
Nazi sein ..... | CC BY 4.0 Maja Tiegs

In der Nacht auf den 16. Juni wurde das Wahlkreisbüro der Piratenpartei in Dortmund Ziel eines Anschlages. Das Büro wird betrieben von den drei
Landtagsabgeordneten Thorsten Sommer, Birgit Rydlewski und Hanns-Jörg Rohwedder sowie dem Kreisverband Dortmund. Die Schaufenster des Büros wurden beschossen, zwei Einschusslöcher blieben zurück, Zeugen sahen einen Mann flüchten.
Ein Bekennerschreiben, das per Mail beim Blog ‚Ruhrbarone‘ und auch bei Piraten einging, nimmt Bezug auf verschiedene vorangegangene Drohungen gegen Politiker und Journalisten und droht den antifaschistisch engagierten Menschen mit dem Tode.
Der Anschlag auf das Parteibüro ist nur ein weiterer Höhepunkt in einer langen Reihe von rechtsextremistischen Taten. Zu Recht gilt Dortmund als Nazihochburg im Westen. Zwar schaffen die Rechtsextremisten es dort nicht, größere Menschengruppen zu mobilisieren, wie etwa Pegida oder Legida in Sachsen, dafür machen sie durch außerordentliche Aggressivität und Methoden, die an die 1930er und 1940er Jahre erinnern, auf sich aufmerksam.
Eine unvollständige Chronik rechtsextremer Taten in Dortmund lässt erahnen, welches Gewaltpotenzial die radikale rechte Szene in Dortmund birgt:
- 2005: der Punk ‚Schmuddel‘ wird von einem Rechtsextremen erstochen.
- 2006: Mehmet Kubaşık wird in der Dortmunder Nordstadt von der Terrorzelle NSU ermordet, bis heute wird vermutet, dass es Helfer aus Dortmund gab.
- 2009: Eine Familie, die sich antifaschistisch engagiert, wird mit Drohungen aus der Stadt vertrieben.
- 2012: Die Kameradschaft ‚Nationaler Widerstand Dortmund‘ wird verboten. Kurz darauf wird der Landesverband NRW der Partei ‚Die Rechte‘ von den Anführern des
NWDO gegründet. Sie hetzen im Schutz ihrer Rechte als Partei. - 2013: Bei einem der jährlich stattfindenden Naziaufmärsche werden aus der Demo heraus selbstgebastelte Böller auf antifaschistische Gegendemostranten geworfen. 5 Menschen, darunter 3 Piraten, werden verletzt.
- Mai 2014: „Die Rechte“ zieht mit einem Sitz in den Dortmunder Stadtrat ein. Am Wahlabend wollen ca. 20 aggressive Nazis die Wahlparty im Rathaus stürmen.
Anwesende Politiker und Gäste stellen sich ihnen entgegen. Bei der stattfindenden Auseinandersetzung wird die frischgebackene Ratspiratin Nadja Reigl mehrfach von einem Nazi ins Gesicht geschlagen, Christian Gebel, ebenfalls neuer Ratsherr und damals noch stellvertretender Landesvorsitzender in NRW, wird von einer Glasflasche getroffen und landet mit einer Platzwunde in der Notaufnahme. - Dezember 2014: „Die Rechte“ macht seit einigen Jahren ‚Weihnachtsbesuche‘ und hält Kundgebungen in der Nähe der Wohnungen von antifaschistisch engagierten
PolitkerInnen ab. Dieses Mal macht sie vor allem durch Schmähgesänge über Anne Frank und das NSU-Opfer Mehmet Kubaşık von sich reden. - Januar 2015: Das Wohnhaus eines engagierten Piraten wird mit Hakenkreuzen beschmiert. Er sowie einige Journalisten erhalten außerdem Drohungen in
Form von gefälschten Todesanzeigen. - Februar 2015: In Dortmund-Eving ziehen nachts Nazis von „Die Rechte“ vor eine Geflüchtetenunterkunft. Sie tragen Fackeln bei sich und werfen Böller. Berichte
sprechen von verängstigten Flüchtlingskindern, die denken, sie seien wieder
im Krieg. - Seit Anfang 2015: Wöchentliche Kundgebungen von „Die Rechte“ in der Nähe von Dortmunder Geflüchtetenunterkünften.
- März 2015: „Die Rechte“ ‚feiert‘ den zehnten Todesstag des Punkers Schmuddel mit einer Demonstration und einem Rechtsrockkonzert.
- Mai 2015: Die evangelische Kirche berichtet, dass sich in Dortmund eine Familie von Asylsuchenden im Kirchenasyl befindet. „Die Rechte“ ruft daraufhin im Internet per Steckbrief, auf die Familie ausfindig zu machen und ihnen zu melden.
- 09.06.2015: „Die Rechte“ versucht ein Protestcamp von syrischen Gefüchteten anzugreifen. Unter anderem wird der Ratsherr Michael Brück festgenommen.
- 15. Juni 2015: „Die Rechte“ demonstriert gegen das Protestcamp.
- 16. Juni 2015: Schüsse auf das Parteibüro.
- 16. Juni 2015: „Die Rechte“ demonstriert gegen das Protestcamp und greift unter anderem Polizisten an.
Diese Chronik zeigt nur einen Teilausschnitt der täglichen Drohungen in
Dortmund.
Mit ihren Aktionen bewegen sich die Nazis von „Die Rechte“ oft am Rande der Legalität. Auf der anderen Seite kann man leicht den Eindruck bekommen, dass die Staatsanwaltschaft gar kein Interesse daran habe, die Delikte zu ahnden. Verfahren, die wegen Schmähungen gegen Anne Frank oder „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“-Rufen angestrengt werden,
werden meistens eingestellt. Und auch der Aufruf zur ‚Jagd‘ auf die Familie im Kirchenasyl wurde ‚wegen mangelnder strafrechtlicher Relevanz‘ nicht weiter verfolgt.
All dies führt bei den aktiven Antifaschisten zu Frust und einem tiefen Misstrauen gegen Polizei und Staatsanwaltschaft, welchen vorgeworfen wird, nichts gegen die Rechten tun zu wollen.
Selbst im Stadtrat fiel der nach zwei Rücktritten nachgerückte Michael Brück durch „Deutschland den Deutschen„-Rufe auf – ohne Konsequenzen.
Das nach dem Angriff auf das Büro eingegangene Bekennerschreiben weist nun durch die Selbstbezeichnung des anonymen Absenders auf den verbotenen „NWDO“ hin. Da dessen Akteure heute bei „Die Rechte“ aktiv sind, weist auch diese Tat wieder auf den Dunstkreis der Nazipartei hin.
Und auch durch offene Drohungen und permanentes Mobbing befinden sich Menschen, die sich gegen Rechts engagieren, in einer ständig angespannten Situation. Nazis drohen auf Twitter und auf ihrem Propagandamedium ‚Dortmund Echo‘. Die Piraten kriegen während Parteiveranstaltungen in der Geschäftsstelle bisweilen mehrfache Besuche von Lieferservices, bei denen sie nicht bestellt haben. Menschen werden mit ihren öffentlichen Emailadressen massenhaft bei Newslettern angemeldet. Sie erhalten massenhaft Werbekataloge, die sie nicht bestellt haben. Klingt harmlos, aber macht auf Dauer mürbe.
Der Anschlag war ein Angriff auf alle Piraten und auf unsere antifaschistische Haltung. Und er macht eines klar: Nazis sind nicht nur eine Mär, sie sind eine reale Bedrohung.
Insofern haben die Dortmunder Piraten und alle Antifaschisten, die sich in Dortmund jeden Tag gegen Rechts engagieren, die größte Hochachtung verdient, weil sie sich trotz all der großen und kleinen Drohungen nicht entmutigen lassen.
Die Werte der Piratenpartei gebieten es, sich hinter sie zu stellen und mit ihnen solidarisch zu sein.