Der Landesverband Berlin hat heute seine Landesliste für die Bundestagswahl 2013 aufgestellt. Und was für eine Liste: die ersten vier Kandidaten sind, ein absolutes Novum in der Piratenpartei, Kandidatinnen. Die Reaktionen speziell darauf sind, wie nicht anders zu erwarten, gemischt. So wird beispielsweise darauf verwiesen, dass diese Liste ohne Geschlechterquotierung aufgestellt wurde. Und es sei nach Kompetenz und nicht nach Geschlecht gewählt worden. Andere wiederum beschweren sich, dass Männer ungleich behandelt würden, und eine Quote 50/50 und nicht 43/57 bedeutet hätte. Was mindestens einen Twitterer dazu brachte (als offenkundigen Scherz) für Berlin eine Männerquote zu fordern. Um diese Listenwahl in etwas mehr Kontext zu setzen, möchte ich kurz ein paar Zahlen und Fakten auf den Tisch legen.
Berlin ist nur eins von 16 Bundesländern
Dank der Landeslistenliste von Käptn_Nemo (Stand: 24.02.2013) lässt sich mit moderner Computertechnik bereits jetzt abschätzen, wie eine mögliche zukünftige Bundestagsfraktion der Piraten in Sachen Geschlechterverteilung aussehen würde:
Die genaue Verteilung hängt von der Fraktionsgröße, und damit von der Zahl der Zweitstimmen ab. Die orangene Linie zeigt an wo die Fraktion mit den aktuell feststehenden Listenkandidaten steht. Der hellorangene Bereich zeigt den insgesamt noch möglichen Spielraum durch die bisher nicht gewählten Landeslisten an. Würden nur noch Männer aufgestellt, würde die orangene Piraten-Linie an den unteren Rand des Bereichs rutschen, würden nur noch Frauen aufgestellt, an den oberen Rand. Die anderen horizontalen Linien zeigen die Geschlechterverteilung der aktuell bestehenden Bundestagsfraktionen und des gesamten Bundestages zum Vergleich an.
Erkenntnisse: Die Piratenpartei befindet sich aktuell in bester Gesellschaft in der konservativen Ecke der Parteienlandschaft. Ohne Diskussion.
Nun sind die Bundestagswahlen 2013 natürlich nur ein Messpunkt in der Geschichte der Partei. Das darf man doch sicherlich nicht so einfach verallgemeinern. Daher, Punkt 2:
Die Bundestagswahl ist kein Einzelfall
Es ist nicht ganz einfach für sämtliche Landesparlamente die notwendige Datenbasis zu erhalten, da nicht alle Landtage sie überhaupt zur Verfügung stellen. Witzigerweise betreiben hier die vermutet konservativeren Landtage (z. B. Baden-Württemberg) eine offenere Informationspolitik als die anderen (z. B. Berlin). Ich habe mir den Spaß dennoch erlaubt, und mich durch sehr viele Abgeordnetenlisten von Landtagsfraktionen hindurchgezählt.
So sieht es in der Gesamtschau aus:
Die einzelnen Landtage sind jeweils spaltenweise eingetragen, der Bundestag in der letzten Spalte. Berücksichtigt sind alle Fraktionen in der aktuellen Besetzung. Die Durchschnittsangaben berücksichtigen auch fraktionslose Abgeordnete. In der Bundestagsspalte ist der bereits in der obigen Grafik gezeigte mögliche Bereich einer Piratenfraktion angezeichnet.
Erkenntnisse: Die Piratenpartei befindet sich aktuell in 4 Landesparlamenten. In drei der vier Parlamente hat die Piratenfraktion die jeweils niedrigste Frauenquote. Nur in einem Landtag (Saarland) wurde die Piratenpartei noch durch eine andere Partei (die CDU) unterboten.
Jetzt ist in dieser Grafik einiges zu sehen, aber es ist schwer aus ihr etwas allgemeingültiges abzulesen. Und ausserdem kann ich es schon hören…
Die Piratenpartei hat gar kein Genderproblem
Fasst man die Daten aller bestehenden Fraktionen nach Parteien zusammen, ergibt sich folgendes Bild: Jede einzelne Fraktion ist mit einem Kreis verzeichnet. Der dicke Balken in jeder Parteienspalte gibt den Durchschnitt der Geschlechterverteilung aller Parteifraktionen an.
Erkenntnisse: Die Piratenpartei liegt deutlich unter den sogenannten Mitte/Links-Parteien, und am unteren Rand der bürgerlich/konservativen Parteien. Aber es ist nicht alles schlecht, denn es gibt ja noch eine andere Partei die deutlich schlechter dasteht: Die NPD. Hurra.
Fazit: Die Piratenpartei behauptet sie sei postgender. Trotz der neuen Berliner Landesliste und selbst im Vergleich zu anderen demokratischen Parteien sagen die Fakten, dass die Partei eine Männertruppe ist. Das Geschlecht von Mitgliedern nicht zu erfassen, Postgenderism zu postulieren und Bedenkenträger zu ignorieren macht die Partei nicht postgender. Ich sage hier nicht dass die Partei eine Quotenregelung braucht, sondern dass sie zuallererst die Fakten akzeptieren muss: Von einer Gleichgestellung der Geschlechter sind wir noch weit entfernt.
Der Quellcode für Grafiken inklusive Quellennachweise zur Datenbasis ist auf uxp.de zu finden.
Ein interessanter Artikel, aber mir fehlt die Definition, wie eine Gleichstellung der Geschlechter tatsächlich definiert sein soll:
Eine Gruppe besteht zu 10% aus Frauen zu zu 90% aus Männern. Soll die “Macht” nun 50/50 unter Frauen und Männern aufgeteilt werden, oder im Verhältnis der Gruppenanteile?
In der Annahme dass sich der Idiotenanteil auf alle Geschlechter gleichermaßen verteilt, wäre eine 50/50 Quotierung gleichbedeutetend, dass die Wahrscheinlichkeit einen weiblichen Idioten aufgrund der Quotierung in ein Amt hieven muss.
Irgendwo wurde einmal festgestellt, dass der Anteil von Frauen in Ämtern in der Piratenpartei deutlich höher sei als der (angenommenen) Anteil der weiblichen Mitglieder.
Solange ich noch Mitglied war, habe ich zu keinem Zeitpunkt einen Kandidaten nach Geschlecht, sondern nach Idiot/Nichtidiot beurteilt. Wir können froh sein, dass wir keine Idiotenquote haben. Obwohl man es bei der Betrachtung mancher Ämterbesetzungen glauben könnte.
Genau das ist die richtige Frage. Und ich finde seltsam, dass sie im Artikel nicht gestellt wird.
Das ist ein super Artikel!
Aber irgendwie… wenn halt mehr Männer als Frauen in der Partei sind, ist doch letztendlich auch klar, dass mehr Männer als Frauen auf die Listen und in die Parlamente gewählt werden. Um Gegensetzliches zu erreichen müssten wir die ganze Zeit Frauen mit Absicht durchwählen. Das ist ja nicht im Sinne des Erfinders.
Wir müssten uns also wenn das mal ausgeglichener werden soll erstmal freuen, wenn Frauen neu dazu kommen :).
Es gibt keine Partei die ‘Geschlechtergerecht’ ist. Selbst bei den Grünen beträgt der weibliche Mitgliederanteil nur 36%! Die SPD hat seit der Einführung der Frauenquote etwa 500.000 Mitglieder verloren, hat heute weniger weibliche Mitglieder als bei der Einführung der Frauenquote und ist heute völlig überaltert.
Faktisch hat die Frauenquote zu einer dramatischen Entpolitisierung der Bevölkerung beigetragen und damit nur für eine kleine Schicht von Frauenfunktionären und für das Kapital und die Unternehmer in Form höherer Profite einen positiven Effekt gehabt.
Und ihr lässt euch diesen Quatsch jetzt auch von den Medien aufschwatzen!
Damit verliert die Piratenpartei endgültig ihre Existensberechtigung, nämlich statt ‘Geschlechtergerecht’ einfach demokratisch zu sein!
korrelation ! = kausalität, der spd sterben vor allem mitglieder weg, sie hat nicht wg der quote welche verloren.
Zitat “Ich sage hier nicht dass die Partei eine Quotenregelung braucht, sondern dass sie zuallererst die Fakten akzeptieren muss: Von einer Gleichgestellung der Geschlechter sind wir noch weit entfernt.”
Logischer Fehler. Wenn du beweisen willst, dass wir von einer “Gleichgestellung” weit entfernt sind, dann musst du aufzeigen, dass Frauen WEGEN ihres Geschlechtes gering vertreten sind. Du aber zeigtst allenfalls auf, dass die Anteile der Frauen in den Fraktionen anscheinend überrepräsentativ hoch sind, verglichen mit ihren Anteilen an den Mitgliedern.
An deiner Stelle würde ich an der Wurzel des Übels ansetzen und mich mal mit dieser Sauerei befassen wieso freiwillig so viele Männer in die Piraten eintreten.
PS: Ich will wieder die Marina als Chefin haben !
Wer von Gleichberechtigung der Geschlechter redet und Geschlechter (Zwitter, Intersexuelle, Hermaphroditen) ausblendet ist unglaubwürdig! http://blog.zwischengeschlecht.info/post/2013/03/21/Bundestag-Grundrechte-Intersex-entscheidende-Fortschritte-bei-den-Gruenen