Der neue Museumspavillon in Saarbrücken war als Erweiterungsbau des Saarlandmuseums geplant und sollte ursprünglich gerade einmal 11,5 Millionen Euro kosten. Inzwischen sind es 39 Millionen Euro. Ein vom Landtag eingesetzter Untersuchungsausschuss soll seit 2011 klären, wer die Kostensteigerungen zu verantworten hat. Wir sprachen mit unserem saarländischen Abgeordneten Michael Neyses über den Pavillon und fragten nach dem aktuellen Stand der Vernehmungen und seiner Strafanzeige gegen einen ehemaligen Vorstand der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz.
Flaschenpost: Was ging mit dem Museumspavillon schief?
Michael Neyses: Hier kommen viele Dinge zusammen. Die Ausschreibungssumme war mit rund 12 Millionen Euro von vornherein viel zu niedrig veranschlagt. Das Kultusministerium ist seiner Kontrollfunktion nicht nachgekommen. Bis zu einer Steigerung der Kosten auf 20 Millionen Euro sind Ministerium und Ministerrat mitgegangen, ohne das allzu kritisch nachgefragt wurde, woher diese erheblichen Mehrkosten kamen. Schließlich musste der ursprüngliche Entwurf nochmals geändert werden und die Architekten sprangen ab.
Flaschenpost: Warum wird der Pavillon es so viel teurer, als ursprünglich geplant?
Michael Neyses:
Es ist fraglich, ob der Pavillon im Jahr 2011 soviel teurer war als geplant. Vermutlich stand von Anfang an fest, dass der Bau insgesamt 22 Millionen Euro kosten wird. Weil Wahlen ins Haus standen, wurden die Kosten gegenüber der Öffentlichkeit deutlich nach unten gerechnet. Warum sonst gab der Ministerrat ohne größeren Widerstand die Summe von 20 Millionen Euro frei? Wenn 11,5 Millionen Euro ein realistischer Ansatz gewesen wären, hätte doch hier bereits der erste Aufschrei kommen müssen. Wie sehr die 20 Millionen Euro für die Fertigstellung hätten überschritten werden müssen ist fraglich. Der ehemalige Projektsteuerer betont, der Pavillon hätte mit gewissen Einsparungen für 24 Millionen Euro fertiggestellt werden können, ein Gutachten einer Ingenieursfirma besagt, es hätte 29 Millionen Euro gekostet. Mit 26 Millionen Euro lag der Rechnungshof zwischen diesen beiden Zahlen. Eine Fertigstellung hätte in diesem Rahmen, also um die 26 Millonen Euro, bewerkstelligt werden können, das sagten auch viele der im Ausschuss befragten Planer aus dem Baubereich aus.
Flaschenpost: Du sprichst von maximal 29 Millionen Euro Baukosten. Zwischenzeitlich soll der Bau aber 39 Millionen kosten.
Michael Neyses:
Die nochmalige Kostensteigerung um mindestens 10 Millionen ist entstanden, als man einen neuen stellvertretenden Vorstand, Prof. Dr. Meinrad Maria Grewenig, 2011 einsetzte. Da wurde der Bau plötzlich zu einem Skandalbau mit vielen Planungsfehlern. Schließlich wurde das komplette Konzept umgeworfen. Aus dem einfachen Anbau sollte eine Begegnungsstätte werden. Dazu waren viele Umplanungen nötig, die haben dann nochmal ordentlich Geld gekostet. Damals wurde behauptet, der Bau sei in vielen schwerwiegenden Punkten unbrauchbar. Er wäre weder behindertengerecht, noch gegen Hochwasser abgesichert. Sieben Firmen haben uns bisher im Untersuchungsausschuss bestätigt, dass es diese angeführten Mängel nie gab. Der Hochwasserschutz wurde von einer Hamburger Spezialfirma geplant und lediglich die Frage, wo man ein paar Bretter, die sogenannten Dämmbalken, lagern soll war nicht geklärt. Barrierefrei war der Bau auch, die Planungen wurden sogar mit dem Landesbehindertenbeauftragten abgesprochen.
Flaschenpost: Du hast zwischenzeitlich Strafanzeige gegen den stellvertretenden Vorstand Grewenig wegen versuchten Betruges gestellt, warum?
Michael Neyses:
Grewenig musste einen neuen Projektsteuerer finden. Das Auftragsvolumen übersteigt eine halbe Million Euro und hätte europaweit ausgeschrieben werden müssen. Das hat Grewenig versucht zu umgehen. Es sieht derzeit danach aus, als ob hier ein rechtlich unzulässiges, verkürztes Verfahren, welches nur bei besonderer Dringlichkeit angewendet werden darf, durchgeführt wurde – und das noch nicht mal richtig. Vermutlich ging an zwei der drei beteiligten Bieter die Absage mit dem Verweis auf den Gewinner des Verfahrens am selben Tag raus wie die eigentliche Angebotsanfrage. Zumindest aus unserer Aktenlage geht dies für einen Bieter so hervor. Zudem hat die Gewinnerfirma selbst erst einige Tage nach der versendeten Absage das Angebot erstellt.
Flaschenpost: Warum ist das kritisch?
Grewenig hat selbst die Auswahl der Angebote vorgenommen und nicht sichergestellt, dass der billigste Anbieter ausgewählt wurde. Der Stiftung, deren Vorstand er ja war, wäre somit erheblicher finanzieller Schaden entstanden, wäre ein Vertrag zustande gekommen. Deswegen wollen wir jetzt wegen versuchten Betrugs ermitteln lassen.
Im Aufsichtsrat der Stiftung hatte Grewenig den Eindruck erweckt, dass es sich um ein normales Verfahren gehandelt habe. Im Untersuchungsausschuss hat er ebenso versucht, dies zu verschleiern. Wer dort aber nicht die Wahrheit sagt oder Wesentliches auslässt, der macht sich strafbar. Das ist auch gut so, denn wollen wir jemals den ganzen Sachverhalt aufklären, muss mit der Lügerei und Trickserei irgendwann Schluss sein.
Flaschenpost: Glaubst Du, dass die ganze Angelegenheit jemals vollständig aufgeklärt werden kann?
Michael Neyses:
Wir rechnen fest damit, dass die Staatsanwaltschaft bezüglich unserer Anzeige die Ermittlungen einleitet. Hier haben wir einen ganzen Ordner Beweise mit der Anzeige eingereicht.
Die politische Verantwortung ist hingegen weit schwieriger zu klären. Hier wollen wir aber weiter hartnäckig daran arbeiten, dass wir die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.
Im Landtag planen wir außerdem die Einrichtung eine Enquete-Kommission um die Kontrollfunktionen von Landesbeteiligungen und öffentlichen Betrieben neu zu gestalten, denn die hat hier offensichtlich versagt. So etwas darf im Saarland nicht noch einmal passieren.
Flaschenpost: Die Bauskandale häufen sich. Was wird deiner Meinung nach zuerst eröffnet werden: Der Flughafen in Berlin, die Elbphilharmonie in Hamburg oder der Museumspavillon in Saarbrücken?
Michael Neyses:
Alle drei werden wohl lange dauern, das steht fest. Beim Museumspavillon spielt die saarländische Landesregierung auf Zeit. In dieser Legislaturperiode, also vor 2017, wird er meiner Ansicht nach nicht eröffnet.
Flaschenpost: Vielen Dank für das Interview, wir wünschen Dir und der saarländischen Fraktion weiterhin viel Erfolg!
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.