Ich will nicht in diesen Topf! Ich bin Politikerin. Ich bin es in Bayern! Und ich will nicht in den Topf von Politikern aus Bayern, die „bis zur letzten Patrone“ gegen Zuwanderung kämpfen, Verzeihung: „Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme“ und somit das immer gleiche, nie wahre Märchen schwafeln.
Oder Politiker, die die Bezeichnung „Vertriebene“ für aktuelle Flüchtlinge als Beleidigung auffassen und doch das „N“-Wort verwenden.
Ich war drei Tage nun am Münchner Hauptbahnhof, wollte mir ein Bild machen, schauen, was gebraucht wird. Was ich sah, fühlte und hörte, habe ich dann getwittert, die Aufmerksamkeit für diese Tweets hat mich sehr überrascht, ich bin an beiden Tagen nicht mehr in der Lage gewesen, meine Mentions nachzulesen.
Denn das Thema ist den Menschen wichtig. Und es ist ihnen anders wichtig, als uns die rechtskonservativen Regierungspolitiker weißmachen wollen.
Der erste Tag
Am Tag eins hatte ich Sorge, die Flüchtlinge würden von Nazis „begrüßt“ werden, was allein schon ein Grund für mich war, mich auf den Weg zum Bahnhof zu machen. Als der erste Zug ankam und entgegen der ersten Meldungen aus Rosenheim doch Flüchtlinge in München ankamen, fing ganz langsam „das Wunder von München“ an, zu wirken.
Ein Polizist meinte zu mir, sie hätten genügend Wasser, aber Spielzeug für die Kinder, vor allem jetzt für die Wartezeit wäre schön, sie selbst hätten Luftballons von einem Fast Food Hersteller besorgt. Also twitterte ich genau das. Überhaupt ging wohl viel der Kommunikation und Organisation rund um die Versorgung der Flüchtlinge über Twitter und Facebook.
Es war so vieles so anders auf einmal in München. Generell waren hier wenig Nazis zu sehen und wenn sie mal da waren, waren die Münchner so empört, dass sie die Polizei sofort auf sie aufmerksam machten oder die Polizei sie sofort sah und Platzverweise oder was auch immer verteilte. Ein stadtbekannter Rechtspopulist, der anfing zu filmen, war nach einem Gespräch mit der Polizei jedenfalls nicht mehr zu sehen.
Auch das gehört für mich zum Wunder von München:
Bürger, die so dermaßen keinen Bock auf Nazis haben, dass sie nicht mal die kleinste Ansammlung oder Provokation von ihnen bereit waren zu dulden und sofort handelten.
Vielleicht stand ich auch immer nur an den falschen bzw. richtigen Ecken, aber ich konnte von Nazis nicht viel wahrnehmen. Ich sah stattdessen so viel Schönes, so viel Bewegendes. Am ersten Abend schon ließ ein Pizzabäcker seine Öfen glühen. Er buck eine irre Anzahl an Pizzen und verpackte die Stücke einzeln. Wir holten zwei große Kisten bei ihm ab. Er will seine Aktion nicht als Promo-Aktion verstanden wissen, deswegen nenne ich seinen Namen nicht.
Der zweite Tag
Am Tag zwei nahm das Wunder dann rasant an Fahrt auf, die Spenden kamen sogar palettenweise. Einmal wurde ich staunend gefragt: „Und das zahlt alles die Stadt?“ Auf meine Antwort: „Nein, das sind alles Privatspenden“, folgte noch größeres Staunen. Viele Einzelhändler, große und kleine brachten Massen an Dingen.
Was ich auch viel sah, waren Mütter. Mütter, die mit ihren Kindern Spenden brachten. Diese Frauen hatten sich in die Lage der Mütter und Frauen versetzt und genau überlegt, was eine Frau nach langer Flucht für sich und ihre Kinder und Babys brauchen könnte. Und so geschah es, dass nach recht kurzer Zeit plötzlich von allem zu viel da war. Auch zu einem Zeitpunkt als München noch von Flüchtlingen erreicht werden konnte.
Ich hab es ein schönes Problem genannt. Denn klar ist es ein Problem, wenn Massen an Lebensmitteln und Hygieneartikeln vor Sonne, Regen und Ungeziefer geschützt werden müssen.
Aber genauso klar ist doch, es ist schön. Schön, dass die Münchner so verdammt viel Herz haben, dass Massen an Spenden plötzlich ein (logistisches) Problem darstellen.
Vor allem ein Problem, weil es nach wie vor ehrenamtliche Bürger waren, die sich um diese Organisation kümmerten. Aber ansonsten: Polizisten haben genauso wie wir Wasser geschleppt und mit den Kindern gespielt.
Ich las, wenn auch nur sehr selten, was davon, dass deutsche Obdachlose und Harz4 -Empfänger sich so eine Solidarität auch wünschen würden und bei denen diese Spendenflut vielleicht seltsam ankäme. Ja, möglich, dass sie verletzt sind, dass durch die Jahrzehnte an „Hartz4-Kultur“ in diesem Land und die damit verbundene Entsolidarisierung, sie aktuell nicht so eine Solidarität erfahren, wie ihnen gebühren würde. Möglich auch, dass in ihnen die Hoffnung keimt, dass die Gesellschaft sich nun wieder ändern könnte und allgemein wieder ein mehr an „Füreinander -Dasein“ entsteht. Möglich auch, dass das Thema „Dinge für Flüchtlinge tun“, nichts mit Obdachlosen und Hartz4-Empfängern zu tun hat.
Ich glaube, man muss sich freuen, wenn Hilfe erfolgt. Und sie erfolgt oft recht wellenartig. Manchmal zeigt sich dann, was einer Gesellschaft wirklich wichtig ist.
Die Abwesenheit von Hilfe bemängeln, klappt meist nicht, um welche zu erzeugen.
Das Gegenteil, also die Konzentration auf das, was funktioniert, scheint es dagegen zu schaffen.
Wenn einmal Hilfe/Solidarität angeschuppst wurde, läuft sie wohl auch. München hat schon in Sachen Pegida sehr deutlich gezeigt, was es davon hält. Die Menschen sind zu Tausenden auf die Straßen gegen Pegida gegangen.
Der dritte Tag
München hätte die Flüchtlinge gern willkommen geheißen, aber sie kamen nicht mehr an. Heute am Tag drei waren es kaum noch welche. Der Strom der Hilfsbereitschaft war immer noch da. Immer noch kamen Menschen, die ihre Hilfe anboten und Spenden brachten. Sie mussten abgewiesen werden, es gibt an Sachspenden immer noch zu viel von fast allem (außer Socken und Unterwäsche für Herren in kleinen Größen, höre ich gerade im Radio) und die Helfer vor Ort waren auch genug, die Polizei ließ auch nicht mehr viel Menschen durch und wie gesagt, die Geflüchteten schaffen es nicht mehr nach München. „Dank“ der nationalen und internationalen Politik hängen sie fest. Und leiden. Und sterben.
Von ein paar der Geflüchteten sah ich heute Fotos und einen kleinen Teil ihrer Geschichte in den Zeitungen. Und mir stehen die Tränen in den Augen. Die Flüchtlinge hatten zum Teil Probleme, die Spenden anzunehmen. So viele hatten schlechte Erfahrungen auf der Flucht gemacht. Ausgeraubt und misshandelt von Bürgern und Staatsorganen anderer Länder schlug ihnen hier eine andere Welle entgegen.
Je länger, auch die Kinder, Zeit mit uns verbringen konnten, um so entspannter wurden sie. Dennoch, viele trauten sich nicht von den Spenden, was von sich aus, etwas zu nehmen, von sich aus, zu fragen. Einen sprach ich an, was er brauchen könnte. Er hat sich fünfmal bei mir entschuldigt, dass er eine Bitte äußern würde, wo doch so viel für ihn getan würde, dann sagte er: Ein T-Shirt. Er hätte nur das, was er trug und es sei so doch heiß.
Einer fragte mich, was er bezahlen sollte, und war fassungslos, als ich ihm sagte: nichts.
Ein älterer Syrer kam auf mich zu und bat, ob ich ihn eine Telefonnummer in Deutschland anrufen lassen könne. Natürlich konnte er. Irgendwann rief dieser Kontakt nochmal an und ich hatte Sorge, ihn nicht wiederzufinden, doch ich fand ihn. Und er und ein junger Mann hinter ihm strahlten mich an. Ich hoffe, ihnen geht es gut und denke oft an ihn.
Ein anderer kam und bat mich, ob ich ihm eine SIM Karte (von seinem Geld) kaufen könnte. Leider ist es in Deutschland mit dem puren Kauf ja nicht getan 🙁
Am ersten Abend versuchte Thomas Mayer, Piraten KV Vorsitzender von München den Internet Mangel auszugleichen, indem er einen mobilen Hotspot errichtete und ihn Refugees Welcome nannte. Per Twitter gelang dann gestern die Freifunk- Lösung. Die Freifunker München durften beim Kindermuseum München (das sowieso ganz phantastisch war in diesen Tagen!!) , bei RadiusTours, Yormas und einer privaten Nachbarin ihre Router anbringen.
Vieles von dem, was in München getan wurde, war nicht nötig. Nicht nötig im Sinne von Nahrung für den Körper. Wasser gab es jederzeit. Für Essen war meines Wissens nur privat gesorgt worden. Aber auch diese erste Zeit bis zur Erstunterkunft hätten die Geflüchteten wohl noch ohne überlebt. Doch es geht eben nicht – und gerade bei traumatisierten Menschen – nur um den Körper. München hat sich hingestellt und an fast alles gedacht:
Irgendwann wurde sogar plötzlich ein ganzer Kühlschrank gebracht. Als es regnete waren zig Regenschirme und Überwürfe da. Als es noch heiß war, war Sonnencreme reichlich da.
Auf einmal gab es auch warmes Essen, warmen Tee. Das Kindermuseum München brachte Kaffee.
Ich weiß nicht, was das staatliche Prozedere ist, wie und ob Flüchtlingsbabys mit Windeln etc. versorgt werden. In diesen Tagen war privat für alles gesorgt worden. Doch eines der wichtigsten Dinge an diesem Tag, die gebracht wurden, waren die Gesten. Die Aussagen, die die Münchner verbal und nonverbal damit zum Ausdruck brachten. Sie sorgten für das leibliche Wohl. Und damit für die Psychen der Geflüchteten. Es gab Willkommensschildchen und es gab Worte, welche so häufig in diesen drei Tagen und von so vielen gesagt wurden: „Welcome“ „You are welcome“. Mit einem Lächeln auf der einen Seite und teilweise Tränen auf der Anderen.
Das eiskalte Verhalten der bayrischen Sozialministerin zur fast selben Zeit muss ein Schlag ins Gesicht für die Münchner Bürger gewesen sein. Womit erreicht man wohl mehr Integration und Identifikation mit dem Gastland, mit Ablehnung, Ausgrenzung, Entwürdigung oder mit einem echten Willkommen?
Wie reagiert ein Mensch wohl auf und in Deutschland, wenn er bei seiner Ankunft mit freundlicher Wärme empfangen wird und wie reagiert dieser Mensch wohl, wenn er mit „Sie wissen aber, dass sie zurück müssen?“ begrüßt wird?
Ein Bild hat sich wohl für ewig in mein Herz gefräst: Ich sah lachende Kinder, die mit dem gespendeten Spielzeug einige kurze unbeschwerte Momente erlebten und gleichzeitig weinende Männer. Ich kenne ihre Geschichten nicht. Nicht das Grauen, was sie erlebten und nicht was vor ihnen liegt.
Ich habe diese Zeilen unterbrochen, um Nachrichten zu schauen. Und ich sah die Flüchtlinge, die hier nach München von Budapest aus wollten. Und unter Tränen, derer ich mich nicht schäme, muss ich daran denken, dass so viel gespendet wurde und so viel Helfer da waren, um sie hier willkommen zu heißen. Und ich denke an die Menschen, mit denen ich heute sprach, Münchner, die sich zum Teil heute frei nahmen, um helfen zu können und dann feststellen mussten, dass die Flüchtlinge München nicht mehr erreichen können.
Wir hätten es geschafft, sie zu versorgen. Man muss es wollen und dieses Wollen auch pragmatisch wie gerade eben in München oder verbal äußern.
Aber die Politik will nicht. Sie will es seit Jahren nicht. Die Menschen in Budapest werden sich nicht auflösen. Was bildet Ihr Euch da eigentlich ein?
Und Ihr, die Ihr für verschlossene Grenzen, Türen und Herzen sorgt: Ihr habt sie auf dem Gewissen. Für jeden Toten, für jeden traumatisierten Menschen, tragt Ihr die Verantwortung und die Schuld. Mögt Ihr Euch auch in der Masse der internationalen Politik verstecken.: Ihr tragt die Schuld. Jeder Einzelne von Euch ist Schuld von Euch am Leid jedes Einzelnen!
Guter Artikel.
Der letzte Absatz macht ihn jedoch kaputt.
Was bleibt alles Arschlöcher die absichtlich Menschen verrecken lassen.
eine frage kann ich dir beantworten, im namen und auftrag von hartzern und obdachlosen. ja sie haben sehr genau zu gesehen, nicht einmal mit neid.
aber sie habwen begriffen wie unendlich weit weg sie abgehangen sind. bisher ignoriert an den rand gedrängt zu werden tat weh, aber zu erleben zu was ein land fähig ist, was es kann wenn es WILL, das wird blieben.
Bitte finden Zeit und lesen: „Langfristige Strategie zur Überwindung des koranischen Islams durch die Drahtzieher des biblischen Projekts“
Das ist alles was jeder muss wissen ueber so genante „Fleutchlinge“.
[Anmerkung der Redaktion: Der Link wurde gelöscht, wir verbreiten keine antisemitischen Hetze – unabhängig davon ob sie sich auf russischen oder anderen Domains befindet. Wir bitten Sie in Zukunft solche Kommentare zu unterlassen.]
Wenn ich das so lese dann haben Kriege und Vertreibung doch auch eine gute Seite für die, für die es nicht um Geld, Macht und Kontrolle geht! Freuen wir uns schon jetzt auf zukünftige Events von Menschen aus der Ukraine, vielleicht klappt es ja auch noch mit dem Iran oder sogar noch bei einigen europäischen Ländern, damit wir zeigen können wie gut und Gastfreundlich wir doch sind. Im Gegenzug bedankt sich dann der ein oder andere der schon immer hier lebenden ebenfalls mit einer Flucht. So blauäugig kann politische Arbeit sein.
Es ist tatsächlich so, dass wir Zeuge der Zeitgeschichte werden. Ob die Einwanderung aus dem Nahen Osten später grösser oder kleiner als der Prager Frühling (1968) oder der Aufstand in Ungarn (1956) erscheint wird in einer, vielleicht auch erst in zwei Generationen deutlich. Klar ist aber: Der nahezu flächendeckende Krieg in Syrien, Libyen und anderen arabischen Ländern hat auch Auswirkungen auf Europa. Nachdem Europa lange versuchte genau das zu verhindern begreift man nun die Notwendigkeit zur Hilfe und die Chance die darin steckt, dass viele Flüchtlinge ihr Wunschziel erreichen. Das lässt hoffen, dass die Geschichtsbücher spätererer Generationen die Einwanderung, deren Zeuge wir gerade werden, in einem positiven Licht sehen werden.
Persönlich hege ich die Hoffnung, dass möglichst vielen Menshcen endlich klar wird, dass uns das Mittelmeer mit Afrika und dem Nahen Osten verbindet – es trennt uns nicht davon!
Was will er (Michael Renner) uns damit sagen? Abwarten und Tee trinken? Es wird schon alles gut werden?
Heißt das, wenn die Strategen dieser Welt die Welt erst einmal anständig durcheinandergerührt haben, wird die Welt schon auch irgendwann mal wieder zur Ruhe kommen – und in ein, zwei Generationen werden wir uns dann an dem erreichten Ergebnis auch erfreuen können? Hier scheint ja jemand einen tiefen unerschütterlichen Glauben in die Strategen dieser Welt und ihre Strategien zu haben. Ich wüsste jedenfalls gerne einmal mehr über die verschiedenen Meinungen und Standpunkte innerhalb der Piratenpartei zu den verschiedenen Konflikten in der Welt. Indes, ich finde keine Meinungen. Außenpolitisches findet bei den Piraten scheinbar kaum statt. Zumindest nicht auf diesen Seiten. Ich stelle mir immer nur die Frage warum das so ist. Aber auch darauf bekomme ich keine Antwort.
Meine liebe Redaktion, sie sind einfach nicht sehr klug.
Wie und wo haben ihr in “Langfristige Strategie zur Überwindung des koranischen Islams durch die Drahtzieher des biblischen Projekts” solche ding als „antisemitismus“ gefunden?
Ach, ja – ich weiss: wenn Deutcher liest etwas was ist nicht GENUG LIBERALISTISCH, er macht Hosen volle Angst. Und dann laeuft ein Reflex – „vielleicht das ist etwas gegen Juden, oh mein Gott, aaaah, Hilfe, ich bin kein Nacis – ich kan nicht das lesen!!!“
Arme Leute. Ihre Kinder werden arabische Sprache lernen, glaubt mir.
Wie, liebe Autorin,
wäre es denn, Sie würden Deutsch können und richtig schreiben? Und wie wäre es, wenn die Redaktion darauf achtete?
Wer die Grammatik selbst nicht ausreichend beherrscht, der sollte besser schweigen.
[Anmerkung der Redaktion: Der Kommentar wurde gelöscht. Wir lassen keine Beschimpfung oder Verunglimpfung unserer Redaktionsmitglieder und unserer Gastautoren zu. Leider besteht der Grossteil deiner Kommentare aus bösartigen Angriffen, Unterstellungen oder „Andeutungen“, das Thema der Artikel selbst scheint dich weniger zu interessieren. Ich bitte dich in zukünftigen Kommentaren näher am Thema zu bleiben und vor allem auf Schmähungen anderer zu verzichten. Andernfalls wirst du zukünftig vom Kommentieren ausgeschlossen. Michael Renner, Chefredakteur der Flaschenpost]