
Schloss Elmau | (C) Bundesregierung / Kugler

Beim G7-Gipfel wurde auch über Abwesende gesprochen. Jean-Claude Juncker warf dem griechischen Premier Alexis Tsipras Fehlinformationen vor, Kanzlerin Angela Merkel stellte am Sonntagnachmittag klar, dass Moskau sich mit der Annexion der Krim gegen gemeinsame Werte gestellt hatte. Zum Gipfel waren weder Tsipras noch Putin eingeladen, Merkels Botschaften wurden in Athen und Russland sicher gehört – ob sie etwas bewirken werden, bleibt fraglich. Kanzlerin Merkel und Präsident Obama hatten dagegen beim G7-Gipfel die großartige Chance, miteinander über die Spähaktivitäten der NSA in Deutschland zu sprechen. Doch dieses Thema stand nicht auf der Agenda der G7-Konferenz.
Immerhin deutete Kanzlerin Merkel eine Belastungsprobe im Verhältnis zwischen den USA und Deutschland an als sie sagte:
„Trotz mancher Meinungsverschiedenheiten, die wir heute haben, ist Amerika, sind die Vereinigten Staaten von Amerika unser Freund, unser Partner und ein so wesentlicher Partner, dass wir eng kooperieren, weil wir es im gegenseitigen Interesse brauchen, weil wir es wollen und weil wir gemeinsame Werte teilen.“
Vor zwei Jahren, als bekannt wurde, dass die NSA auch das Kanzlerhandy angezapft hat, äußerte sie sich auf dem EU-Gipfel in Brüssel kritischer:
„Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht“.
Heute scheint Merkel nicht nur ihre Meinung, sondern vollständig die Seite gewechselt haben. Sie schweigt nicht nur zur Spähaffäre, sondern will auch die Suchbegriffe (die sogenannten Selektoren) der NSA vor dem NSA-Untersuchungsausschuss und der Bevölkerung geheimhalten. Lieber spricht sie beim G7-Gipfel vom Freihandel. Dies geschieht aber ohne zu erwähnen, dass diese Gespräche keine Verhandlungen sind, da die amerikanische Seite dank ihrer Spionagetätigkeit die Strategien, die Verhandlungsspielräume und die „no goes“ der Europäer genau kennen dürfte. Schlimmer noch, denn es scheint, dass der BND die NSA dabei unterstützte, die Regierungsgeheimnisse nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus anderen EU-Staaten zu besorgen. Wie sie das den drei anderen europäischen Staatschefs beim G7-Treffen erklärte, bleibt ihr Geheimnis. Dass Großbritanniens Premierminister David Cameron unangenehme Fragen stellte, ist jedoch unwahrscheinlich, gehört sein Land doch zusammen mit den USA, Kanada, Australien und Neuseeland zu den „Five Eyes“, die nicht nur weitgehend frei von rechtlichen Hürden spionieren, sondern die gewonnenen Erkenntnisse auch untereinander austauschen. Dass der BND, nach allem was der NSA-Untersuchungsausschuss ermitteln konnte, nicht einmal davor zurückschreckte, in Paris Diplomaten und den Präsidentenpalast abzuhören, könnte ein Indiz dafür sein, dass Deutschland unter Merkel zu einem sechsten Auge wurde.
Die Aufrüstung Deutschlands um weitere Spionagefähigkeiten nach Innen und Außen ist das Gegenteil von dem, was wir Piraten als Idealbild vertreten. Wir formulieren nicht die Interessen Deutschlands oder Europas, sondern eine Außenpolitik, welche die Bedürfnisse aller Menschen im Blick hat. In unserem Grundsatzprogramm sagen wir Überwachung und Spionage entschieden den Kampf an. Die Überwachung von Kommunikationsdaten widerspricht aus unserer Sicht der Unschuldsvermutung und konterkariert alle Prinzipien unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft. Bei einer Sache sind wir damit dann doch ganz bei Frau Merkel: „Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht“.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.