
Münchner Sicherheitskonferenz | Quelle: MSC (mit freundlicher Genehmigung des Pressebüros)
Ein Gastartikel von Jürgen Stock

Das erste große politische Ereignis des Jahres 2014 in München ist die 50. Münchner Sicherheitskonferenz (MSC), die vom 31. Januar bis 2. Februar im Hotel Bayerischer Hof stattfindet. Dieses Mal wird sie aus Anlass des Jubiläums sogar von Bundespräsident Joachim Gauck eröffnet. Ein Buch über die Geschichte der Konferenz, die erstmals 1963 unter dem Namen als „Internationale Wehrkunde-Begegnung“ tagte, wird veröffentlicht, für das Geleitwort zeichnet Angela Merkel verantwortlich („Message from the Federal Chancellor“).
Die Konferenz wird wie üblich von einem großen Sicherheitsaufgebot begleitet werden, Straßenbahnen werden umgeleitet, und es wird die schon traditionelle rituelle Gegendemonstration geben und eine Gegenveranstaltung, die Internationale Münchner Friedenskonferenz, die, gefördert vom Kulturreferat der Landeshauptstadt München, dieses Jahr zum 12. Mal stattfinden.
Ist das alles, könnte man fragen. Ja, könnte man antworten, denn die „SiKo“, wie sie vor allem von ihren Gegnern genannt wird, ist eine Privatveranstaltung. Sie firmiert sogar als Unternehmen in der Form einer gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Sie wird finanziell von der Bundesregierung und einigen Industrieunternehmen unterstützt. Nein, könnte man antworten, denn sie ist ein Treffen von internationalen Sicherheitspolitikern, Militärs und Rüstungsindustriellen, und das ist von erheblichem öffentlichem Interesse. Denn dort kommen Leute, die das internationale politische Geschehen maßgeblich beeinflussen, in einem inoffiziellen Rahmen zusammen, der es ihnen erlaubt, sich auszutauschen, wie sie es auf Regierungskonferenzen oder Treffen internationaler Organisationen, denen Staaten offiziell per Vertrag angehören, nicht könnten. Theoretisch könnten dieses Jahr sogar israelische und iranische Vertreter, sofern sie eingeladen sind, sich zusammen setzen und beraten, wie sie aus dem von beiden Seiten hervorgebrachten Kriegsdrohungsszenario herauskommen.
Es gibt Reden, unter Beobachtung der Öffentlichkeit, Journalisten sind da, aber es gibt sicher auch „Hinterzimmergespräche“ und „Geheimdiplomatie“. Das macht das Geschäft für die Beteiligten wahrscheinlich interessant, aber dient vielleicht nicht nur dem Facekeeping. Es mag Pressekonferenzen und Interviews geben, aber keine offiziellen Kommuniqués. Nichts, worauf sich irgendjemand berufen könnte. Keine Beschlüsse, keine Abkommen.
Dass diese Konferenz auch den nach dem Gründer der Sicherheitskonferenz benannten „Ewald-von-Kleist-Preis“ an Personen verleiht, „die sich in besonderer Weise für Frieden und Konfliktbewältigung eingesetzt haben“, darf man getrost für eine mehr oder weniger medienwirksame Selbstinszenierung halten. Anders wäre es, die Konferenz vergäbe dieses Jahr einen Spezialpreis an Edward Snowden. Denn in der Tat, die Konferenz begnügt sich nicht mehr mit klassischen Themen der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Nach eigenen Worten „dient die MSC als unabhängiges Forum, das sich der Förderung friedlicher Konfliktlösung und internationaler Kooperation beim Umgang mit gegenwärtigen und zukünftigen sicherheitspolitischen Herausforderungen widmet“. So ist letztes Jahr etwa die „Euro-Krise und die Zukunft der EU“ diskutiert worden. Dieses Jahr könnten also die Ausspähung von befreundeten Regierungen durch befreundete Geheimdienste, die massenhafte weltweite Überwachung von Kommunikation(sdaten) Themen der Münchener Sicherheitskonferenz sein. Das wird aber wohl nicht werden. „[Das Programm] wird von den Aktualitäten bestimmt – vom Konflikt im südchinesischen Meer über Syrien bis zur Ukraine.“ so der Vorsitzende der Konferenz, der ehemalige deutsche Botschafter Wolfgang Ischinger in der „Welt“.
Ob bei solchen Veranstaltungen wirklich etwas „herauskommt“, ist eine andere Frage. Aber das gilt auch für andere „Privatveranstaltungen“ wie die G8/G20-Gipfel, die sich einen offiziellen Anstrich geben, die der Sage nach aber lediglich auf ein Kamingespräch zwischen Valéry Giscard d’Estaing und Helmut Schmidt im Schloss von Rambouillet zurückgehen, oder das jährliche Weltwirtschaftsforum (World Economic Forum) in Davos. Vom letzterem sagen Spötter allerdings auch, dass dort nicht nur die Wichtigen und Mächtigen, sondern auch die, die sich dafür halten, zusammentreffen. Vermutlich lässt sich die Frage nicht schlüssig beantworten. Positiv ist sicher zu sehen, dass bei diesen Veranstaltungen zumindest ein gewisses Maß an Öffentlichkeit gegeben ist – die Flaschenpost wird dieses Jahr „von innen“ berichten können –, dabei ist eine skeptische Betrachtung wichtiger, als die ungeschminkten Machtdemonstrationen, die jene Teilnehmer gegenüber den nicht unmittelbar Beteiligten darstellen.
Daher muss die Frage gestellt werden, ob für solche Veranstaltungen und ihren zugegebenermaßen notwendigen Schutz öffentliche Mittel in diesem Maße sinnvoll aufgewendet sind und überhaupt aufgewendet werden dürfen: Für nichts als graue Männer (und Frauen) in einer Grauzone. Mit ungewissen Ergebnissen. Wir werden sehen welche.