
Ein Flugzeug darf nicht verschwinden. Und dennoch ist es passiert. MH370 ist gestartet, hat irgendwann eine unerwartete Kursänderung durchgeführt. Davor ist der Funkkontakt abgerissen, es gab möglicherweise noch Datenfunk, und dann nichts mehr. Zwei Wochen lang hatten wir jeden Abend in den Fernsehnachrichten Bilder von den Trauernden, Verzweifelnden, die wissen wollten, wo ihre Angehörigen sind. Trauer wird oft anders ausgelebt als hier in Europa. Das ist so und das müssen wir akzeptieren.
Aber wo ist das Flugzeug, von dem die Angehörigen der Vermissten wissen wollen, wo es geblieben ist? Was ist wirklich passiert? Wir wissen es nicht, auch wenn es jetzt wieder Hinweise gibt. Aber so lange wir die Black Boxes nicht finden, kann es keine Gewissheit geben. Also ist alles, was wir sagen können, in hohem Maße Spekulation.
Was machen die Black Boxes? Es gibt im Prinzip zwei Typen, die immer beide in einem Flugzeug vorhanden sind. Zu einen gibt es den Flugdatenschreiber (Flight Data Recorder), der unter anderem Höhe, Geschwindigkeit, Flugrichtung, Leistungseinstellung der Triebwerke, Position der Steuerflächen und noch andere Werte aufzeichnet. Mit diesen Werten kann man dann Computer-Programme füttern und die letzten 30 Minuten eines Fluges rekonstruieren. So lang werden in der Regel die Daten im Flug in einer Art Endlos-Schleife aufgezeichnet. Daneben gibt es die Aufzeichnung der Gespräche und Geräusche im Cockpit, das macht der Cockpit Voice Recorder.
Wir müssen diese Black Boxes, die im Übrigen schreiend orange lackiert sind und meist im Heck der Flugzeuge eingebaut sind, weil das der Teil ist, der bei einem Absturz am wenigsten Beschädigungen erleidet, finden. Diese Black Boxes „piepsen“ bis zu 30 Tagen nach der letzten Aufzeichnung, aber wenn sie in 1000, 2000 oder 4000 Meter unter der Meeresoberfläche liegen, ist es unter Umständen sehr schwierig, sie zu hören.
Es sind nicht nur Techniker und Ingenieure, die diese Kästen finden und heben und die Daten auswerten wollen. Da helfen alle, unterschiedslos und über staats- und ideologische Grenzen hinweg. US-Amerikaner mit Überwachungsflugzeugen, die im Grunde umgebaute Passagierflugzeuge sind, Australier mit ähnlichen Flugzeugen, Chinesen, die Transportflugzeuge russischer Bauart benutzen.
Selbst wenn die Black Boxes erst gefunden werden, wenn sie längst verstummt sind, ist die Auswertung noch möglich. Das hat der Absturz eines Airbus vor Brasilien vor ein paar Jahren gezeigt. Diese Auswertung hatte gezeigt, dass die Ursache des Absturzes eine Verkettung technischer Fehler und falscher Reaktionen der Piloten war.
Ein Terrorakt ohne Bilder von Wrackteilen, geborgenen Toten ist keiner, so zynisch das klingen mag. Ein Flugzeug über hoher See zu sprengen, wäre ohne den Effekt, auf den Terrorakte abzielen, nämlich Angst zu erzeugen, die schließlich zum Systemumsturz führt, wenig sinnig. Ein Terrorakt? Unwahrscheinlich.
Es gibt eine Theorie, die vielen plausibel erscheint. Schon vor der unerklärlichen Kursänderung wäre demnach die Crew nicht mehr in der Lage gewesen, das Flugzeug zu steuern, weil sie das Bewusstsein verloren hatte. Es sind drei Fälle bekannt, in denen das oder ähnliches dokumentiert ist. Noch zu Zeiten des Kalten Krieges ist eine MiG, ein Kampfflugzeug russischer Bauart, von Polen oder der damaligen Tschechoslowakei kommend quer über Westeuropa geflogen. Erst deutsche, dann holländische bewaffnete Jagdflugzeuge sind ihm gefolgt und haben gesehen, dass der Pilot offenbar sein Flugzeug nicht mehr steuerte. Es gibt Manöver, mit dem man einem anderen Flugzeugführer mitteilen kann, er müsse folgen. Das war erfolglos. Auch auf den allgemein bekannten Notruffrequenzen, dem „Mayday“, nichts. Dass ein einzelnes feindliches Flugzeug keinen Angriff darstellte, war unmittelbar klar. Die MiG ist schließlich in die Nordsee gestürzt. Es gibt einen vergleichbaren Fall mit einem Learjet, ein Geschäftsreiseflugzeug, der von England oder Schottland aus abgeflogen führerlos in den Atlantik gestürzt ist. Ein Learjet hat keine interkontinentale Reichweite, er hätte niemals von Europa aus Nordamerika erreichen können.
Diese beiden Maschinen konnte man nicht bergen. Militärmaschinen haben im Übrigen keine Flugschreiber.
Im dritten bekannten Fall sind die Umstände anders. Eine Passagiermaschine ist in Griechenland in einen Berghang gerast, und man dachte zunächst an einen Unfall vom Typ „Controlled Flight into Terrain“ (CFIT), was wie in über 90% aller Flugunfälle seine Ursache in einem Pilotenfehler hat. Da diese Maschine aber geborgen werden konnte, konnte man feststellen, dass zum Zeitpunkt des Absturzes kein Insasse des Flugzeuges noch bei Bewusstsein war, und dass es einen Defekt an der Klimaanlage gegeben hatte.
Wir wollen komfortabel reisen, fliegen, und da in großer Höhe – wir reden von acht bis zwölf Kilometern – wir ohne Sauerstoffmasken nicht leben könnten weil die Luft dort zu dünn ist, muss die Kabine des Flugzeugess druckbelüftet werden. Diese Druckluft, mit dem Fachbegriff Zapfluft genannt, kommt aus den Triebwerken, denn die müssen, um funktionieren zu können, die Luft ohnehin komprimieren. Diese Luft wird aus dem vorderen Teil der Triebwerke abgezapft, das sind die großen Schaufelräder die wir sehen, wenn wir vor einem Flugzeug stehen. Da findet noch keine Verbrennung des Treibstoffes statt. Das heißt aber trotzdem, dass die Luft, die in die Klimaanlage der Flugzeug gelangt, unweigerlich auch mit dem Treibstoffsystem des Flugzeuges verbunden ist. Das wäre technisch, wenn überhaupt, nur sehr aufwendig anders zu machen. Die Konstrukteure hätten längst einen anderen Weg gewählt hätten, wenn er technisch ohne weiteres möglich wäre. Und keiner dort würde sagen „Unfälle passieren eben einfach ab und zu“. Natürlich ist kein Schiff unsinkbar, und jedes Flugzeug kann in eine Lage geraten, in der es nicht mehr flugfähig ist.
Wir müssen also diese orange-farbenen Black Boxes finden, um herauszufinden, ob und was wir tun können, um vergleichbare fatale Unfälle wie den des verschwundenen Flugzeuges zu verhindern.
Wenn die Crew ihr Flugzeug nicht mehr steuern kann, was geschieht dann? Im Zweifelsfall übernimmt der Autopilot und fliegt das Flugzeug „straight-and-level“, das heißt, er hält das Flugzeug auf konstanter Höhe und geradem Kurs. Bis irgendwann der Treibstoff zu Neige geht. Wasser ist, wenn man es mit einer Geschwindigkeit trifft, die ein Flugzeug hat, so hart die Beton. Das Flugzeug zerbricht, die Wrackteile versinken. Um sich vorzustellen, wie man ein Flugzeug wiederfinden könnte, muss man sich die Größenverhältnisse vor Augen führen. Eine Tripple Seven wie die MH370 ist grob gesehen 60 Meter lang und 60 Meter breit, aber das ist keine geschlossene Fläche, selbst wenn sie beim Aufprall nicht zerbräche. Das ist eine Röhre mit ungefähr sechs Metern Breite und rechts und links etwas Länglichem daran, den Flügeln. Das Gebiet aber, in dem man sie vermutet, misst aberzig und aberzig Quadratkilometer. Dass wie in einem Hollywood-Film eine Boeing 747 U-Boot spielt, nein, das ist Hollywood und so wenig Realität, wie Verschwörungstheorien es sind.
Wir können uns totz dieses Absturzes bedenkenlos in Verkehrsflugzeuge setzen, nicht wegen der Statistiken die sagen, dass Flugzeuge die sichersten Verkehrsmittel sind, sondern weil in diesem Bereich viele Menschen höchst professionell arbeiten und die Technik das wiederspiegelt, was derzeit möglich ist.
Wenn der australische Premier sagt, dass sie nicht aufhören werden zu suchen, dann ist das Politik. Aber darum geht es nicht. Es geht darum, dass wir erfahren, was passiert ist, um Menschen zu schützen. Schützen können in Zukunft.