Der Frankfurter Pirat und Listenkandidat für den Hessischen Landtag Stefan Schimanowski fordert Bundespräsident Gauck in Hinblick auf dessen eigene Vergangenheit in einem offenen Brief bezüglich der zunehmenden Überwachung der Bevölkerung und der Entfremdung der Pokitik zum Handeln oder zum Rücktritt auf.
Offener Brief an Bundespräsident Gauck
Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
es ist mit Sicherheit keine leichte Aufgabe, ein Bundespräsident für alle Einwohner zu sein. Ich möchte sie allerdings auffordern, genau dies zu sein.
Wir leben in Zeiten, in denen die Einwohner das Vertrauen in den Staat verlieren. Demonstranten werden von Polizisten zusammengeschlagen, Protestcamps werden mit Gewalt aufgelöst, die Behörden entwickeln eine unglaubliche Sammelwut an allen möglichen Daten und die Überwachung schreitet nicht erst seit dem aufgedeckten NSA-Skandal voran. Der Staat schützt seine Einwohner nicht mehr, er sieht sie zunehmend als Feind an.
Sie waren selbst einst ein Bürgerrechtler in einem Überwachungsstaat. Daher ist es mir unverständlich, wie sie Edward Snowden einen Verräter nennen können. Edward Snowden riskiert sein Leben, um illegale Machenschaften seiner Regierung und die Errichtung eines Überwachungsstaates zu verhindern. Er ist ein Held. Sich gegen die Staatsmacht zu stellen bedeutet nicht, sein Land zu verraten. Wer in der ehemaligen DDR Widerstand leistete, hat mit Sicherheit Ihren persönlichen Respekt, oder hegen sie auch in diesem Falle keine Symphatien für Verräter? Hat Graf von Stauffenberg ihre Symphatie?
Herr Bundespräsident, die großen Parteien in diesem Land entfernen sich zunehmend von Sinn, Verstand und der Realität. Vorgaben des Verfassungsgerichtes werden ignoriert und neue Gesetze geschaffen, gegen die sowieso wieder geklagt wird. Es tut mir in der Seele weh, wenn ein ehemaliger Bürgerrechtler und jetziger Bundespräsident diese Gesetze, zum Beispiel die 3-%-Hürde bei der Europawahl oder das Gesetz zur Bestandsdatenauskunft unterschreibt und damit deren Gültigkeit erklärt.
Die Menschen in Deutschland brauchen einen Bundespräsidenten, der sich schützend vor sie stellt, wenn die Politik – wie so oft – versagt. Einen Präsidenten, der unsere Freiheit verteidigt und nicht die Überwachung fördert. Der sich für soziale Gerechtigkeit ausspricht, der sich dafür einsetzt, dass wir auf der Straße unsere Meinung sagen dürfen, ohne Angst zu haben, von der Polizei auf Geheiß von Innenministern massiv unter Druck gesetzt, drangsaliert und geschlagen zu werden.
Ich fordere Sie auf, umgehend handeln und Deutschland zurück zu einem freien Land zu machen, als Vorbild für die restliche Welt. Oder machen Sie Platz für jemanden, der es kann.
Hochachtungsvoll,
Stefan Schimanowski
Es ist für uns Piraten bedenklich, wie die deutsche Politik Überwachungsmaßnahmen gegen die Bürgerrechte deckt und selbst forciert. Auf Dauer wird die Demokratie unter dem Misstrauen, das die gewählten Vertreter ihrem Souverän entgegenbringen, leiden. um das zu vermeiden, fordern die Piraten den Abbau sämtlicher Überwachungsgesetze wie Bestandsdatenauskunft, die Erleichterung direktdemokratischer Mitbestimmung und größtmögliche Transparenz politischer Prozesse.