
Als Pirat hat man ja so seine Erfahrungen mit Trollen und Störenfrieden. Es gibt darunter sehr hartnäckige Misanthropen, Überzeugungstäter, Teilzeitkrawallmacher und auch manch einen, bei dem man schon auf die Idee kommen könnte, dass er für sein Handeln bezahlt wird. Trolle gibt es überall, sie sind eine Minderheit, sie lassen sich schnell identifizieren und oft auch ignorieren – und sind von Kritikern klar unterscheidbar.
Seit langem bieten Medien wie SZ, Spiegel, ARD und ZDF sowie Hörfunk Kommentarfunktionen an und bieten damit ihren „Konsumenten“ einen Rückkanal – kostenlos für die Nutzer, hochinteressant für die Inhalteanbieter. Vor einiger Zeit haben diese Medien (beziehungsweise deren Autoren und Herausgeber), allen voran Süddeutsche und ARD, festgestellt das sie beim Thema Ukraine und Russland extrem viel Gegenwind bekommen. Haarscharf an der Realität vorbei haben sie daraus geschlossen, dass es nicht etwa daran liegen kann, dass sie etwas falsch machen – das müssen bezahlte Trolle sein, definitiv. Von Russland bezahlt, natürlich, von wem sonst. Sonst würde ja niemand so etwas machen, das machen nur die Russen!
Reaktion: Kommentare werden moderiert, was nicht gefällt, wird nicht veröffentlicht und wer das nicht gut findet, der wird abgekanzelt. Und jetzt hat man sogar Beweise für die These, dass es ALLES Trolle sind und nur sehr sehr wenige echte Kritik(er) dabei sind – lächerlicherweise auch noch unterlegt mit Umfrageergebnissen des konservativen, CDU/CSU und wirtschaftsnahen Institutes Allensbach.

Aber so einfach ist das nicht – ja, es gibt sicher bezahlte Provokateure und selbstverständlich posten sie, was ihr Brötchengeber vorschreibt. Nicht nur aus Russland, auch andere Nationen schaffen es Ihre Weltsicht in den Medien unterzubringen (siehe Atlantikbrücke). Aber es sind nicht alles Trolle, es gibt auch viele ehrliche, stinkwütende und empörte Leser – und nicht nur ein paar wenige arme, verwirrte Geister.
Journalismus, der online und offline gelesen und ernst genommen werden will muss sich aber anderen Sichtweisen stellen. Auch unangenehme Kritik gehört dazu, sie ist Teil und auch Preis der Meinungsfreiheit und -vielfalt, sie wird gerne gelesen – sie ist für den Autor dieser Zeilen hier eine Erweiterung und Ergänzung des Artikels um andere Sichtweisen oder Aspekte.
Jedoch erwarten die nicht gebührenfinanzierten Medien das sie – berechtigterweise – für Ihre Inhalte vom Leser bezahlt werden. Also genau von denen, deren Meinung sie nicht schätzen wenn sie der eigenen widerspricht.
Nur: Die Deutungshoheit über das, was in der Welt warum passiert und wie das einzuordnen ist, haben Radio, Fernsehen und Print mit dem Entstehen der Netzöffentlichkeit verloren. Die Zeiten, als Themen unilateral besprochen werden konnten (was wäre aus der 68er Bewegung geworden, wenn es das Netz schon gegeben hätte? Und mit der Wahrnehmung des zweiten Golfkriegs?) sind vorbei. Einseitigkeit bei komplexen Konflikten wie der Ukraine oder Problemen wie in Griechenland schadet der Glaubwürdigkeit – und es ist dabaei völlig unerheblich ob diese von oben herab befohlen, einer einheitlichen Weltsicht, dem Zeitmangel oder „Ein Esel schreibt vom anderen ab“ geschuldet ist.
Die Bürger haben eine eigene Meinung, sie sind es, die Zeitungen kaufen sollen (ob nun digital oder analog) und wenn man sie nicht achtet, kehren sie einem noch mehr als bisher den Rücken zu. Und bezahlen werden sie dann schon gar nichts.
Als maximale Ordnungsfunktion empfiehlt sich die Reduktion der Moderation auf Nicht-Abonnenten. Zahlende Kunden und Kommentatoren die konstruktive Beiträge kostenlos leiste(te)n sollten unmoderiert sagen können, was sie zu sagen haben, auch wenn es einmal die Meinung „Andersdenkender“ ist. Wenn sie dann doch über die Stränge schlagen kann man immer noch handeln.
Redaktionsmitglied Sperling
Redakteur seit 2011, Kernteam der Redaktion seit 2013. De facto "Leitung" ab 2016, irgendwann auch offiziell Chefredakteur - bis 2023. Schreibt und Podcastet nur wenn ihm die Laune danach steht, zahlt aktuell die Infrastruktur der Flaschenpost, muss aber zum Glück nicht haften 🙂