wäre. Dieser Eindruck wird auch durch den Schlussbericht zu den Sozialwahlen bestätigt, der im September 2012 veröffentlicht wurde. Sein Titel lautete: „Viel bewegt! 15 Millionen gaben ihre Stimme ab“. Die Wahrheit ist aber eine andere.
Tatsache ist, dass nur knapp die Hälfte der wahlberechtigten Versicherten überhaupt wählen durfte. Tatsache ist weiterhin, dass von den 4.215 Mandaten, die vergeben wurden, lediglich 168 durch sogenannte Urwahlen zustande kamen. Das sind nicht einmal vier Prozent. Das ist alles legal, das geltende Recht sieht zwar die Wahl der Mitglieder der Selbstverwaltungen durch die Wahlberechtigten vor, versteht aber darunter auch die sogenannte „Wahl ohne Wahlhandlung“. Bei diesem auch Friedenswahl genannten Verfahren werden die Mandatsträger schlichtweg von den Sozialpartnern, d. h. Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften, bestimmt.
Die Piraten haben ein anderes Verständnis von Selbstverwaltung. In ihrem gemeinsamen Programmantrag PA 118 für den Bundesparteitag fordern die AG60+ aus Bayern und der AK Altersarmut und Rentenpolitik in NRW eine eigenverantwortlich verwaltete staatliche Rentenkasse, bei der die Verwaltungsorgane aus direkten Wahlen durch alle Versicherten hervorgehen und nicht über Listen ausgekungelt werden, die einvernehmlich zwischen den Sozialpartnern genau in der Höhe der zu vergebenden Mandate vereinbart worden sind.
Zu einem piratigen Verständnis von Selbstverwaltung gehört auch, dass die Versicherten selbst über die Verwendung der Versicherungsbeiträge entscheiden und dem staatlichen Zugriff auf die Rentenkasse durch die Bundesregierung ein Riegel vorschieben können. Die Versicherten sollen selbst entscheiden können, ob und welche versicherungsfremden Leistungen sie mit ihren monatlichen Beiträgen finanzieren wollen. Es bleibt den staatlichen Stellen natürlich unbenommen, ihre heutigen Rentenzuschüsse genau dafür einzusetzen.
Mit einer Selbstverwaltung der Versicherten, die ihren Namen verdient, wird nicht nur die notwendige Interessensvertretung der Versicherten gegenüber Gesetzgeber und Verwaltung möglich, es wird auch die notwendige Transparenz der Rentenversicherung gegenüber den beitragszahlenden Versicherten hergestellt.
Für Piraten gehören Transparenz und Selbstverwaltung zu den programmatischen Kernforderungen. Es ist aber auch nachvollziehbar, dass die anderen Parteien, die die Option auf Regierungsbeteiligung haben, sich nicht ihrer Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten auf die Rentenversicherung berauben lassen wollen.