Achtung: Dieser Artikel stammt aus 2014 – für die Bundestagswahl 2021 lest bitte diesen Artikel
Dieser Artikel entstand unter Mithilfe einiger engagierter Piraten, insbesondere Dominic Guhl, Guido Körber, Sven Böhle und anderen Mitgliedern der Servicegruppe Programm. Er beschäftigt sich ausschließlich mit dem Wahlprogramm – ein weiterer zum Grundsatzprogramm, das umfangreichere Positionen beinhaltet, wird folgen.
Rund 2.000 Piraten haben sich auf dem zweiten Bundesparteitag 2012 in Bochum getroffen und beschlossen Positionen für unser Wahlprogramm. Sie teilten es in dreizehn politische Themenfelder auf, von denen sechs bereits mit Inhalten gefüllt sind. Die übrigen müssen auf auf dem nächsten Bundesparteitag (am 11.&12. Mai in Neumarkt) noch beschlossen werden. Da aber kaum jemand jemals das komplette Programm liest, haben wir hier unsere wichtigsten, bisher beschlossenen Positionen zusammengefasst:
- Freiheit und Grundrechte
- Demokratie wagen
- Internet, Netzpolitik und Artverwandtes
- Bildung und Forschung
- Umwelt und Verbraucherschutz
- Kunst & Kultur
- Arbeit und Soziales
- Familie und Gesellschaft
- Gesundheitspolitik
- Europa
- Außenpolitik
- Wirtschaft & Finanzen
- Innen- und Rechtspolitik
1. Freiheit und Grundrechte
Wir Piraten wollen den Datenschutz und die informationelle Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger bewahren und stärken. Dazu haben wir einen Forderungskatalog für den Datenschutz aufgestellt, der die sparsame Erhebung, zweckgebundene Verarbeitung und Nutzung sowie die eingeschränkte Weitergabe von personenbezogenen Daten umfasst.
Das Recht, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung personenbezogener Daten zu bestimmen, soll gestärkt werden. Verstöße müssen sanktioniert und Datenhandel eingedämmt werden. Eine Vorratsdatenspeicherung jeglicher Form lehnen wir grundsätzlich ab.
Die Menschen in Deutschland müssen sich darauf verlassen können, dass von staatlicher Seite mit Meldedaten verantwortungsvoll umgegangen wird und dass verdachtsunabhängige Datenspeicherung unterbleibt. Das umfasst auch ein Verbot der Weitergabe an andere (offizielle) Stellen, wie zum Beispiel die GEZ: Wir möchten die im Runkfunkänderungsstaatsvertrag (RÄStV) enthaltene Klausel, die eine “Durchleuchtung” der „individuellen Lebenssachverhalte“ der Bürger erlaubt, ersatzlos streichen.
3. Internet, Netzpolitik und Artverwandtes
Generell sollen alle von öffentlichen Stellen erzeugten oder geförderten Inhalte und Daten der breiten Öffentlichkeit frei zugänglich gemacht werden. Die Verfügbarkeit darf nicht durch Antragsverfahren, Lizenzen, Gebühren oder technische Mittel erschwert werden. Die Inhalte werden in offenen Formaten online zur Verfügung gestellt und archiviert. Weiterverbreitung sowie kommerzielle Nutzung, zum Beispiel durch Start-Ups, sind ausdrücklich erwünscht. Dieses Prinzip betrachten wir als Teil unseres Vorhabens, öffentliches Handeln transparent zu machen und wir nennen es Open Access.
Zum Thema Urheberrecht haben wir über das Programm hinaus schon eine konkrete Reform erarbeitet. In ihr stärken wir zum Beispiel die Rechte von Bibliotheken und öffentlichen Bildungseinrichtungen und ihren Nutzern gegenüber den Inhabern und Verwertern des Urheberrechts. Weil sich von jedem digitalen Werk theoretisch beliebig viele Kopien anfertigen lassen, sollen Bibliotheken das Werk auch häufiger verleihen dürfen, als sie es in Papierform auf Lager haben. Kuriositäten des deutschen Rechts, nach dem zum Beispiel Bauwerke auch urheberrechtlich geschützt sein können, sollen gestrichen werden. Insgesamt wollen wir die freie und private legale Nutzung von Werken zum Konsum von Kultur und zur Förderung der Allgemeinbildung ermöglichen und sie dafür von einigen Beschränkungen durch den Gesetzgeber oder den Verwerter befreien, dabei aber die Interessen des Urhebers an seinem Werk berücksichtigen.
Die Idee, dass Film- und Fernsehproduktionen (zum Beispiel Dokumentationen), die mit öffentlichen Mitteln finanziert wurden, der Öffentlichkeit kostenfrei, zeitlich unbegrenzt und ohne Einschränkung zugänglich gemacht werden, vertreten Piraten schon länger, auch wenn sie jetzt erst von Medienvertretern nach dem Rundfunkänderungsstaatsvertrag wieder angesprochen werden.
4. Bildung und Forschung
Wir Piraten machen die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen nach dem oben erwähnten Open Access-Prinzip zum zentralen Kriterium für die Vergabe öffentlicher Fördermittel. Trägern und Forschern, die ihre Ergebnisse nach diesem Prinzip zugänglich machen wollen oder sich zumindest dafür interessieren, kommen Piraten politisch entgegen.
5. Umwelt und Verbraucherschutz
Im Bereich Umwelt und Verbraucherschutz geht es uns wie überall in erster Linie um Nachhaltigkeit; ökologisch, ökonomisch, und sozial.
Für die Freiheit und würdige Existenz nachfolgender Generationen wollen wir eine gesunde Umwelt, Ressourcen und Energieversorgung langfristig sichern. Darum wollen wir einen möglichst schnellen Ausstieg aus der nuklearen Stromerzeugung und einen konsequenten Umbau der Energiewirtschaft zu einem langfristigen, umweltschonenden, dezentralen und transparenten System. Der weitere Ausbau der nachhaltigen Energieversorgung und Aufbau von Stromspeichern soll konsequent vorangetrieben, die finanziellen Belastungen in Grenzen gehalten werden. Wichtige Infrastrukturen, wie die Trinkwasserversorgung, sollen nicht privatisiert, endliche Ressourcen durch kosequentes Recycling langfristig gesichert werden.
Wir wollen Verbraucherrechte stärken, zum Beispiel indem wir das “Kleingedruckte” für jeden verständlich machen. Wir setzen uns für eine ausgewogene Verteilung von Wohn- und Gewerbegebieten sowie Freizeitbebauung ein, damit soziales Leben mit kurzen Wegen möglich ist. Wir wollen Barrierefreiheit und Familienfreundlichkeit fördern, und unverhältnismäßigen Mietpreisen entgegenwirken. Wir sind gegen die Privatisierung von Infrastruktur, und möchten Pilotprojekte für fahrscheinlosen öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) fördern. Bei der Stadtplanung setzen wir uns für breite Beteiligungsmöglichkeiten ein.
Wir möchten regionale Landwirtschaftsbetriebe wettbewerbsfähig machen und erhalten. Wir sprechen uns gegen die Patentierung von Saatgut speziell mit Herbizidresistenz aus und wollen Fördergelder im Bereich Landwirtschaft an Auflagen für Klima, Umwelt, Natur sowie Tier- und Artenschutz knüpfen. Wir sind gegen industrielle Massentierhaltung und für artgerechte Haltung aller Nutztiere. Wir setzen uns gegen unmenschliche Behandlung von Tieren ein. Dazu müssen neue Regelungen geschaffen und bereits bestehende konsequenter durchgesetzt werden. Tierversuche lehnen wir ab, wenn es alternative Möglichkeiten gibt.
7. Arbeit und Soziales
Die Piraten stehen für das Recht auf sichere Existenz und gesellschaftliche Teilhabe. Sich in die Gesellschaft einzubringen, darf keinem Menschen durch widrige Lebensumstände erschwert werden. Wir setzen uns für einen gesetzlichen Mindestlohn und die Abschaffung von Sanktionen für Bezieher von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) ein. Wir fordern eine Begrenzung der zulässigen Dauer von Leiharbeit auf sechs Monate, und wollen eine Höchstquote von 10 % für Leiharbeiter in Unternehmen einführen. Außerdem sollen Leiharbeiter für ihre Flexibilität einen Lohnzuschlag erhalten.
Im Bundestag möchten wir Möglichkeiten zur Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) durch eine Enquete-Kommission erarbeiten lassen. Dies sollen dann in einer bundesweiten Volksabstimmung, die wir gesetzlich ermöglichen wollen, abgestimmt werden.
13. Innen- und Rechtspolitik
Wir stehen für politische Transparenz und gegen Korruption. Alle Einflussnahmen auf politische Entscheidungen sollen offengelegt werden, damit für die Bürger nachvollziehbar ist, wie diese entstanden sind. Die Beteiligung von Interessenverbänden am politischen Prozess ist wichtig, aber sie muss Grenzen haben. Interessenvertreter sollen sich darum in ein öffentlich einsehbares Lobbyregister eintragen, um im Deutschen Bundestag an Gesetzestexten mitarbeiten zu können. Auch das so genannte Sponsoring, die Parteienfinanzierung an den gesetzlichen Vorgaben zur Parteienfinanzierung vorbei, soll nach uns Piraten transparent, anzeige- und rechenschaftspflichtig werden.
Der Anreiz für Politiker, ihren späteren Arbeitgebern in der Gesetzgebung und in ihren Entscheidungen gefällig zu sein, soll durch Sperrfristen nach der Legislaturperiode verringert werden. Das nicht geringe Übergangsgeld für aus dem Amt scheidende, leitende Politiker ermöglicht es ihnen nach Meinung der Piratenpartei, auch über eine mindestens einjährige Frist hinaus, ohne sofortige Beschäftigung in der Wirtschaft oder Industrie auszukommen.