Zweiter Teil des Gastartikels von Kurt Klein.
Im ersten Teil wurden die frühen Anfänge von Drohnen beleuchtet. Ende der 90-er Jahre änderten sich die Bedingungen.
Der Kosovo ändert alle Bedingungen
Der Auftrag im Kosovo, die verfeindeten Volksgruppen zu trennen und damit eher eine Polizeiaufgabe zu erfüllen als einen militärischen Auftrag, veränderte auch die Rahmenbedingungen, welche die Aufklärungskräfte zu erfüllen haben. Während in Bosnien erst einmal ein Überblick erflogen werden musste, welche Infrastruktur militärisch genutzt wurde, um in der Folge Verstöße gegen die Waffenstillstandsbedingungen nachweisen und dokumentieren zu können, wie zum Beispiel Verschiebung von Material, war es im Kosovo klassische Zielaufklärung während des Kosovokrieges. Hierbei waren die Drohnen extrem zuverlässig und erreichten exzellente Ergebnisse dadurch, dass sie niedrige Flughöhen ermöglichten, die bemannten Aufklärungsträgern auf Grund der Gefährdung durch die serbische Flugabwehr nicht möglich waren.
Mit dem Waffenstillstand und dem Einmarsch der KFOR-Truppen in den Kosovo änderten sich alle militärischen Umgebungsparameter drastisch. Bisher musste der Gegner entdeckt werden, Kombattanten von Nicht-Kombattanten unterschieden werden und es konnte anhand der Verteilung der Manöverelemente im Raum, auf die Absicht der Gegenseite geschlossen werden. Jetzt mussten mit zahlenmäßig sehr geringen Kräften sehr große Räume dauerhaft überwacht werden. Hinzu kam, dass zum ersten Mal keine zivilen Ordnungskräfte wie Polizei und Justiz vorhanden waren, welche ihre Aufgaben im Einsatzgebiet hätten wahrnehmen können. Platt gesagt wurden den militärischen Ordnungselementen nun zusätzliche Funktionen übertragen, die von der örtlichen Meldebehörde bis hin zu Strafverfolgungs- und Beweissicherungsfunktionen reichte. Dies alles in einem Gebiet, das einen sehr bunten Flickenteppich von Clans, religiösen, ethnischen, politischen und kriminellen Gruppierungen und Akteuren beinhaltete. Seit dieser Zeit stellt sich auch der Informationsbedarf völlig anders dar. Jetzt müssen die wechselseitigen Einflüsse aller Gruppierungen bis hinunter zum einzelnen Individuum berücksichtigt werden, um dem Kommandeur Planungs- und Entscheidungshilfen an die Hand zu geben. Wenn ich nur eine ausgebildete Hundertschaft habe, die bei gewalttätigen Ausschreitungen eingesetzt werden kann, muss ich die entsprechenden Punkte beobachten können um eventuell kurzfristig umdisponieren zu können. Durch die im Grunde gleiche Problemstellung beim so genannten Nation Building im Irak und in Afghanistan wurde diese im Kosovo begonnene Entwicklung weiter stark beschleunigt.
Auf Grund der oben beschriebenen Lage reagierte die Bundeswehr für ihre Verhältnisse extrem schnell und sehr lösungsorientiert. Das eigentlich für die Panzeraufklärungstruppe in der Entwicklung befindliche System Luftgestützte Unbemannte Nahbereichsaufklärung (LUNA) wurde dem Bereich Panzeraufklärer entzogen und der Artillerie für den Überbrückungszeitraum bis zur Einführung der KZO übergeben. Ab 1999 wurde LUNA durch das Personal der CL 289 Batterien in Zweitfunktion geflogen.
Luftgestützte Unbemannte Nahbereichsaufklärungs-Ausstattung (LUNA)
Mit Luna wurde im Jahr 2000 der erste Schritt in die Multispektralsensorik getan. Sie ist ausgestattet mit einem Infrarotsensor, sowie vier CCD-Videokameras, welche auf einer beweglichen und stabilisierten Sensorplattform installiert sind. Da LUNA die derzeit einzige eingeführte Drohne ist, die einen Eingriff in den geplanten Flugweg mittels Steuerknüppel zulässt, hat sie darüber hinaus auch eine Frontkamera, die dem Lenker eine Sicht in Flugrichtung erlaubt. Bemerkenswert an LUNA ist zudem, dass es zwischen 2000 und 2002 im Einsatzbetrieb zur Serienreife entwickelt wurde. Da die Artillerie für die Verwendung ihrer Aufklärungsergebnisse eigene Verfahrensweisen hat, ist LUNA mittlerweile bedingt ADLER verbundfähig. Die garantierte Reichweite zwischen Flugkörper und Bodenkommandostation beträgt 65 km. Die Kommunikation zwischen den beiden findet verschlüsselt in einem bi-direktionalen Richtfunkverfahren statt. Die Flugzeit im Operationsgebiet variiert je nach Modell von 2,5 Stunden bis zu 12 Stunden bei LUNA NG.
Pakistan hat einige LUNA-Systeme erworben, um die so genannten Stammesgebiete der Paschtunen überwachen zu können. Dieser Tatsache sollte man sich bewusst sein, wenn man in die Diskussion einsteigen möchte, wer was am pakistanischen Himmel mit Drohnen anstellt.
Abbildende Luftgestützte Aufklärungsdrohne im Nächstbereich (ALADIN)
ALADIN ist das fliegende Fernglas des Gruppenführers. Die Wahl des Sensors erfolgt über die Verwendung des Rumpfes. Hier sind Akkupack und Sensor als Einheit vorgegeben. Hier kann wahlweise der Tageslichtvideorumpf oder Nachtsichtinfrarotrumpf gewählt werden. Es ermöglicht dem Infanteriegruppenführer, sich einen groben Überblick bis ca. 2 km Entfernung zu verschaffen, um zum Beispiel Hinterhalte und schlecht einsehbare Bereiche ohne die Gefährdung eigenen Personals zu entdecken bzw. zu überprüfen. Die Informationen können direkt am Fernbediengerät eingesehen werden. ALADIN unterliegt den rechtlichen Regelungen für Modellflieger und gilt nicht als Luftfahrzeug.
Mikroaufklärungsdrohne für den Ortsbereich (MIKADO)
Mikado wird ausgestattet sein mit einem Tageslichtvideosensor und einer Wärmebildkamera. Von der Firma EMT ursprünglich entwickelt zum Auffinden hilfloser Personen in brennenden Objekten, sollen Spezialeinheiten und Infanteriekräfte im Orts- und Häuserkampf die Möglichkeit erhalten, ihre nächste Umgebung zu überwachen. Eine weitere Nutzung für Objektschutzaufgaben ist ebenfalls vorgesehen. Auch MIKADO fällt unter den Bereich Modellbaufliegen und befindet sich derzeit in der Einführung.
HERON-1
Die Drohne Heron wurde aus zwei Gründen durch die Bundeswehr geleast. Zum einen bestand der Bedarf einen Aufklärungsträger zu haben, welcher eine größere Entfernung zur Bodenkommandostation haben durfte. Bedingt durch die Größe der zu überwachenden Räume können bis zum Einsatz einer LUNA oder KZO schon mal mehrere Tage ins Land gehen, bevor der Drohnenzug nahe genug am Einsatzgebiet ist um es abdecken zu können. Zum anderen dient Heron der Luftwaffe als Platzhaltersystem, für das durch die Luftwaffe zu beschaffende Drohnensystem (bisher Eurohawk, NATO AGS). Dadurch können Verfahren und Prozeduren für den Einsatz von Drohnen entwickelt und erprobt werden, parallel kann das Kaderpersonal schon ausgebildet werden und erste Erfahrungen sammeln. Heron kann bis zu 400 km von der Bodenkommandostation agieren und bis zu 250 kg an Nutzlast mitführen. Zusätzlich zu den optischen und Infrarotsystemen wird durch die Nutzung eines Radarsensors eine komplette Allwetterfähigkeit erreicht. Durch den Kniff, dieses System nur zu leasen, umging man die Zulassungsverfahren, die notwendig wären, wenn man dieses System normal eingeführt hätte. Aus diesem Grund findet auch die Ausbildung des Personals in Israel statt, da für einen Flugbetrieb in Deutschland ein Zulassungsverfahren notwendig wäre.
Luftfahrtrecht
Mini- und Mikrodrohnen
Unterliegen den Regeln für Modellflug. Das Gerät muss vom Bediener immer direkt gesehen werden können. Bei Bedarf sind hier zusätzliche Luftraumbeobachter einzuteilen, um den Bediener auf Konfliktsituationen hinweisen zu können. Bei Verlust des Sichtkontaktes ist das Fluggerät sofort zu landen. Vor diesem Hintergrund sind die Ankündigungen der Bahn, ihre Strecken von Drohnen überwachen zu lassen, wie auch die Pläne von Amazon bezüglich Kleinlieferungen, als reine Werbegags zu bewerten.
LUNA, KZO, HERON
Ab einem Gewicht von 30 kg werden Drohnen in Deutschland als Luftfahrzeug zugelassen. Sie haben daher ein Musterzulassungsverfahren zu durchlaufen und die Drohnenlenker gelten als Luftfahrzeugführer. Keine Drohne dieser Welt wird zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Zulassung für den Betrieb im Luftraum bekommen. Das liegt schlicht daran, dass die vorgeschriebenen Notfallverfahren bei drohenden Zusammenstößen nicht eingehalten werden. Seit ca. 2008 forscht die Industrie daher mit Hochdruck an Systemen, welche in der Lage sind, diese Verfahren ordnungsgemäß durchführen zu können. In Deutschland wurde diese Diskussion zum ersten Mal sehr ernsthaft in Bundeswehrkreisen diskutiert, als man über Bosnien außerhalb von militärischen Sperrgebieten Drohnen betrieb. Die deutschen Gremien für Flugsicherheit zogen sich auf den Standpunkt zurück, dass eine Regelung in Deutschland erst dann erfolgen würde, wenn die EU oder IATA entsprechende Regelwerke erarbeitet hätte. Daher gilt für jede Drohne in Deutschland, dass die Musterzulassung der Stufe 2 der entscheidende Meilenstein ist. Damit kann der Flugkörper auf Bodensperrgebiet (meist ein Truppenübungsplatz) gestartet und gelandet werden. Er darf dann über dünn besiedeltem Gebiet innerhalb eines Luftraumsperrgebietes betrieben werden. Dieses Verfahren wurde im Regierungsbezirk Münster 2007 das erste Mal erfolgreich durchlaufen. Ein Drohnenflug fand allerdings nicht statt, da während der Aktivierung des Luftraumsperrgebiets der Flugbetrieb mit dem Drohnenmuster auf Grund eines Flugunfalls während eines Zulassungsfluges gesperrt worden war. Alle Drohnen die man derzeit in den Einsatzgebieten betreibt, werden in entsprechenden Sperrräumen geflogen. Im Fall von Global Hawk bewegt sich der Flugkörper oberhalb der Luftverkehrsstraßen und braucht daher nur die Überfluggenehmigung des Staates über dem sie betrieben wird. Start, Aufstieg, Sinkflug und Landung werden dann wieder in entsprechenden Sperrgebieten durchgeführt.
Bewaffnung von Drohnen
Die derzeitig einsetzende Diskussion über die Beschaffung von bewaffneten Flugkörpern ist eigentlich obsolet. KZO und LUNA sind in der Lage, Zieldaten sowohl für Rohrartillerie-, Raketenartilleriesysteme und den Mörserträger in den geforderten Genauigkeiten zu liefern. Der Munitionsvorrat einer einzigen Panzerhaubitze 2000 mit 60 Schuß reicht deutlich länger als die derzeit maximal 2 Lenkflugkörper einer Drohne. Mit den abrufbaren Munitionssarten Sprenggeschoß, Bomblettgeschoß, Suchzündermunition, Nebelgeschoß, Leuchtgeschoß und Minengeschoß reicht die Unterstützungsleistung für eigene Kräfte über die Punktzielbekämpfung hinaus und ist mit Leucht und Nebel auch nicht-letal möglich.
Bei HERON war im Angebotspaket des israelischen Herstellers ein Nutzlastträger enthalten, welcher über Heron ins Ziel gebracht werden kann. Mit einer Nutzlast von 23 kg Sprengstoff entspricht die Wirkung ungefähr der eines 155mm-Geschoßes. Sollte also derzeit für die Truppen in Afghanistan eine entsprechende Gefährdung bestehen, so wäre diese über eine entsprechende Zusatzbestellung schnell zu beheben. Rheinmetall bietet seit längerem eine ähnliche Lösung auf dem Chassis der KZO an.
Im dritten Teil dieser Serie werden wir die politischen Aspekte des Einsatzes von Drohnen im weitesten Sinne beleuchten.