Teil zwei unserer Artikelserie von Thomas Blechschmidt. Der erste Teil erschien am 1. März.
Ahoi,
sind diese grundlegenden Standards Gegenstand der Verhandlungen? Besteht Einigkeit, diese Standards anzugleichen? Die Antwort auf die Frage ist also ein Nein.
Elektrotechnische Geräte und Anlagen funktionieren in Europa und dem Großteil der Welt im dreiphasigen Wechselstromsystem mit 240 Volt Nennspannung bei 50 Hertz. In den USA laufen elektrotechnische Geräte grundsätzlich einphasig mit 120 Volt bei 60 Hertz. Dies betrifft vor allem den Massenmarkt für Haushaltsgeräte. Bei elektronischen Geräten ist es technisch nicht sehr schwer, diese mit zusätzlicher Elektronik auszustatten, bei elektromechanischen Geräten des Massenmarktes aber stellt dieser Unterschied ein Hemmnis dar, da zwei Produktionslinien gefahren werden müssen. Das 120 Volt Netz erfordert zum Beispiel eigens dazu entwickelte Wechselrichter für den Einsatz erneuerbarer Energien.
Wird es durch die Harmonisierung endlich einheitliche Stromstecker geben? Antwort: Nein, es bleibt, wie es ist. Hersteller müssen die Standards einhalten, die am Ort des geplanten Verkaufs gelten.
Deswegen müssen z. B., Hersteller von Akkusystemen zur Stromspeicherung für Europa ihre Batterien komplett zertifizieren und für die USA ein weiteres Mal. Solche Standards sind nun Gegenstand des Abkommens. Ziel ist es, dass diese gegenseitig anerkennt werden. Aber wenn doppelte Zulassungsverfahren abgeschafft werden sollen, ist es erforderlich, dass die technischen Grundlagen gleich sind. Sonst geht das Vorhaben nicht auf.
Ist die Vereinheitlichung des Stromsystems Teil der Verhandlungen? Nein, ist es nicht. Die Farben der Blinker bei Autos ist ein oft genanntes plakatives Beispiel. Doch ausgerechnet dieser Punkt ist in den USA Sache der Staaten, nicht der Union. Die amerikanische Bundesregierung in Washington hat dafür kein Mandat. Wie also soll hier durch ein Handelsabkommen eine Vereinheitlichung erreicht werden? Antwort: Gar nicht. Das bleibt, wie es ist. Es ist kein Problem, die Blinker auszutauschen. Wenn ich nun einen Neuwagen privat importiere, muss ich weiterhin in Deutschland erneut zum TÜV damit. Die grundlegenden Verfahren zur Zulassung (Crashtest, Abgasnormem) sollen jedoch gegenseitig anerkannt werden.
Weltweit beharrt ausgerechnet die zuständige technische Behörde in der Bundesrepublik auf der Vorschrift, eine starre Lenksäule in Fahrzeugen einzubauen. Längst jedoch sind Lenkungen hydraulisch und derart abgesichert, dass rein hydraulische Lenkungen genauso zuverlässig sind, wie solche mit starren Lenksäulen. Diesen Standard aufzugeben, würde den Fahrzeugbau spürbar flexibilisieren. Ist er Gegenstand der Verhandlungen? Nein, ist er nicht.
Werden also in Zukunft beiderseits des Atlantiks die gleichen Sicherheitsgurte gebaut? Nein, werden sie nicht.
Viele Bürger empfinden Angst und hegen massive Bedenken gegen die Verhandlungen, da trotz eines kleinen Zugeständnisses der EU-Kommission die Verhandlungen als intransparent, geheimniskrämerisch und bürgerfern gehalten und gesehen werden. Wie gehen Sie mit den Ängsten der Bürger um?
Sind Sie bereit, dafür zu sorgen, dass die Tagesordnungen (nicht die Strategien und Inhalte der Teilnehmer) der einzelnen Verhandlungstage vorab veröffentlicht und nach Erledigung der Punkte ein Ergebnisprotokoll sofort veröffentlicht wird? Die nun doch stattfindenden Nachverhandlungen bei CETA zeigen, dass der bisherige Weg völliger Nichtöffentlichkeit eben nicht ausreicht.
Werden Sie sich dafür einsetzen, dass transparent und umfassend veröffentlicht wird, welche Vertreter der Wirtschaft mit ihrem jeweiligen Mandat an den jeweiligen Verhandlungsrunden teilnehmen?
Hier ist es endlich interessant:
Das Wirtschaftsministerium veröffentlichte seine Vorstellungen zum Thema Transparenz ebenso wie eine Stellungnahme was nach eigener Lesart unter TTIP zu verstehen ist. Auch in den Monatsberichten wird TTIP erwähnt und auch einige Details zum Verhandlungsprozess finden Erwähnung.
Hinter diesen Links verbirgt sich alles, was seit Beginn der Proteste an Transparenz und Aufklärungsarbeit / Informationsarbeit geleistet wurde. Das alles an Transparenz soll nun reichen und die EU hat ihre Verhandlungspositionen vorab längst veröffentlicht. Einzusehen auf den Webseiten der Europäischen Union und der EU-Kommission.
Aber zurück zur Fragerunde auf der Infoveranstaltung. Herr Ferber, Sie als wichtigster Europaabgeordneter der CSU mit so langer Mandatszeit, dass Sie ja eigentlich schon zum Inventar der EU gehören, können es sicher bestätigen: Wie mir Ihr Parteikollege Thomas Kreuzer und CSU-Fraktionsvorsitzender schreibt soll sichergestellt sein:
„Dabei geht es ausdrücklich nicht um das Absenken von Standards. Kompromisse in Sachen Sicherheit, Verbraucherschutz oder Umwelt darf es nicht geben. Jede Seite muss das Recht behalten, Umwelt-, Sicherheits- und Gesundheitsangelegenheiten so zu regeln, wie sie es für angebracht hält.“
Das betrifft mit Ausnahme der technischen Standards und der juristischen Grundlage so ziemlich alle Standards, mit denen wir arbeiten. Die EnEV und die DIN V 18599 zur Energieeffizienz von Gebäuden wird wohl kaum Gegenstand der Verhandlungen sein.
Deshalb die letzten Fragen: Wozu dann also ein Abkommen von 2.600 Seiten? Welchen Sinn hat das? Und warum sollen wir so eine gewaltige Verhandlungsrunde für lauter Leute, von denen wir nicht wissen, wer sie sind und was sie im Schilde führen bezahlen?
Nun, darauf habe ich keine Antwort gefunden.
Teil 3 des Artikels folgt am Sonntag, den 15.3.15 !