Seit vielen Jahren schaut die Welt verwundert auf Deutschland. Jenes Land, das nach eigenem Selbstverständnis High-Tech-Land ist, im internationalen Vergleich zwischen Industrienationen im Bereich Netzabdeckung aber einen der hinteren Plätze belegt. Mit einem Gesetzesentwurf gibt die Regierung vor, freie WLAN-Zugänge fördern zu wollen. Der Entwurf ist jedoch so formuliert, dass die Nachbarschaftshilfe in privatem Rahmen weiterhin ein juristischer Drahtseilakt bleibt. Nur wer ein WLAN im Rahmen einer Geschäftstätigkeit anbietet, soll von den Nachstellungen der Abmahnanwälte verschont bleiben. In der Kneipe oder im Fernbus wird ein Betreiber zukünftig kostenlos unverschlüsseltes WLAN anbieten können. Für den Gastgeber einer Party bleibt der unverschlüsselte Betrieb eines Access-Points weiterhin zivilrechtlicher Selbstmord.
Der Gesetzesentwurf zeigt erneut die aus der Serie “Star Trek” bekannte Ferengi-Mentalität der grossen Koalition. Kommerz ist für CDU/CSU und SPD alles, Eigeninitiative gilt nichts – könnte sie doch Profite anderer gefährden. Oder, um es mit der Regel Nr. 13 der Ferengi zu sagen: “Alles, das wert ist getan zu werden, ist auch wert für Geld getan zu werden.” Durch die vorgesehene Registrierungspflicht für die Nutzer wird freies WLAN zu kostenlosem WLAN herabgestuft, das es nur gegen verwertbare Daten wie der Adresse oder dem Durchschnittseinkommen gibt. Damit erschlägt die GroKo mehrere Fliegen mit einem Schlag: Die sogenannte Störerhaftung – Lebensgrundlage so mancher Juristen – bleibt erhalten, Unternehmen werden in die Lage versetzt, ihren Kunden mehr Service zu bieten, der Datenhandel und die Datenerhebung werden gefördert und gleichzeitig wird private Konkurrenz ohne Gewinnerzielungsabsicht abgewürgt.
Berlins Versuch in diese Richtung wird scheitern, da das Gesetz eine Mogelpackung ist, ein Etikettenschwindel wie aus dem Lehrbuch. Geschrieben wurde es gänzlich ohne Verständnis der Mechanismen des Internets, nur darauf optimiert seinen wahren Zweck zu erfüllen. Letztlich führt dies zu einer Stärkung der Freifunk-Initiativen, die ebenfalls ein unverschlüsseltes WLAN zur Verfügung stellen. Beim Freifunk findet eine Anonymisierung der Nutzer meist mit Hilfe eines Netzwerktunnels (VPN) ins Ausland statt – wo deutsche Blödsinnsregelungen wie die “Störerhaftung” nicht existieren. Da es beim Freifunk keine Registrierungspflicht gibt, ist das Verfahren anwenderfreundlich und durch den Umweg ins Ausland bleiben Abmahnanwälte außen vor. Bei Investitionen ab 20 Euro pro Gerät lohnt die Anschaffung schon für die nächste Party – ungefährlicher Zugriff auf Tauschbörsen inbegriffen.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.