Ein Gastbeitrag der Ratsfraktion der Piraten Braunschweig.
Die Piratenpartei Niedersachen und die Piratenfraktion im Rat der Stadt Braunschweig haben die Möglichkeit genutzt, ihre Positionen im umfassenden Beteiligunsverfahren zur Änderungsverordung des Niedersächsischen Landesraumordnungsprogrammes (LROP) einzubringen.
Auch wenn viele Änderungen im 1. Entwurf des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in die richtige Richtung gehen, sind sie scheinbar nicht genau genug durchdacht oder nur halbherzig vollzogen. Ein Beispiel dafür ist der angekündigte Richtungswechsel beim Torfabbau und Moorschutz. Auf der Internetseite des Ministeriums wird der Wechsel mit folgenden Worten angekündigt:
„Ein Richtungswechsel wird auch beim Torfabbau und dem Moorschutz eingeleitet. Beabsichtigt ist, sämtliche Vorranggebiete „Rohstoffgewinnung“ für die Rohstoffart Torf zu streichen, den Torfabbau auslaufen zu lassen und zu Gunsten des Klima- und Naturschutzes Vorranggebiete Torferhaltung und Moorschutz festzulegen. Die Landesregierung trägt mit dieser Strategie der Bedeutung der niedersächsischen Moore als natürliche Kohlenstoffspeicher Rechnung.”
Bei genauerer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass nicht sämtliche Flächen als Torferhaltungs- und Moorentwicklungsflächen ausgewiesen wurden. Der Schutz dieser Flächen wird den Kommunen durch die regionalen Raumordnungsprogramme überlassen. Die Rückendeckung des Landes durch das LROP würde die Kommunen stärken, um sich gegen lokale Torfabbaupläne durchzusetzen.
Ein weiterer wichtiger Punkt im Entwurf sind Regelungen zur alternativen Energiegewinnung und Festlegungen zur Netzanbindnung für Offshore-Windparks. Bedeutsame Themen, ohne die eine Umsetzung der Energiewende kaum möglich wird. Und genau deshalb ist es so wichtig, auch hier auf die kleinen Details zu achten.
So steht zum Beispiel in dem Entwurf [PDF], dass der „Wald […] wegen seiner vielfältigen Funktionen, insbesondere wegen seiner klimaökologischen Bedeutung, nicht in die Nutzung von Windenergie in Anspruch genommen werden“ soll. Aber die Ausnahmeregel ist direkt mit eingearbeitet: “Flächen innerhalb des Waldes können für Winderenergienutzung […] in Anspruch genommen werden, wenn weitere Flächenpotenziale weder für neue Vorrang- noch für neue Eignungsgebiete im Offenland zur Verfügung stehen und es sich um mit technischen Einrichtungen oder Bauten vorbelastete Flächen handelt.”
Wieso in einem Flächenland wie Niedersachsen nicht genügend Flächen außerhalb von Waldgebieten vorhanden sein sollten und deshalb das „Schlupfloch“ zum Umgehen der Regelung direkt mit eingebaut wurde, erschließt sich der Piratenpartei Niedersachsen nicht, und wurde entsprechend in der Stellungnahme kritisiert.
Im Bereich der Netzanbindung bemängeln die Piraten vor allem fehlende Transparenz und Einbeziehung der Bürger. Für die im Entwurf enthaltene Forderung nach einer „beschleunigten Trassenplanung und -sicherung“ und die Aussage, dass „die Neutrassierung von Höchstspannungsleitungen erforderlich“ sei, befinden sich im Entwurf des Netzenwicklungsplans 2014.1 [PDF] nur allgemeine Formulierungen als Begründung. Konkrete Zahlen für den Bedarf, wie Lastenflüsse oder genehmigte bzw. beantragte zusätzliche Stromerzeugungsleistungen, sucht man vergeblich. Aber nur mit diesen Zahlen und einem frühzeitigen Einbeziehen der Bürger kann eine bedarfsgerechte und akzeptierte Trassenplanung durchgeführt werden.
Außerdem sollte nach den Vorstellungen der Piratenpartei Niedersachsen die von den Netzbetreibern propagierte Planung nicht blind übernommen werden. Denn diese ist nicht flexibel genug ausgelegt, um sich den ständig ändernden Vorgaben und technischen Entwicklungen anzupassen, wie zum Beispiel im Bereich der Leitungstechnik, dezentraler Stromerzeugung, etc.
Natürlich muss auch Hydraulic Fracturing (Fracking) innerhalb des LROP betrachtet werden. An dieser Stelle ist die Piratenpartei Niedersachsen sogar noch einen Schritt weiter gegangen und hat nicht nur, wie im Beteiligungsprozess eigentlich vorgesehen, die Änderungen kommentiert, sondern auch Passagen herausgearbeitet, die ihrer Meinung nach einer Änderung bedürfen, jedoch in dem Änderungsentwurf nicht berücksichtigt wurden. Dabei liegt der Schwerpunkt vor allem auf den Mitbestimmungsmöglichkeiten der Kommunen.
Viele kommunale Gremien haben bereits Resolutionen gegen Fracking beschlossen. Aktuell haben Kommunen bei der Planung lediglich über die Wasserbehörde die Möglichkeit Einfluss zu nehmen, sofern Grundsätze des Wasserhaushaltsgesetzes verletzt werden. Deswegen wurde in der Stellungnahme an den entsprechenden Passagen das Einverständnis der kommunalen Gremien als Voraussetzung ergänzt und die Möglichkeit einer Stellungnahme und eines Einspruches von direkt oder indirekt Betroffenen eingearbeitet.
Auch das Ziel, dass Erdgasvorkommen möglichst vollständig erschlossen und genutzt und somit vollständig auszubeuten seien, ist aus Sicht der Niedersächsischen Piraten nicht tragbar. Der enorme Flächen- und Wasserverbrauch, die schlechte Klimabilanz, das hohe Verkehrsaufkommen und die insignifikante Energierelevanz machen deutlich, dass Gasförderung grundsätzlich weder mit den Zielen der nachhaltigen Raumordnung noch mit denen der Energiepolitik in Deutschland und der EU vereinbar ist.
Da im bisherigen LROP keinerlei Angaben zu Förderverfahren gemacht bzw. bestimmte Verfahren ausgeschlossen werden, fordern die Piraten die Aufnahme eines weiteren Zieles: „Fracking bei der Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas und Erdöl aus unkonventionellen Lagerstätten – Unvereinbarkeit mit den Zielen der Raumordnung und Energiepolitik
- Der Schutz lebenswichtiger Ressourcen wie insbesondere Wasser genießt strikten Vorrang vor Vorhaben der Energiegewinnung, die diese Ressourcen gefährden oder deren Risiken für diese Ressourcen nicht sicher abschätzbar sind.
- Eine Gefährdung dieser Ressourcen würde zu unverhältnismäßigen Risiken für die Nutzungen und Funktionen des Raumes führen.
- Da bei der Erkundung und Gewinnung unkonventioneller Erdgas- und Erdölvorkommen durch Hydraulic Fracturing diese Risiken nicht sicher ausgeschlossen werden können, ist diese Form der Energieaufsuchung und -gewinnung mit den Zielen der Raumordnung nicht vereinbar.” (Stellungnahme der Piratenpartei Niedersachsen an das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz; bisher unveröffentlicht).
Wie bereits im ersten Teil (LINK) erwähnt, haben – neben jedem Interessenten alleine oder in einem Verband, Verein oder weiteren Vereinigung – auch Städte und Gemeinden die Möglichkeit, Änderungsvorschläge in Form einer Stellungnahme einzureichen; schließlich übernehmen sie die Aufgabe der unteren Landesplanungsbehörde. Und genau an dieser Stelle wurde der Rat der Stadt Braunschweig im Bereich Energiegewinnung mit dem Schwerpunkt auf Fracking aktiv.
Die ursprüngliche Beschlussvorlage der Stadtverwaltung zum Entwurf des LROP befasste sich zuvor nicht mit Kapitel 3.2.2. „Rohstoffsicherung und Rohstoffgewinnung“. Dabei betrifft dieser Bereich Braunschweig direkt, denn dort sind u.a. die Ölschiefer-Lagerstätten nördlich von Hondelage (Stadtteil von Braunschweig) als national bedeutsame Energie-Reserve aufgeführt.
Basierend auf einem Änderungsantrag der Piratenfraktion entstand ein interfraktioneller Antrag, der nicht nur die Einordnung als bedeutsame Energie-Reserve wieder aufhebt, sondern auch den Energieabbau deutlich erschwert. Dieser Antrag wurde bei der Ratssitzung am 16.12.2014 einstimmig angenommen und die Stellungnahme der Stadt Braunschweig zum LROP entsprechend angepasst.
Inwieweit die Stellungnahme der Piratenpartei Niedersachsen und der Stadt Braunschweig sowie aller anderen, die sich daran beteiligt haben, in die künftige Änderungsverordnung des LROPs einfließen, wird sich erst noch zeigen. Jedoch wird durch die aufgeführten Beispiele deutlich, welche Möglichkeiten es gibt, Einfluss auf Raumordnungspläne zu nehmen. In jedem Fall lohnt es sich diese genauer zu betrachten und sich mit einer eigenen Stellungnahme in diesen Prozess einzubringen, denn Raumordnung ist eine der essentiellen Grundlagen für weitreichende Entscheidungen in der Gestaltung unseres Lebensraumes