
Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe | <a href="https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/">CC BY 2.0</a> <a href="Jhttps://www.flickr.com/photos/johannesbader/">ohannes Bader</a>

Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe Gerda Hasselfeldt, der Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments Elmar Brok und Bundestagspräsident Norbert Lammert sind politische Schwergewichte der CDU/CSU. In die Schlagzeilen gerieten sie mit scharfer Kritik an den Richtern des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. Wir fragten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger nach ihrer Einschätzung.
Flaschenpost: Was verbinden Sie mit dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe?
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Das Bundesverfassungsgericht verteidigt mit seiner Rechtsprechung die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger seit Jahrzehnten. Informationelle Selbstbestimmung, sog. Computer Grundrecht, verstärkter Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung und Kippen der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung sind nur einige wichtige Beispiele. Die Bürgerinnen und Bürger brauchen ein starkes Bundesverfassungsgericht.
Flaschenpost: Aus Kreisen von CDU und CSU wurden die Verfassungsrichter schon oft kritisiert. Jetzt wurden Forderungen laut, die Kompetenzen des Bundesverfassungsgerichts zu beschneiden. Sind solche Forderungen ernst zu nehmen?
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Es hat immer wieder Kritik, auch von Politikern, an Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gegeben. Das ist legitim und gehört zu einer Demokratie. Aber die Kompetenzen gesetzgeberisch zu beschränken, ist inakzeptabel und wird hoffentlich auch von einer großen Koalition nicht durchgezogen.
Flaschenpost: Gehört die Kritik an Karlsruher Entscheidungen also nur zur politischen Folklore?
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Kritik an Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ist teils politisch motiviert, weil eine Entscheidung nicht gefällt, teils substantiell, weil es wie zum Beispiel beim Kopftuch oder früher bei Abtreibung und eingetragener Partnerschaft grundsätzlich unterschiedliche gesellschaftliche Meinungen dazu gibt. Wichtig ist, dass die Richter sich davon nicht beeinflussen lassen. Und das tun sie auch nicht.
Flaschenpost: Welche Möglichkeiten hat der Bundestag, die Kompetenzen der Verfassungsrichter zu beschneiden?
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Theoretisch könnten die Kompetenzen gesetzlich beschnitten werden, man könnte die Mehrheitsentscheidungen anders ausgestalten, also immer eine 2/3 Mehrheit fordern und dann eher mehr ablehnende Entscheidungen haben, man kann den Zugang zum Bundesverfassungsgericht durch hohe Gebühren beschränken und und und.
Meine Haltung ist ganz klar: Das Bundesverfassungsgericht ist von herausragender Bedeutung und darf deshalb nicht geschwächt werden. Punkt.
Flaschenpost: Sie waren 2010 dabei, als das Bundesverfassungsgericht das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung von 2007 für verfassungswidrig und nichtig erklärte. Haben Sie Pläne, in Karlsruhe gegen das neue Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung zu klagen?
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Zuerst muss das Gesetzgebungsverfahren mit den Beratungen im Bundestag und mit Expertenanhörungen abgeschlossen werden. Die Sachlage ist heute anders als beim Gesetz zur VDS aus dem Jahr 2007, denn es sind einige Kritikpunkte aufgegriffen worden. Wenn es eine Chance zur Korrektur mit einer Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht gibt, dann wird sie von uns, Burkhard Hirsch, Gerhart Baum und mir und vielen anderen Persönlichkeiten wie Christian Lindner ergriffen werden. Es ist auch zu beachten, dass der EuGH die anlasslose Vorratsdatenspeicherung ganz grundsätzlich kritisiert hat, nicht nur ihre Ausgestaltung.
Flaschenpost: Eine letzte Frage zu ihrer persönlichen Zukunftsplanung: Werden Sie 2017 wieder für den Bundestag kandidieren?
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Das habe ich nicht vor.
Flaschenpost: Ich persönlich hatte auf eine andere Antwort gehofft. Frau Leutheusser-Schnarrenberger, vielen Dank dafür dass sie sich Zeit für unsere Fragen genommen haben.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.