Wenn erst einmal alles “Rundfunk” sei, so das Kalkül der Ministerpräsidenten der Länder, brauche es keine Datenschnüffeleien und keine GEZ mehr. Womit auch automatisch das “Heraus winden aus der Zahlungspflicht” unmöglich werden sollte. Doch was die Väter des neuen Staatsvertrags nicht bedachten: Viele der zwangsbeglückten Rundfunkteilnehmer wollen nichts von Radio und Fernsehen wissen – eine neue Unzufriedenheit liegt in der Luft. Dass viele Bürger weiterhin den verbrannten Begriff “GEZ” statt das sperrige “ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice” nutzen zeigt die geringe Akzeptanz.
Schon kurz nach Bekanntwerden der Pläne zur Umstrukturierung der Rundfunkgebühren regte sich bei denen Widerstand, die nicht fernsehen oder Radio hören. In ihrem Protest wahrnehmbarer waren die Arbeitgeber, die für jeden Angestellten und Arbeiter einen reduzierten Rundfunkbetrag an die neue GEZ abführen sollten. Nach Lesart der Unternehmen sei die Arbeitszeit nicht zum Fernsehen da. Der ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice argumentierte dagegen, dass der Finanzbedarf von jährlich 7.5 Milliarden € nicht von den Privathaushalten alleine getragen werden könne.
Kaum war die GEZ-Gebühr abgeschafft und die Haushaltsabgabe eingeführt, gab es den ersten praktischen Widerstand. Anfang Januar klagte die Handelskette Rossmann gegen die neue Quasi-Steuer. Ende Januar stellte die Stadt Köln die Zahlungen ein. Danach baute sich eine kleine Protestwelle auf: Kleingärtner, Gebrauchtwagenhändler und Kirchen stellten sich quer.
Kritik gibt es auch an der Art und Weise, wie der von jedem zu zahlende Beitrag, zu begleichen ist. Denn zulässig ist seit Anfang 2013 nur noch die Überweisung oder der Bankeinzug. Die Möglichkeit bar zu zahlen entfiel, eine monatliche Zahlung ist ebenfalls nicht vorgesehen: Zu bezahlen ist quartalsweise – im Voraus! Für eine noch nicht erbrachte Leistung, die in vielen Fällen, ganz unabhängig ob man den Fernseher einschaltet oder nicht, auch nie erbracht werden wird eine erstaunliche Forderung. Dass die neue GEZ nun gegen säumige Zahler Inkassounternehmen losschickt macht auch keine neuen Freund.
Inzwischen wurden mehrere Klagen gegen die undifferenziert Gebührenpflicht erhoben, auch in Piratenkreisen gibt es Pläne die Haushaltsabgabe juristisch zu Fall zu bringen. Befeuert werden solche Klagen von Studien, die der Haushaltsabgabe die Verfassungsmäßigkeit absprechen. In der Hoffnung auf eine mögliche Rückerstattung werden immer mehr Überweisungen mit dem Vermerk “unter Vorbehalt” geleistet.
Doch auch abseits der Gebühren, beim Rundfunk selbst, weht den Öffentlich-Rechtlichen-Rundfunkmachern der Wind derzeit sehr kalt ins Gesicht. Die Einstellung des Spartensenders ZDF Kultur mit dem Argument des Sparzwanges wirkt angesichts erwarteter Mehreinnahmen von 10% irritierend. Anfang Februar sahen sich die Aufsichtsgremien der Sender in der Kritik, als gefordert wurde, dass auch diese sich der neuen Wirklichkeit stellen müssen und beispielsweise der gestiegenen gesellschaftlichen Relevanz von Einwandern einen Platz verschaffen müsse. Dieser sei gegebenenfalls auf Kosten des Sitzes der Vertriebenenverbände zu vergeben, die im Deutschland des Jahres 2013 nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Einen unkonventionellen Weg bei der Vergabe “ihres” Sitzes im WDR-Rundfunkrat gingen die Piraten im Düsseldorfer Landtag: Der Sitz im WDR-Rundfunkrat wurde öffentlich ausgeschrieben.
Aber auch der Rundfunk-Beitragsservice, der ursprünglich den Slogan verteilte dass die Schnüffelei nun zu Ende sei, kommt nicht aus den Negativschlagzeilen. Denn derzeit wird die Kölner Datenbank mit denen der Meldebehörden abgeglichen. Dabei werden Angaben zu Name, Adresse, Familienstand, Geburtstag und Tag des Einzugs übermittelt. Es dürfte sich um den größten Datenabgleich handeln, der in der Bundesrepublik jemals stattfand. Die Schnüffelei ist aller Beteuerungen zum Trotz schlimmer als je zuvor.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.