Sie haben ihr Leben riskiert, um nach Europa zu kommen. Die meisten haben in ihren Heimatländern ihr letztes Eigentum für die gefährliche Reise nach Deutschland aufgegeben, aber trotzdem ist ihr
Asylantrag abgelehnt worden.
Laut Innenminister de Maizierès Brandbrief vom 5. Oktober 2014 hätte die Ablehnung ihres Asylantrags zur sofortigen Abschiebung führen sollen und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Menschen in ihren Heimatländern während des kalten Winters eine Lebensgrundlage haben oder obdachlos zurückkehren müssten.
2250 Flüchtlinge aus 15 Staaten können aufatmen
Der jüngst im Land Schleswig-Holstein beschlossene Winterabschiebungsstopp gilt für Menschen aus den Balkanländern, Afghanistan, Russland, der Ukraine, Armenien, Aserbaidschan, Irak, Iran, der Türkei und Pakistan. Sie dürfen bis zum Frühjahr in Deutschland bleiben.
Schleswig- Holstein hat nämlich am 2. Dezember unter Berufung auf die gesetzliche Grundlage des Ausländerrechts 60a Absatz 1 einen Winterabschiebungsstopp erlassen und damit den Paragraphen ausgenutzt, der es den Bundesländern ermöglicht, die Abschiebung von Flüchtlingen und abgelehnten Asylbewerbern bis zu sechs Monate auszusetzen.
Dieser gilt für den Winter 2015 und wenn man den Äußerungen des Innenminister Stefan Studt (SPD) glauben mag auch für alle folgenden Winter in den nächsten Jahren. Bis zum 31. März 2015 greift augenblicklich das Moratorium das erlassen wurde, um die Menschen nicht schutzlos den kalten Wintermonaten auszusetzen.
Schleswig-Holstein setzt als erstes Bundesland ein Zeichen der Humanität
Mit dieser Regelung ist das Land Schleswig-Holstein das erste Bundesland, dessen Landesregierung sich zu dieser humanitären Geste durchgerungen hat. Mit Recht ist Innenminister Stefan Studt (SPD) stolz; auch der Beauftragte für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen des Landes Schleswig-Holstein Stefan Schmidt erwähnte den Entschluss des Kieler Landtags lobend.
„Wir haben im Kabinett einstimmig beschlossen, dass Schleswig-Holstein niemanden, der unserer Hilfe bedarf, in die Kälte abschiebt. Das entspricht unserem humanen Wertegerüst.“, erklärte Ministerpräsident Torsten Albig der Presse.
Was nun nach Einigkeit und hoffnungsvoller Absicht aussieht, die rückschrittliche Asylpolitik der letzten Jahre zu reformieren, ist auf das zähe Ringen der Piratenfraktion, allen voran deren flüchtlingspolitischen Sprecherin Angelika Beer zurückzuführen.
Der Kieler Landtag folgte dem Antrag der Piraten
Am 13.11 hatten die Piraten einen Dringlichkeitsantrag gestellt, die inhumane Abschiebung der Flüchtlinge in den Wintermonaten auszusetzen.
Die sofortige Abstimmung des Antrags war zunächst abgelehnt worden und der Dringlichkeitsantrag wurde zwecks weiterer Beratung in den Europa- sowie in den Innen- und Rechtsausschuss überwiesen. Angelika Beer befürchtete Mitte November, dass der Zeitpunkt der Beschlussempfehlung der Ausschüsse und eine daraus resultierende Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Landtages erst zum Ende des Winters und somit zu spät für die Rettung der Flüchtlinge erfolgen würde. Dies hätte viele Menschenleben kosten können. Zum Glück hat der Kieler Landtag am 2.12. dem Dringlichkeitsantrag der Piraten doch noch zugestimmt!
„Es ist bedauerlich, dass die grün-rot-blaue Koalition erst den Druck einer kleinen Oppositionspartei braucht, die nicht nur von Humanität redet, sondern auch auf ihrer Umsetzung beharrt. Dies ist kennzeichnend für die schleswig-holsteinische Flüchtlings- und Ausländerpolitik. Jetzt sind nur die Menschen wichtig – Humanität? Geht doch. Wir fordern Innenminister Studt und Ministerpräsident Albig auf, sich sowohl auf der Innenministerkonferenz am 11. und 12. Dezember in Köln als auch beim Flüchtlingsgipfel mit Bundeskanzlerin Merkel für ein bundesweites Wintermoratorium einzusetzen.“, verkündete Angelika Beer daraufhin in der Presseerklärung der Piraten.
Diese Geste der Hoffnung ist nicht nur ein Erfolg piratiger Politik, sondern lässt auch darauf hoffen, dass zukünftig die engstirnige Abschottung Europas einer humaneren Asylpolitik weicht.
Die Piraten im Kieler Landtag hat der Erfolg beflügelt, sich weiter für Flüchtlinge einzusetzen, auch wenn die Bundespolitik Uneinsichtigkeit demonstriert. Bundesinnenmister Thomas de Maizière füllte sich allen Ernstes genötigt, das Land Schleswig-Holstein in einem Brandbrief für seine Humanität zu rügen, mutmaßlich um sich anlässlich der Konferenz der Innenminister zu positionieren. Dem Land Schleswig-Holstein warf er vor, mit dem Winterabschiebestopp für Flüchtlinge den ausgehandelten Kompromiss zu missachten: Ende November hatte der Bund den Ländern nämlich eine Milliarde Euro an Flüchtlingshilfe zur Verfügung gestellt. Im Gegenzug stimmten die Bundesländer zu, die Ausreisepflicht zügig durchzusetzen, wogegen sich Schleswig-Holstein nun verwehrt.
Winterabschiebestopp auch in anderen Bundesländern gefordert
Laut den neusten Pressemitteilungen macht das Beispiel Schleswig-Holsteins Schule: Die Landesregierung in Thüringen beschloss am 9. Dezember ebenfalls einen Winterabschiebestopp – mit fast dem gleichen Wortlaut wie die Schleswig-Holsteiner! Unterschiedliche Flüchtlingsräte fordern nun den Winterabschiebestopp von ihren Landesregierungen. In anderen Bundesländern, z.B. Baden-Württemberg ist ein Streit um dieses Thema entbrannt. Ist das ein Flächenbrand des Widerstands gegen die inhumane Abschiebungspraktik, die der Bundesinnenminister fordert?
Was dann, Herr de Maizière?