Die ersten beiden Teile (eins und zwei) dieser Serie haben wir das Recht auf ein bedingungsloses Grundeinkommen abgeleitet und dargestellt, wie die Gesellschaft momentan mit diesem Recht umgeht.
Im dritten Teil möchten wir das bereits abgeschlossene Grundeinkommensprojekt “Basic Income Grant” vorstellen, welches in Namibia durchgeführt wurde.
Eckdaten:
- Projektname: Basic Income Grant
- Ort: Otjivero, Namibia
- Auszahlung: 100N$ (9 Euro) pro Person und Monat an 930 Personen
- Finanzierung: Spenden
- Auszahlung: bedingungslos, per Überweisung
- Projektstatus: beendet
Kosten:
- ca. drei Millionen N$, davon:
- 2,4 Millionen N$ Auszahlung
- 96.000 N$ Administrationskosten (Auszahlung NamPost)
- 500.000 N$ für Forschung (Ausbildung der Forscher, Feldforschung, Dateneintragung, Datenanalyse, Druck und Publikation der Berichte, Vorstellung der Berichte etc.)
Historie (Quellen):
- 2002: von der namibischen Regierung eingesetzte Steuerkommission schlägt ein universelles Grundeinkommen vor, um die hohe Armut und Ungleichheit in Namibia zu verringern
- 2004: Kirchen und zivilgesellschaftliche Organisationen in Namibia entscheiden, diese Forderung zu unterstützen
- 2007: Entscheidung über zweijähriges Pilotprojekt in Otjivero/Omitara gefallen/Finanzierung durch Spenden
- Januar 2008: erstmalige Auszahlung
- Dezember 2009: letztmalige Auszahlung
- 2010: Namibische Regierung lehnt die landesweite Einführung ab. Gewerkschaften verlassen daraufhin die Koalition
- September 2010: Gewerkschaften kehren in die Koalition zurück, mit dem Ziel, dem strukturellen Wirtschaftswandel mehr Nachdruck zu verleihen
- Seit Auslaufen des Projektes erhalten die vorherigen BezieherInnen ein Überbrückungsgeld von 80 N$ monatlich aus Spendengeldern
Situation vor der Einführung des Grundeinkommens:
Vor der Einführung des BIG (Basic Income Grant) war Otjivero-Omitara von Arbeitslosigkeit, Hunger und Armut bestimmt. Die meisten Bewohner hatten sich dort niedergelassen, weil sie sonst nirgends eine Bleibe hatten; ihr Leben war von Entbehrungen gekennzeichnet, und sie hatten wenig Hoffnung für ihre Zukunft.
Wesentliche Ergebnisse des Projektes (übernommen aus dem unten verlinkten Forschungsbericht):
- Die Einführung des BIG setzte Hoffnung frei, und die Gemeinschaft reagierte, indem sie ein eigenes 18-köpfiges Komitee einrichtete, um die Gemeinschaft zu mobilisieren und die Einwohner zu beraten, wie sie das BIG-Geld gut einsetzen könnten. Das zeigt, dass die Einführung eines BIG wirkungsvoll helfen kann, eine Gemeinschaft zu mobilisieren und zur Selbstständigkeit zu befähigen.
- Weil der BIG nur in diesem einzigen Ort eingeführt wurde, gab es einen signifikanten Zuzug nach Otjivero-Omitara. Verarmte Familienmitglieder zogen, angelockt vom BIG, nach Otjivero, obwohl die Migranten selbst kein Geld erhielten.
- Die Migration nach Otjivero-Omitara hat die für diese Studie erhobenen Daten beeinflusst. Das Pro-Kopf-Einkommen aus dem BIG fiel von monatlich N$ 89 im Januar 2008 auf N$ 67 im November 2008.
- Seit der Einführung des BIG ist die Armut in den einzelnen Haushalten signifikant gesunken. Wenn man die Nahrungsmittel-Armutsgrenze betrachtet, dann fielen im November 2007 76% der Bewohner unter diese Grenze. Innerhalb eines Jahres mit BIG reduzierte sich diese Zahl auf 37%. Bei Haushalten, die nicht von Zuwanderung betroffen waren, fiel sie auf 16%. Hier zeigt sich, dass ein landesweiter BIG dramatischen Einfluss auf die Armutswerte in Namibia haben könnte.
- Die Einführung des BIG hat zu einem Anstieg der ökonomischen Aktivitäten geführt. Die Zahl derer (älter als 15 Jahre), die sich mit Einkommen schaffenden Aktivitäten beschäftigen, stieg von 44% auf 55%. Also hat der BIG die Empfänger in die Lage versetzt, ihre Arbeitsleistung zu steigern, sowohl was Bezahlung, den eigenen oder den Familien-Gewinn oder auch die Selbstständigkeit angeht. Die finanzielle Unterstützung durch den BIG hat es den Empfängern ermöglicht, ihr Einkommen durch Arbeit zu steigern, insbesondere indem sie eigene kleine Gewerbe gründeten, wie Ziegelherstellung, Brotbacken oder Kleidernähen. Der BIG hat dazu beigetragen, einen lokalen Markt zu schaffen, indem er die Kaufkraft der Haushalte erhöht hat. Dieses Ergebnis widerlegt die Behauptung der BIG Gegner, dass der BIG zu Faulheit und Abhängigkeit führen würde.
- Der BIG führte zu einem drastischen Rückgang von Unterernährung bei Kindern. Basierend auf dem WHO Modell (weight-for-age) belegen die erhobenen Klinikdaten, dass extremes Untergewicht bei Kindern in nur sechs Monaten von 42% im November 2007 auf 17% im Juni 2008 und auf 10% im November 2008 drastisch reduziert wurde.
- Vor der Einführung des BIG war der Zugang für HIV-Infizierten zu ARVs (Antiretrovirale Medikamente) oftmals nicht möglich, weil es an ausreichender Nahrung mangelte (eine Voraussetzung zur Einnahme der starken Medikamenten) und sich die Leute keine Fahrtmöglichkeiten zur Klinik leisten konnten. Der BIG hat es HIV Patienten ermöglicht, sich besser zu ernähren und Zugang zu Medikamenten zu erhalten. Diese Entwicklung wurde weiterhin durch die Entscheidung der Regierung, ARVs in Otjivero zugänglich zu machen, begünstigt, so dass die Bewohner nicht mehr nach Gobabis fahren mussten.
- Fast die Hälfte der schulpflichtigen Kinder ging vor der Einführung des BIG nicht regelmäßig zur Schule. Nur etwa 40% der Schüler absolvierten erfolgreich ihre Klassen und viele brachen die Schulausbildung komplett ab. Vielfach konnten sie das Schulgeld nicht bezahlen. Nach der Einführung des BIG haben mehr als doppelt so viele Eltern das Schulgeld bezahlt (90%), und die meisten Kinder haben jetzt Schuluniformen. Die Zahl der Kinder, die aus finanziellen Gründen nicht zur Schule gehen, ist um 42% zurückgegangen, unter Ausschluss der Migration nach Otjivero-Omitara ist diese Zahl nochmals deutlich höher. Die Abbruchquoten in der Schule fielen von fast 40% im November 2007 auf 5% im Juni 2008 und weiter auf fast 0% im November 2008.
- Die Bewohner haben die Krankenstation seit der Einführung des BIG regelmäßiger besucht. Jetzt können die obligatorischen Klinikgebühren von N$ 4 (€ 0,40) pro Besuch bezahlt werden, und das Klinikeinkommen ist um das fünffache gestiegen, von N$ 250 auf ca. N$ 1300 monatlich.
- Der BIG hat zu einer Reduzierung der Haushaltsverschuldung beigetragen: Zwischen November 2007 und November 2008 fiel sie im Durchschnitt von N$ 1 215 auf N$ 772. Gleichzeitig sind die Ersparnisse gestiegen. Dies zeigt sich auch in einer Zunahme an Besitz von Großvieh, Kleinvieh und Geflügel.
- Der BIG hat zu einem signifikanten Rückgang von Straftaten beigetragen. Straftaten, die der örtlichen Polizeistation gemeldet wurden, sind insgesamt um 42% rückläufig, während Viehdiebstahl um 43% und anderer Diebstahl um fast 20% zurückging.
- Die Einführung des Grundeinkommens hat die Abhängigkeit der Frauen von Männern vermindert. Es hat ihnen ein gewisses Maß an Kontrolle über ihre eigene Sexualität gegeben und sie von dem Druck befreit, aus ökonomischen Gründen sexuelle Beziehungen einzugehen.
- Die Kritik, dass der BIG zu gesteigertem Alkoholkonsum führen würde, wird empirisch nicht gestützt. Das Komitee der Gemeinschaft versucht Alkoholismus weiterhin zu reduzieren und hat mit den örtlichen Shebeen4-Besitzern verhandelt, dass am Auszahlungstag kein Alkohol verkauft wird.
- Der BIG ist eine soziale Sicherung, die Armut reduziert und wirtschaftliche Aktivität, besonders für die Armen, unterstützt. Als nationale Politik würde er Namibias Anstrengungen die ‘Millenium Development Goals’ zu erreichen, sehr unterstützen.
- Eine ökonometrische Analyse hat gezeigt, dass Namibias Steuerkapazität oberhalb von 30% des nationalen Einkommens liegt. Die gegenwärtigen Steuereinnahmen liegen unter 25%; das heißt, dass Namibias Möglichkeiten zu einer Steuererhöhung die Nettokosten eines BIG bei weitem überschreiten. Dies belegt, dass ein BIG für Namibia finanzierbar ist.
- Ein landesweiter BIG hätte mehrere mittel- bis langfristige Vorteile. Ausgehend von den Entwicklungen in Otjivero-Omitara kann man mit Sicherheit sagen, dass der BIG die Armut und Arbeitslosigkeit mindert, wirtschaftliche Aktivitäten und Produktivität stärkt, sowie die Bildung und den Gesundheitsstatus der meisten Namibianer verbessern würde.
Die UNO-Sonderberichterstatterin bewertet das Projekt wie folgt:
„Ich möchte meinen Bericht mit einem positiven Akzent abschließen, indem ich Ihnen ein erfreuliches Beispiel nahe bringe, für das Namibia im weltweiten Diskurs zur Armutsbekämpfung bekannt geworden ist. Ich meine das Basic Income Grant Pilotprojekt, das in den letzten drei Jahren in Otjivero durchgeführt wurde. Diesem Projekt geht ein ausgezeichneter Ruf voraus, und während meines Aufenthalts hier im Land habe ich die Gemeinde Otjivero besucht. Ich war beeindruckt, von den günstigen Wirkungen des Grundeinkommens zu erfahren – in Bezug auf die Armutsbekämpfung, die Verbesserung des Zugangs zu Gesundheitsversorgung und Bildung, die Verringerung von Kriminalität und die Stärkung des sozialen Zusammenhalts. Dies ist ein weltweit gelobtes Beispiel, und ich würdige die Leistungen der namibischen zivilgesellschaftlichen Organisationen, die dieses Projekt angebahnt und durchgeführt haben. Ich fordere die Regierung auf, Vorurteile gegen Menschen in Armut abzulegen und die positiven Folgen des BIG-Projektes objektiv einzuschätzen. Die Regierung sollte sich an die Spitze der Debatte setzen und Studien zum Grundeinkommen durchführen, um die Möglichkeit zu prüfen, ein Grundeinkommen auf das ganze Land auszuweiten.“ (Quelle)
Interessante Links:
Im nächsten Teil der Serie stellen wir weitere Grundeinkommensprojekte vor.