Vielleicht mag dieses Fundstück dem ein oder anderen Piraten neuen Kampfgeist geben. Sicherlich aber regt es zum Nachdenken an. Eine wenig beachtete Umfrage vor etwa anderthalb Monaten sieht die Piraten klar im Aufwärtstrend. “Apotheke Adhoc” ist ein Nachrichtendienst für die Apotheker und hat am 25. und 26. September 2012 die klassische Sonntagsfrage gestellt. Das Magazin wollte von ihren Lesern wissen, wen sie bei einer Bundestagswahl am kommenden Sonntag wählen würden. Das Ergebnis aus etwas über 1.600 Teilnehmern ist überraschend bis geradezu bizarr.
Mit einem Stimmenanteil von 9,9% landet die Piratenpartei noch vor der SPD mit glatt 9,0 %. Dies zu einem Zeitpunkt, als die Piraten schon lange im Sinkflug und bei der Gesamtbevölkerung bei einem Stimmenanteil von nur noch 6 bis max. 7% waren. Zugegeben, diese Studie ist umstritten, da sie nicht den repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung abbildet. Das zeigt schon allein das historische Ergebnis der SPD.
Doch auch wenn man berücksichtigt, dass an dieser Umfrage vermutlich überwiegend netzaffine Apotheker teilgenommen haben und diese im statistischen Mittel deutlich jünger sein dürften, als der Mittelwert der Normalbevölkerung, fällt eine Wanderbewegung weg von der FDP und eine generelle Unzufriedenheit mit der Gesundheitspolitik der Bundesregierung auf. Was also bringt gestandene Männer und Frauen der ehrbaren Zunft der Apotheker dazu, mit der Piratenpartei zu kokettieren?
Der erste Gedanke ist, die Apotheker schätzen die Drogenpolitik der Piraten. Wären die Apotheker Nutznießer eines neuen Geschäftsmodells? Treffen die Piraten den Zeitgeist, oder fühlen sich die Apotheker einfach nur von allen ihren guten Geistern der Politik verlassen? Soll Pillendrehen transparenter werden? Was versprechen sich von der FDP im Stich gelassene Kaufleute, vom orangen Glaubensbekenntnis? Wer hier schon selig lächelnd die Apotheken in seiner App für den nächsten Tütchenkauf markieren möchte, sollte nicht so voreilig sein.
Die Erklärung könnte eine andere und furchtbar einfach sein. Von allen traditionellen Parteien in ihrer Geschäftstätigkeit bedroht, werden neue Verbündete gesucht. Das geht am einfachsten bei der Piratenpartei. Mehr oder weniger laut wurden die Apotheken-freundlichen Initiativen i2787 und i2844 ins Liquid Feedback gestellt und als Programmantrag #1530 eingebracht. Bisher ist dieser noch nicht für den BPT in Bochum eingereicht, aber es gilt, die Augen offen zu halten. Die ältere Initiative i2787 plädiert für die Aufhebung der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV), was den Onlinehandel verbessern und den Wettbewerb unter den Apotheken starten würde. Dies würde zu einer Marktbereinigung und vermutlich zu einer geringeren Apothekendichte führen. Diese Initiative hat das Quorum nicht erreicht.
Konkurrierend dazu ist die jüngere Initiative i2844, die die Beibehaltung der AMPreisV fordert und Rabattverträge verbieten möchte. Diese Initiative wurde von 375 Personen (70%) befürwortet. Argumentiert wird mit Einheitspreisen für Medikamente in der ganzen Republik, unabhängig von örtlichen Versorgungsstrukturen. Somit soll Apothekern eine Gewinnmarge garantiert werden, was wiederum eine bestimmte Versorgungsdichte garantiert. Als eigentliches Übel werden geheime Rabattverträge der Krankenkassen ins Feld geführt. Der Leipziger Initiator kommt selber aus dem Apothekenumfeld.
Lassen sich hier schon wieder die Piraten instrumentalisieren und merken es nicht? Was wäre der wahrscheinlichste Ansatz der Piraten? Wenn wir ein bezahlbares Krankensystem, eine Entlastung der Patienten wünschen, käme eine Abschaffung der Preisbindung diesem Ziel nicht näher? Zugegeben, von den etwa 60.000 deutschen Apotheken, würden nicht alle den Preiskampf überleben. Wahrscheinlich wäre auch eine Oligasierung und Bildung von Ketten, Eindringen von ausländischen Playern in den Markt denkbar und wahrscheinlich. Dies muss aber nicht zwingend zu einer Verschlechterung der Versorgungslage oder der Beratungsqualität führen.
Eine andere plausible Erklärung für den plötzlichen Zulauf durch margenverwöhnte Apotheker ist die rein strategische Abwanderung. Für Apotheker ist die ungünstigste Koalition Rot-grün. Jede Stimme für die Piraten stärkt also indirekt das konservative Parteienbündnis der CDU. Dies scheint in Anbetracht der in der Studie beobachteten Wechselwähler, der Verluste bei der FDP und der Zugewinne bei der CDU gar nicht so unwahrscheinlich.
Die Piraten freuen sich über jeden ernstgemeinten Zulauf. Es gibt keine Vorbehalte gegen Apotheker. Aber definitiv mögen wir keine Klientelpolitik und Piraten dürfen sich in Hoffnung auf bewusstseinserweiternde Drogen keine politischen Betäubungsmittel andrehen lassen.