Ein Gastartikel von Kurt Klein.
Autonome Systeme sind kein Kind unserer Zeit. Doch Drohnen vergangener Tage waren nur teilweise autonom, zukünftige Systeme werden mehr als nur selbsttätig navigieren können.
Geschichtlicher Überblick
Bereits im ersten Weltkrieg nutzte die deutsche Reichswehr unbemannte Hilfsmittel um Informationen über den Gegner zu erhalten. Hierbei kamen zum einen Brieftauben mit umgehängter Kamera oder Artilleriegeschosse mit eingebauter Kamera als Nutzlast zum Einsatz. Auf Grund der technischen Restriktionen dieser Zeit waren die Ergebnisse eher mäßig. Die Taubenfotografie als militärische Nutzung wurde nach dem ersten Weltkrieg aufgegeben. Soweit bekannt ist, wurde auch die Luftbildaufklärung mittels technischer Aufklärungsträger so gut wie eingestellt. Auch hier lag der Grund zum einen in nicht ausreichend robusten Kameraausstattungen, als auch in dem Fehlen entsprechend geeigneter Nutzlastträger. Im zweiten Weltkrieg war daher das Aufklärungsflugzeug das Mittel der Wahl.
1969 führte die Artillerietruppe der Bundeswehr den ersten technischen Luftaufklärungsträger ein. Es handelte sich hierbei um die Drohne CL-89. Sie wurde neben Deutschland auch von Kanada und Großbritannien genutzt. Als taktische Nutzlast war eine Drei-Linsen-Reihenbildkamera (RBK) eingebaut. CL-89 konnte während einer Mission zwei Bildstrecken fliegen. Für die Aufklärung bei Dunkelheit konnte eine Bildstrecke durch den Auswurf von Blitzlichtkartuschen beleuchtet werden. Dieses System war bis 1988 im Einsatz. Mit dem Nachfolger zog die Multisensorik und die Allwetterfähigkeit in die drohnengestützte Aufklärung ein.
1987 wurde die Drohne CL-289 in die Bundeswehr eingeführt.
Neben Deutschland war das System in Kanada und Frankreich im Einsatz und stellte einen Quantensprung dar. Bei einer Fluggeschwindigkeit von 200m/s (720km/h) und einer Reichweite von ca. 420 km konnte der Flugkörper zwischen den Aufklärungszielen in einen Konturenflug befohlen werden, um die Einwirkung feindlicher Flugabwehr zu minimieren. In Abhängigkeit von der über der Kamerastrecke befohlenen Flughöhe konnte hierbei ein Gebiet von rund 120km in der Längsabdeckung und mindestens 3,2km in der Querabdeckung von den Sensoren erfasst werden. Als taktische Nutzlast wählte man die altbewährte 3-linsige RBK und ein Infrarotlinescanner (IRLS), der auf einem Trockensilberfilm belichtete. Damit waren beide Nutzlasten auch baugleich mit den entsprechenden Sensoren im Aufklärungsbehälter (Recce Pod) des Tornado. In dieser Konfiguration war das System CL-289 von 1997-1999 im Einsatz für die Nato-Schutztruppe SFOR und von 1999 bis 2001 Teil der Einsätze NATO KOSOVO AIR VERIFICATION MISSION (NKAVM), Kosovo-Krieg und KFOR. Hierbei konnte das System mit einer Auftragserfüllung von über 95% bei moderaten Flugkörperverlusten durch die serbische Flugabwehr überzeugen. Wenn CL-289 auch nominell durch die Direktübertragung der IRLS Daten als zielaufklärungsfähig galt, wurde dieses Ziel erst mit der Kampfwertsteigerung 2002 tatsächlich erreicht, als die Infrarotkomponenten der Bilddatenempfangsstation durch digitale Baugruppen ersetzt wurden. Nach der Umrüstung waren die Infrarotbilder den RBK Bildern qualitativ gleichwertig. Eine weitere erprobte, aber nicht eingeführte Nutzlast für CL-289 war der RADAR-Sensor der eine tatsächliche Allwetterfähigkeit sichergestellt hätte, da Infrarot bei starkem Regen oder Nebel nur bedingt brauchbare Ergebnisse liefert. Das System CL 289 wurde 2009 aus der Nutzung genommen.
Beide bisher behandelten Systeme dienten in der Hauptsache der Lageaufklärung im Verantwortungsbereich der Korps. Dies heißt, dass die Lage der Feindkräfte ungefähr 150 km vor der Hauptkampflinie identifiziert werden sollte um den Operationsplanern Informationen zu liefern, was die gegnerischen Kräfte innerhalb der nächsten 72 Stunden vermutlich tun würden. Zielaufklärung war also höchstens ein Zusatzprodukt, welches bei An- und Abflug im Bereich der Kampfzone erflogen wurde.
Als Zielortungsmittel sollte seit Mitte der 80er Jahre die Gerätefamilie Brevel als deutsch-französische Rüstungskooperation in drei Varianten eingeführt werden:
- Kampfdrohne Heer (Taifun)
- Elokadrohne (Hornisse)
- Zielortungsdrohne (Kleinfluggerät Zielortung KZO)
Der Vertragsnehmer hatte mit der Erfüllung der im Forderungskatalog der abschließenden funktionalen Forderung (AFF) gelisteten Auflagen so schwer zu kämpfen, dass die Einführung Mitte der 90er Jahre nicht erreicht werden konnte. Der interessanteste Aspekt an Taifun war, dass sie in der ursprünglichen Konzeption als voll autonomes System geplant war. Die Schwierigkeit, den rechnergesteuerten Zielortungs- und Entscheidungsprozess innerhalb der geforderten Fehlertoleranz zu realisieren führte, in Verbindung mit den Verkleinerungen und Etateinsparungen der Bundeswehr zur Einstellung der Entwicklung der gesamten Drohnenfamilie Brevel.
Die Erfahrungen während der Erprobungsphase mit der Kampfdrohne führten dazu, dass innerhalb der Bundeswehr die Entscheidung getroffen wurde, kein System zu betreiben, das nicht bis zum letzten Moment das Eingreifen eines menschlichen Bedieners gewährleistet.
Da Frankreich aus der Kooperation ausstieg und damit dessen Forderungen aus dem Forderungskatalog gestrichen wurden und die federführende Firma von Rheinmetall aufgekauft wurde, brachte es dann immerhin einer der drei ursprünglichen Entwürfe bis zur Auslieferung. Bis auf den Rumpf ist die von 2003 an erprobte und ab 2007 eingeführte Drohne Kleinfluggerät Zielortung (KZO) eine komplette Neuentwicklung.
KZO verfügt über einen hochauflösenden digitalen Infrarotsensor, dessen Sensorabdeckung permanent mit einer mitgeführten Karte georeferenziert wird. Dadurch wird der Sensorbediener in die Lage versetzt alle für die Zielbekämpfung relevanten Daten mit einem Mausklick in das entsprechende Datentelegramm des Führungs- und Waffeneinsatzsystem (FueWeS) Artillerie-Daten, Lage und Einsatzrechnerverbund (ADLER) einzufügen. Je nach Entscheidung des Kommandeurs kann das dazu führen, dass der Datensatz direkt im Feuerleitrechner des Geschützzuges landet, der in Reichweite des Zieles ist und die geforderte Munitionssorte in ausreichender Anzahl verfügbar ist. Das führt im optimalen Fall zu einer Kausalkette von Zielortung bis Zielbekämpfung von unter 30 Sekunden. KZO kann bis zu 4,5 Stunden im im Luftraum verbleiben. KZO ist weltweit derzeit die einzige Drohne, die in einem umkämpften Luftraum und unter nuklearen und chemischen Einsatzbedingungen überlebensfähig eingesetzt werden kann.