
Buttons | CC BY 2.0 Piratenpartei Deutschland
Ein Gastartikel.
Ich bin 2012, nach persönlichen Begegnungen mit Piraten, in diesem sogenannten „Leben“ außerhalb des Computers, bei den Piraten eingetreten. Politik war für mich neu; ich war zwar immer ein politisch interessierter Mensch, aber nie in einer Partei aktiv.
Meine Zeit bei den Piraten, Version 1 bis zum Austritt

Ich kann insbesondere die frühe Zeit bei den Piraten nur mit einem Wort beschreiben: Wow!
Mein erster Parteitag war der Bundesparteitag in Bochum, auch bekannt als „Bochum 1“. Da habe ich auf einen Schlag die ganze Buntheit und die Vielfalt der Piraten kennen- und schätzen gelernt. Die AG Dicke Piraten. Die ganze damalige „Prominenz“ in den Debatten. Die Presse, die mit TV-, Rundfunk- und Printteams vertreten war.
Wir waren bunt, wir waren schrill, wir haben uns nicht groß darum geschert, wie wir in der Presse wirken.
Vor Ort hat es auch viel Spaß gemacht. Wir hatten aktive Stammtische, an denen auch gerne kontrovers diskutiert wurde, und organisierten regelmäßige Infostände mit manchmal sehr… interessanten… Besuchern.
Mein Austritt war dann nicht die Folge des Katzenjammers nach der Wahl, denn die Piraten wurden ja noch gebraucht. Es waren auch nicht die Wahlen unterschiedlicher Vorstände nach der Bundestagswahl.
Nein, es war etwas ganz Anderes: der zwischenmenschliche Umgang. Details will ich nicht nennen, aber rund um den „Außerordentlichen Parteitag“ in Halle war es manchmal schwierig.
Trotz alledem – Die Rückkehr und die Gründe dafür
Als politisch interessierter Mensch wollte ich natürlich die Themen, die mir wichtig sind und die mich zu den Piraten gebracht haben, weiter verfolgen. Allerdings: ich fand trotz intensiver Suche keine Organisation, die mir zugesagt hätte, die das Richtige aus den richtigen Gründen tat oder propagierte.
Da merkte ich erst, was ich an den Piraten hatte. Ich wurde gezwungen, mich mit den Gründen zu beschäftigen, die mich damals zu den Piraten gebracht haben. Und ich habe festgestellt, dass alle diese Gründe noch genauso valide, genauso wichtig, genauso relevant waren wie damals, als ich bei den Piraten eingetreten bin.
Tja, und jetzt haben die Piraten mich wieder.
Was waren das für Gründe, die mich wieder zu den Piraten gebracht haben?
Ein Spoiler vorneweg: Es hat nichts mit aktuellen Themen zu tun. Es ging und geht mehr um das große Ganze, das, was man neudeutsch „Big Picture“ nennt. Um die Grundideen, die die Piraten zu etwas Einzigartigem im deutschen Politikbetrieb machen.
Das Menschenbild
Die Piraten haben ein sehr sympathisches Menschenbild. Jedenfalls „in der DNA“, denn wirklich schriftlich fixiert ist das, piratentypisch, nirgendwo.
Für mich ist das Menschenbild der Piraten geprägt durch die im Folgenden aufgeführten Eigenschaften.
Liberalismus. Allerdings nicht der Liberalismus der FDP, den ich in Abgrenzung von meiner Lesart des Begriffs lieber „Wirtschaftsliberalismus“ oder „Neoliberalismus“ nennen will. Der Liberalismus, den ich bei den Piraten kennengelernt habe, ist demgegenüber einer, der sich für die Menschen einsetzt, der die Interessen des Individuums über die von Firmeninteressen stellt. Ein Liberalismus, der jedem Menschen nicht nur Freiheitsrechte zubilligt, sondern ihm auch die Möglichkeiten, diese Freiheit zu nutzen, eröffnen möchte. Aus diesem Verständnis von Liberalismus bin ich z.B. auch Anhänger des BGE (als Mittel zum Zweck, nicht als Ideologie) und der piratigen Positionen zur Drogenpolitik.
Ein weiteres Merkmal des piratigen Menschenbildes sind positive Annahmen über Menschen. Die meisten politischen Parteien haben ein negatives Menschenbild: sie denken, Menschen müssten kontrolliert, gesteuert, erzogen, überwacht, gezwungen werden, denn sie sind ja faul, bösartig, asozial etc. Die Piraten heben sich hier sehr positiv ab: Sie nehmen an, dass alle Menschen fähig und Willens sind, sich in die Gesellschaft einzubringen, Verantwortung zu übernehmen und etwas Positives zu bewirken.
Und nicht zuletzt streben die Piraten maximale Freiheit an, solange alle in dieser Freiheit leben können. Die maximale Freiheit ist auch die Grundlage für eine liberale Drogenpolitik und gegen Hartz IV (das nur mit Überwachung, Kontrolle, Repression und Zwang funktionieren kann).
Das Menschenbild der Piraten ist auch das meine. Ich kann mir beim besten Willen keine Mitarbeit in einer politischen Organisation vorstellen, die meint, Menschen sollten ihre Gestaltungsmöglichkeiten an Parteien oder sonstige Vertreter abgeben, die „besser wissen“, was gut für sie ist. Und die gleichzeitig den Menschen dergestalt misstrauen, dass sie diese permanent überwachen zu müssen glauben. Nein.
Die Gestaltung der Zukunft
Ich weiß, es klingt pathetisch, aber wir leben tatsächlich in einer Zeit, die mit der Zeit der Erfindung des Buchdrucks vergleichbar ist. Internet, Big Data, Industrie 4.0 etc. bieten sowohl fantastische neue Möglichkeiten als auch das Potential für alles erdrückende Kontrolle und Manipulation.
Die Frage ist, durch wen, für wen und wie diese Veränderung gestaltet wird. Zur Zeit werden durch die Industrie und die Regierungen Fakten geschaffen. Diese haben nämlich die Mittel und die Expertise, die Trends zu analysieren und in ihrem Sinne zu beeinflussen.
Wer vertritt hier die Interessen der Bürger? Die Datenschutzbeauftragten? Kaum. Die Bürgerrechtsorganisationen? CCC, Digital Courage und Co. tun zwar ihr Bestes, haben aber nur sehr begrenzten Einfluss. Wir brauchen politische Parteien, um die Interessen der Bevölkerung wahrzunehmen.
Fragen, die darüber mitentscheiden, ob wir eine dystopische Überwachungsgesellschaft oder eine freie Gesellschaft bekommen werden, werden von anderen Parteien als taktische Punkte, wenn nicht gar als Verhandlungsmasse betrachtet. Bestes Beispiel ist das Herumeiern der SPD in der Frage der Vorratsdatenspeicherung.
Ein weiteres Beispiel ist die Zukunft der Arbeit in einer Zeit massiv gesteigerter Produktivität. Keine andere Partei hat hier Antworten, die auch nur annähernd so gut sind, wie die der Piraten: Wertschätzung sinnvoller Tätigkeiten, auch wenn sie heute nicht vergütet werden, Teilhabe für alle, BGE.
Um die Zukunft gestalten zu können im Sinne der Menschen, braucht es eine Partei, für die die Themen rund um das Internet und die neuen Technologien und ihre Nutzbarmachung für die Menschen, nicht nur für Industrie und Staat, nicht wegverhandelbare Kernthemen (jetzt habe ich doch das Unwort benutzt) sind, und die auch Kompetenz und Glaubwürdigkeit auf diesem Gebiet hat.
Wie geht es für mich weiter?
Ich habe bei den Piraten viel gelernt. War ich am Anfang überoptimistisch und oft naiv, so habe ich im Laufe der Zeit erkannt, dass eine Partei in der Tat kein Freundeskreis ist, sondern ein Interessenverband.
Das hat durchaus zu einer gewissen Skepsis geführt. Aber auch dazu, dass ich ganz bewusst Dinge ausblende. Trolle auf Mailinglisten. Ex-Piraten, die sich nachtretend und für konkurrierende Parteien Werbung machend permanent an den Piraten abarbeiten. Die Empöreria und Verschwörungstheoretiker auf Mumble. Die Shitstorms auf Twitter. Und vieles andere mehr.
Aber das bedeutet nicht, dass ich frustriert oder negativ eingestellt bin – ganz im Gegenteil!
Für mich sind die Piraten das, was wir alle, jeder einzelne, daraus machen. Und genau so werde ich mich bei den Piraten einbringen.
Ich suche mir, auf unterschiedlichen Ebenen, Themen, die mir wichtig sind. Und Kreise und Gruppen, mit denen ich arbeiten kann. Mit anderen Worten: ich betrachte die Piratenpartei als Plattform, die ich nutzen kann, wo es mir sinnvoll erscheint, und wo ich andere davon überzeugen kann, dass meine Themen und Ideen Sinn machen. Als Plattform, bei der ich mich genau dort einbringe, wo ich meine Fähigkeiten einsetzen kann und auch Spaß daran habe.
Ich nutze Angebote, und ich mache Angebote. Nicht unähnlich der Open-Source-Bewegung und solchen Plattformen wie GitHub.
Lasst uns alle die Dinge nach vorne bringen und verbessern, wo immer wir es können, statt uns auf das zu konzentrieren, was irgendwo schlecht ist, und wir gewinnen – alle.