In unserer nicht mehr so kleinen, aber sehr basisdemokratischen Piratenpartei sind Bundesparteitage nicht nur häufig und notwendig, sondern beinhalten (bisher) die Anwesenheit vieler Piraten am selben Ort. Diese Veranstaltungen finden planmäßig zwei Mal pro Jahr statt und werden von bis zu 2000 Teilnehmern besucht. Was eigentlich technisch dahinter steht, so ein Event abzuhalten, haben wir vor Ort in Bochum beim #bpt141 recherchiert.
Einen Bundesparteitag (BPT) vorzubereiten beginnt fast ein Jahr vorher, wenn der Veranstaltungsort in Form einer geeigneten Halle gefunden werden muss. Das BPT-Budget, welches der Bundesvorstand festlegt, gibt dafür einen Rahmen vor. Da wir den Anspruch haben, dass die BPTs an wechselnden Orten stattfinden, müssen teilweise zeitaufwändige Begehungen verschiedenster Hallen von erfahrenen Parteimitgliedern durchgeführt werden, da man die Hallen noch nicht kennt. Wie alle anderen Helfer an Parteitagen, stellen diese Mitglieder ihre Zeit und Arbeit kostenlos für die Partei zu Verfügung. Die Ausstattung der ausgewählten Halle gibt vor, welches Equipment noch benötigt wird, und prägt die weitere Vorbereitung.
Im Laufe des folgenden Jahres finden sich dann die Organisatoren zusammen und planen. Über inzwischen zwölf BPTs haben sich die entsprechenden Menschen dafür kennengelernt und eine Unmenge an Erfahrungen gesammelt. Ein Großteil dieser Buchungen und Planungen können von einem relativ kleinen Kreis von etwa zehn Personen durchgeführt werden.
Richtig heiß wird die Planung in den Wochen vor dem BPT. Teams werden gebildet, Equipment gemietet und Helfer angeworben. Insgesamt können bis zu 400 helfende Hände an den verschiedensten Stellen gebraucht werden. Aktuell teilt sich die technische Organisation in die Teams
- allgemeiner Auf- und Abbau
- Halle, Strom und Audio
- Video
- Netzwerktechnik
- Security und Funkzentrale
- Wahl und Wahltechnik
Die ersten Helfer treffen in der Halle etwa 24 Stunden vor Beginn des BPT ein. Fast 50 Aufbauhelfer laden, schleppen, stellen, bauen, verkabeln und stehen den Spezialisten zur Seite. Wie viele Helfer an dieser Stelle gebraucht werden, hängt sehr stark von der Ausstattung der Halle ab. Hallen mit moderner, gut durchdachter Infrastruktur sind zwar oft teurer, sparen aber dann im Gegenzug Installationsaufwand. Während Auf- und Abbau sehr personalintensiv sind, kann der BPT dann mit einem sehr viel kleineren Team durchgeführt werden.
Das Team Halle/Strom/Audio kümmert sich darum, dass Bühne, Tische, Stühle, Stellwände und derartige Infrastruktur dort sind, wo sie gebraucht werden und Unfälle vermieden werden. Außerdem wird die Versorgung der Teilnehmer durch Strom und die Abmischung der Audiosignale sichergestellt. Es sind im Durchschnitt in diesem Team fünf Mitarbeiter während des BPT vor Ort.
Ein inzwischen unerlässlicher Beitrag zum BPT wird auch durch die fünfköpfige Videostream-Gruppe geleistet. Auf sieben Kameras werden die wichtigsten Punkte in der Halle gefilmt und redaktionell geschaltet, so dass zu jedem Zeitpunkt der aktuelle Sprecher zu sehen ist. Zusätzlich dazu werden erklärende Einblendungen gemacht und die Gebärdendolmetscher zugeschaltet. Der dadurch entstehende Video-Feed wird als Stream weltweit live und öffentlich bereitgestellt. Qualitätsabstufungen von nur-Audio bis HD-Video können von bis zu 3000 Zuhörern und -schauern abgerufen werden. In Bochum haben im Durchschnitt 1000 Menschen den BPT live verfolgt. Nach dem BPT wird die Aufzeichnung auf Youtube bereitgestellt. Wenn der 1,8Mbit/s-Stream aufgrund widriger Umstände einmal unterbrochen wird, bricht auf Twitter gleich die Hölle los.
Das Netzwerk-Team kümmert sich um verschiedene Themen, welche die digitale Kommunikation betreffen. Am deutlichsten bemerkt man ihre Leistungen daran, wie gut das Internet läuft. Das so genannte Network Operating Center (NOC) stellt sicher, dass über Glasfaser und Satellit eine sichere Verbindung nach „draußen“ besteht, verteilt diese Verbindung per Kabel auf jeden Hallentisch und per Funk in die bereit gestellten WLANs und stellt darauf aufbauende Dienste zur Verfügung. Mit 150 parteieigenen Switches und Kilometern von Kabeln werden auf 96 Tischen zuverlässige Ethernet-Verbindungen bereitgestellt. Die haben den Vorteil, dass auf Ethernet Fehlerquellen schnell identifiziert werden können und von Fehlern nur einzelne Tische oder Tischgruppen betroffen sind. Etwa zehn WLAN-Access-Points stellen das speziell geplante und komfortable WLAN zur Verfügung. Das ist zwar für Handys und Tablets oft die einzige Netzverbindung, ist aber auch sehr anfällig für Störer. Private WLANs, wie zum Beispiel „Personal Hotspots“, stören das ausgeklügelte Hallen-WLAN und müssen abschaltet werden. Wirklich beachtlich ist, dass die erfahrenen Funktechniker die handelsüblichen Access-Points umprogrammiert haben, so dass ihre Leistungsfähigkeit mit vielfach teureren Spezialgeräten vergleichbar ist. In Bochum hat die Halle eine Glasfaseranbindung von 1 Gbit/s. Diese Verbindung wird hier von 1000 Teilnehmern trotz aller Geräte im LAN und WLAN nur zu etwa 20% ausgelastet. Neben all dieser Netzwerktechnik kümmert sich das NOC zudem um die Bereitstellung eines Wiki-, sowie eines Stream-Mirrors, um unnötige Bandbreitennutzung zu vermeiden. Das NOC hat fünf Mitarbeiter.
Zusammengehalten wird die Veranstaltung von der Security, welche mit etwa 30 Personen darauf achtet, dass bestimmte Bereiche auch nur von den notwendigen Personen betreten werden können. Beispiele dafür sind der Arbeitsbereich für Presse, wo Pressevertreter in Ruhe arbeiten können, die Technikbereiche, wo große Schäden angerichtet werden können oder das Crew-Catering, wo das Essen vor zu vielen hungrigen Mäulern behütet wird. Außerdem betreibt diese Gruppe die Funkzentrale. 50 Funkgeräte auf 19 verschiedenen Kanälen stellen sicher, dass sich alle Teams zuverlässig und schnell absprechen können und auf Unerwartetes sofort reagiert werden kann.
Zuletzt erfordert die Durchführung der aufwändigen Wahlen eine gute Wahltechnik, die von einem eigenen Team verwaltet wird. Ein Laptop an jeder Wahlurne muss nachvollziehbare Wahlergebnisse liefern, die sofort von der Wahlleiter, Versammlungsleitung und Presse abgerufen werden können. Da hier Rechtsverbindlichkeit herrscht, darf nichts schief gehen.
Insgesamt lässt sich also mit für uns Piraten Stolz festhalten, dass für mehrere Tage aus 16 Bundesländern Hunderte von Piraten für Tausende von BPT-Teilnehmern und Zehntausende von Euros die Politik für Millionen ermöglichen. Weiter so!