Der Vorwurf des Landesverrats gegen Markus Beckedahl und Andre Meister ist absurd. Die zwei Journalisten von netzpolitik.org sind seit Jahren als kritische Berichterstatter in Sachen Datenschutz, Urheberrecht, Überwachung und der Arbeit der Geheimdienste im Netz bekannt. Viele Journalisten, auch die Redakteure der Flaschenpost, suchen bei Recherchen zu diesen Themen zuerst auf netzpolitik.org nach Informationen. Aus dem NSA-Untersuchungsausschuss berichteten sie Details aus nichtöffentlichen Sitzungen, im Februar und April machten sie die als Geheimsache eingestuften Pläne des Verfassungsschutzes zum Ausbau der Überwachung im Internet öffentlich. Aus dem Kanzleramt und dem Innenministerium wurde in der Vergangenheit schon häufig mit Konsequenzen deswegen gedroht. Bisher beschränkten sich die Ermittlungen jedoch auf die Informanten, nicht auf die Presse.
Dass es über das Wochenende weitere Überraschungen in dieser Sache geben wird, wird erwartet, denn die für den Freitag geplante Bundespressekonferenz wurde abgesagt, der nächste Termin ist am Montag, den 03.08. Die von Range (FDP) angekündigte Aussetzung der Ermittlungen wird die Bundespressekonferenz für Regierungssprecher Seibert und die Sprecher der Ministerien sicher nicht angenehmer machen. Die geplanten Demonstrationen (u.a. in Berlin, Köln und München) für die Pressefreiheit finden trotz des Rückziehers von Herrn Range statt, verschiedene Organisationen wie der „Deutsche Journalistenverband“ und „Reporter ohne Grenzen“ zeigten sich solidarisch. Wenig Verständnis für Kritik an den Ermittlungen zeigten dagegen Kristina Schröder (CDU) als die twitterte „Wer will, dass gg. Journalisten wg. Landesverrat nicht ermittelt werden darf, sollte dafür Mehrheit Parlament suchen statt Justiz beschimpfen„. Auch Jens Koeppen (CDU) machte deutlich, dass die Pressefreiheit für ihn nur eingeschränkt gilt „Wenn etwas als „Verschlusssache – vertraulich“ eingestuft wird, dann gilt das auch für Journalisten und die, die es gerne sein wollen…„. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sprach dagegen von „Einschüchterung“. Auch Doro Bär, Frontfrau der CSU für alles Digitale, übte deutliche Kritik.
Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass Ermittlungen gegen kritische Journalisten aufgenommen wurden, ohne, dass das Kanzleramt diese abnickte. Es besteht der Verdacht, dass Kanzleramt und Verfassungsschutz den Generalbundesanwalt vorschickten um Journalisten Grenzen aufzuzeigen. Möglicherweise war der Aufschrei dagegen lauter als erwartet. Möglich ist auch, dass das Verfahren gegen Beckendahl und Meister ohnehin nicht bis zum Ende gebracht werden sollte, um sich die Blamage eines politischen Prozesses zu ersparen. Fakt ist aber auch: Der Überwachungsstaat lässt die Maske fallen. Es tut sich ein Abgrund auf, der im Jahr Zwei nach Snowden zeigt, wie tief auch deutsche Behörden in die NSA-Überwachung verstrickt sind. Bei Licht betrachtet wird deutlich, dass das Land seit den ersten Veröffentlichungen des amerikanischen Whistleblower in einer tiefen Staatsaffäre steckt. Mit einzelnen Rücktritten wird dieser Skandal nicht aus der Welt geschafft. Frau Merkel jedenfalls hüllt sich bisher in Schweigen.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.