Kommunikationstechniken haben schon immer begeistert. Früher waren es Funkamateure, die neue Techniken probierten. Seit den 90er Jahren begeistern die Möglichkeiten des (drahtgebundenen) Internets mehr und mehr Menschen. Bei den Freifunkern geht die Begeisterung für Funk und Internet eine phantastische Symbiose ein. Das Ergebnis sind für jedermann zugängliche WLAN-Netze als Zugang ins Internet. Dabei erfordert das Thema interdisziplinäre Fähigkeiten: Die Grundlagen der Funktechnik sollten verstanden sein, für den Bau der Antennen sind mechanische Fähigkeiten gefragt, das Internet und sein TCP/IP Protokoll sollte verstanden, wenn nicht gar verinnerlicht sein. Und zu guter Letzt halten Abmahnanwälte noch weitere Herausforderungen an den Freifunker bereit.
Wir sprachen mit Tobias Opitz (@sacerdos82) und Ruben Kelevra (@RubenKelevra) aus Wermelskirchen über die Freifunkidee und wie alltagstauglich die Anwendung schon ist.
Flaschenpost: Ich lies mir sagen, dass in Süd-Korea fast jeder Reisebus “WLAN on bord” hat. Von Zypern weiß ich, dass nur wenige ihr WLAN verschlüsseln. Warum tut man sich in Deutschland so schwer mit freiem Netzzugang?
@sacerdos82: Meiner Meinung nach ist Angst der wichtigste Grund. In Deutschland hat sich in den letzten zehn Jahren eine Art “Abmahnindustrie” entwickelt. Hier gehen die Debatten um das Urheberrecht und den freien Zugang zum Internet Hand in Hand. Wer befürchten muss, jederzeit “aus heiterem Himmel” mit einer tausende Euro schweren Forderung konfrontiert zu werden, tut sich schwer damit, “sein” Netz zu teilen.
Die Störerhaftung, von der die großen Netzbetreiber – wie beispielsweise die Telekom, Unity Media oder 1und1 – befreit sind, ist, so glaube ich, die größte zu überwindende Schwierigkeit. Da hier die Interessen von Abmahn-, Content- und Netzbetreiberlobby auf dem Spiel stehen, wird mit entsprechend harten Bandagen gekämpft. Es geht um sehr viel Geld.
Ein häufiges Argument der Netzbetreiber ist beispielsweise, das Trafficvolumen könnte im Schnitt pro Anschluss steigen und so höhere Kosten einer immer gleichbleibenden Vergütung gegenüberstehen. Damit wäre die Refinanzierung des Netzausbaus gefährdet. Vergessen wird dabei allerdings häufig, dass jemand, der einen Freifunk-Zugang nutzt, oft auch einen zur Verfügung stellt. Das Trafficaufkommen würde sich also bei einem hohen Verbreitungsgrad von Freifunk nicht signifikant erhöhen, sondern lediglich anders verteilen.
Leider kommt in vielen Fällen auch noch die Angst vor einer (weitgehend) unbekannten Technologie hinzu. Nur die wenigsten verstehen wirklich, was das neue Gerät tut und haben Bedenken, was die Sicherheit ihrer eigenen Daten angeht. Die Freifunk-Router verhindern zwar eine Verbindung zwischen dem privaten und dem öffentlichen Netz und blockieren die meisten Protokolle und Webdienste, die für einen Missbrauch geeignet wären (z.B. BitTorrent), dennoch fällt es vielen schwer, hier Vertrauen zu fassen.
Natürlich spielt in einigen wenigen Fällen auch eine gewisse Portion Egoismus mit. Man soll ja “sein” Netz, für das man schließlich bezahlt hat, mit “Wildfremden” teilen … und das auch noch unentgeltlich! Dass man auf der anderen Seite aber ebenfalls an vielen Stellen kostenlosen Internetzugang auf Freifunkbasis nutzen kann, wird dabei geflissentlich übersehen. Glücklicherweise ist dies aber ein sehr seltener Ablehnungsgrund. Wer so denkt, setzt sich in der Regel nicht mit gemeinnützigen Projekten auseinander.
Flaschenpost: Offensichtlich kann ein Freifunkzugang trotzdem noch missbraucht werden. Derzeit gibt es ja einige Abmahnungen wegen Urheberrechtsverstößen. Es kann für den Freifunker also doch ein teures Engagement werden?
@sacerdos82: Grundsätzlich kann jede Technologie missbraucht werden. Die Freifunk-Software wird natürlich ständig weiterentwickelt und bietet das höchstmöglich Maß an Sicherheit. Völlig sichere Systeme gibt es aber nicht. Diesen Fakt kann man nicht wegdiskutieren.
Die verschiedenen Freifunk-Vereine unterstützen die “Internet-Spender” natürlich nach Kräften, sollte ein solcher Fall tatsächlich eintreten. Ein gutes Beispiel dafür ist eine Abmahnung, die einem Freifunker des Freifunk-Rheinland e.V. ins Haus flatterte. Hier kam innerhalb kürzester Zeit eine Menge Geld aus Spenden zusammen, um die Verhandlungen zu finanzieren. In diesem Fall ist es auch erklärtes Ziel, den Status der Freifunker als Dienstanbieter endlich rechtlich zu klären.
Allerdings muss nicht jeder Freifunker zwangsläufig auch einen Internetanschluss zur Verfügung stellen. Es ist auch möglich, eine “Drohne” zu betreiben. Dabei handelt es sich um einen Router, der seinen Internetzugang durch Weiterleitung innerhalb des Freifunk-Netzes selbst erhält. Das ist das Schöne, stellt auch nur ein Router im Netz Internet bereit, steht es allen zur Verfügung.
Flaschenpost: Wären VPN-Tunnel in ein sicheres Land wie beispielsweise Schweden eine Lösung, oder eher nichts, auf das man sich auf Dauer verlassen sollte?
@sacerdos82: Dieses Konzept bietet im Augenblick tatsächlich einen Ausweg. Die Firmware ist dafür vorbereitet und in Wermelskirchen sind solche Umleitungen integraler Bestandteil der Netzplanung. Leider sind diese mit regelmäßigen Kosten verbunden. Sie halten sich zwar in Grenzen, – beim Netzaufbau in Wermelskirchen kalkulieren wir im Augenblick mit ca. 15 Euro pro Benutzer und Jahr – dennoch wäre eine eindeutige Gesetzeslage natürlich wünschenswerter.
Flaschenpost: Wie sieht es hier bei mir in München aus? Komme ich ohne Verbindungsabbruch durch die Innenstadt?
@RubenKelevra: Grundsätzlich ist die Technologie so ausgelegt, dass Verbindungen ohne Unterbrechung weitergeführt werden, wenn die Hotspots gewechselt werden. Allerdings muss in einer Großstadt im Moment von wenig Verbreitung ausgegangen werden im Gegensatz zur Fläche. Hier ist also die Menge der Hotspots zu gering. Im Normalfall ist eine Unterbrechung der Verbindung auf technischer Seite kein großes Problem, da die meisten Anwendungen für einen Wiederaufbau der Verbindung ausgelegt sind.
Flaschenpost: Was muss ich machen, um die Freifunknetze benutzen zu können? Wie erkenne ich so ein Freifunknetz, wenn ich in seiner Reichweite bin – und wie bringe ich das meinem Mobiltelefon bei?
@sacerdos82: Es funktioniert wie ein Hotspot, den man beispielsweise von Ketten wie Starbucks kennt. Die Freifunknetze sind durch ihren Namen klar erkennbar und unverschlüsselt. Einfach einloggen. Im Browser erscheint als erste Seite, unabhängig von der eigentlichen URL, eine Hinweisseite, auf der du gebeten wirst, die Regeln des Freifunks zu respektieren. Einmal auf “Akzeptieren” gehen und du bist drin.
Flaschenpost: Und wenn ich der Community etwas zurückgeben möchte, also selbst einen Freifunkknoten betreiben will?
@RubenKelevra: Auf http://start.freifunk.net findest du Zusammenfassungen und Ansprechpartner für deine Region. Die einzelnen Gruppen bauen ihre Netze immer etwas unterschiedlich auf, daher ist es besser, sich einen Freifunker vor Ort zu suchen. Natürlich kannst du dir auch einfach das passende Image der Freifunksoftware herunterladen und es selbst auf einen kompatiblen Router spielen.
@sacerdos82: In Wermelskirchen haben wir uns darauf geeinigt, weitgehend einheitliche Hardware zu verwenden. Wir benutzen Router, die man fertig bei uns für aktuell 15 € beziehen kann. Hilfe bei der Installation natürlich inklusive. Wenn jemand schon ein Gerät hat, helfen wir natürlich auch gerne dabei, es freifunktauglich zu machen.
Flaschenpost: Vielen Dank für die ausführlichen Antworten. Nächsten Samstag ist Shopping in der Innenstadt angesagt. Bei der Gelegenheit werde ich mal nach Freifunknetzen Ausschau halten.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.