Neun Jahre gibt es uns Piraten nun schon als Partei. Statt zurück, wollen wir an diesem Tag nach vorne schauen. Und fragten Stefan Körner.
Flaschenpost: Politik wird in Deutschland in den Parlamenten gemacht. Wenn wir die Politik in unserem Land ernsthaft mitgestalten wollen, müssen wir also weiter dafür kämpfen, Wahlen zu gewinnen und Parlamentssitze zu erringen. Die nächste große Chance dazu sind neben den Kommunalwahlen die kommenden Landtagswahlkämpfe in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Berlin und dann natürlich auch die Bundestagswahl im Herbst 2017. Bei diesen Wahlkämpfen können wir zeigen, ob es uns gelingt, Menschen davon zu überzeugen, dass wir in den Parlamenten gebraucht werden.
Stefan Körner: Wir haben meiner Meinung nach derzeit zwei grundsätzliche Probleme. Zum einen kommen wir in der bundesweiten Berichterstattung der großen Medien praktisch nicht mehr vor. Das hat zur Folge, dass außerhalb unserer eigenen Filterblase die Menschen inzwischen zum Teil überrascht reagieren, wenn sie hören, dass es uns noch gibt. Und zum anderen haben viele Wähler noch immer kein klares Profil vor Augen, wenn sie an die Piraten denken. Wenn man Leute fragt, für was die anderen Parteien stehen, dann kommt da bei der SPD vielleicht was in der Art, das sind die mit den sozialen Themen und bei den Grünen denken die Menschen an den Umweltschutz. Wenn man sie aber fragt, wofür die Piraten stehen, kommen eher ratlose Gesichter.
Flaschenpost: Piraten sind also nicht mehr interessant für die Medien und deswegen weiß keiner etwas mit uns anzufangen?
Im Grund ja. Und eigentlich lassen sich beide Probleme gemeinsam lösen. Wir haben nur ein sehr kleines Aufmerksamkeitsfenster. Eigentlich ist das gut mit einem Schaufenster zu vergleichen. In einem Laden gibt es bestimmt tolle Produkte und eine große Auswahl. Da ist für jeden etwas dabei und trotzdem stellt man ins Schaufenster nicht einfach das Lager, mit allem, was man hat, sondern präsentiert dort ein paar Produkte um die Aufmerksamkeit zu wecken. Ein Schaufenster muss ansprechend sein, nicht zu überladen, das Auge muss zwei bis drei Blickfänge haben, um die Aufmerksamkeit des Passanten zu erwecken. Wir Piraten haben ein solches Schaufenster: Unsere Wahlkämpfe und unsere Öffentlichkeitsarbeit. Wenn es uns gelingt, in dieses Schaufenster die Themen zu legen, die uns ein unterscheidbares Profil geben, haben wir eine Chance, dass die Wähler näher treten und sich anschauen, was wir sonst noch haben.
Flaschenpost: Welche Themen sollen wir in unser Schaufenster legen?
Die Piraten wurden genau vor neun Jahren gegründet. Damals stand in heise.de zu lesen, dass damit eine Partei für die digitalen Themen entstanden ist. Eine Partei, die die Herausforderungen und Schwierigkeiten, aber auch die Chancen der Digitalisierung erkannt hat und kompetente Lösungen für die Welt von Morgen liefern wird.
Wir haben vor ein paar Monaten eine Umfrage unter allen Mitgliedern der Piratenpartei gemacht um zu erfahren, welche Themen unsere Mitglieder im Zentrum der kommenden Wahlkämpfe sehen möchten. Und es ist keine Überraschung: Unsere Mitglieder sind noch immer der Meinung, dass es der Digitale Wandel ist, mit dem wir die Wähler von uns überzeugen sollen. Es gab drei Themenkomplexe, die jeweils mehr als 90% Zustimmung erhielten: „Privatsphäre und Datenschutz“, „Transparenz und Zugang zu Informationen“ und „Demokratie und Bürgerbeteiligung“ sind die Themen, die unsere Mitglieder als allererstes im Wahlkampf sehen wollen.
Flaschenpost: Was ist mit all den anderen Themen, die in Wahlkämpfen eine Rolle spielen?
Stafan Körner: Es gab schon vor Jahren eine ähnliche Umfrage unter unseren Mitgliedern. Damals wurde zusätzlich auch abgefragt, welche Themen die Wahl entscheiden werden. Unsere Mitglieder waren sicher, dass Eurokrise oder auch Wirtschaft und Soziales die wichtigsten Themen sein werden – und stimmten trotzdem auch damals bewusst dafür, die Themen um den Digitalen Wandel in den Wahlkampfmittelpunkt zu stellen.
Alle anderen Themen spielen eine Rolle, keine Frage. Unsere Wahlprogramme müssen Antworten auf alle Fragen liefern. Unsere Programme waren und sind gut, um Antworten auf Detailfragen zu liefern. Aber für den Wahlkampf und für die Öffentlichkeitsarbeit müssen wir einen Focus setzen, um endlich auch für die Wähler ein Profil zu bekommen.
Flaschenpost: Aber was, wenn in meiner Gegend ganz andere Themen wichtig sind? Es fehlen Sozialwohnungen, wir brauchen den Energiewandel, die Altersarmut nimmt zu…
Das sind alles wichtige Themen. Aber es sind keine Themen, bei dem ein Wähler den Piraten Kompetenz zutraut. Klar sehen wir das anders. Wir wissen, dass wir Experten zu allen Themen an Bord haben. Und das ist auch gut so, schließlich wollen wir als Parlamentarier verantwortungsvolle Politik machen. Politik mit Antwort auf alle Fragen.
Aber wenn wir im Wahlkampf immer wieder betonen, dass die Altersarmut ein großes Problem ist, dann werden die Wähler am ehesten eine Partei wählen, die das Problem ihrem Gefühl nach am besten lösen kann. Salopp ausgedrückt, je mehr wir beispielsweise soziale Probleme in den Mittelpunkt stellen, umso mehr machen wir indirekt Wahlwerbung für die Linke oder die SPD. Unsere Wahlwerbung muss die Themen in den Mittelpunkt stellen, bei denen die Wähler uns die Lösung zutrauen. Und das eben mit einer möglichst überschaubaren Zahl von Themen – um das Schaufenster nicht zu überfrachten.
Flaschenpost: Wie soll das konkret aussehen?
Stefan Körner: Wir haben auf der Marina ein Konzept vorgestellt, bei dem die Struktur unserer AGs und Themenbeauftragten ein kleines Bisschen umgestellt werden würde. Wir werden versuchen, die Themenbeauftragten nicht mehr nach den AGs auszurichten sondern uns – wir sprechen hier von den Themenbeauftragten des Bundes – grob an den Ausschüssen im Bundestag orientieren. Ziel wäre es, einen Themenbeauftragten zu haben, der eine kommende Bundestagsfraktion eben am besten in ihrer Arbeit unterstützt.
Zusätzlich werden wir für den Wahlkampf Themensprecher benennen. Sprecher, die explizit den Auftrag haben, für die Partei zu genau ihrem Thema auch nach außen zu agieren. Wir wissen, dass das Konzept Themen statt Köpfe nicht funktioniert. Deswegen werden wir es wechseln zu Themen mit Köpfen. Allerdings ist noch unklar, wie wir die Themensprecher aussuchen. Da hoffe ich auf die Beteiligung aller Mitglieder.
Insgesamt ist das noch mit die größte Aufgabe, die in den kommenden Wochen und Monaten vor uns liegt: Wir müssen es schaffen, unsere Mitglieder wieder mit einzubinden. Ich befürchte, dass wir da inzwischen eine Zweiteilung unser Mitglieder haben. Die eine Hälfte ist in Vorstandsämtern, Mandaten oder Beauftragungen eingebunden und hat inzwischen so viel zu tun, dass sie nicht mehr wissen, wo sie zuerst hinlangen sollen. Die andere Hälfte hat irgenwann in den letzten Jahren den Bezug verloren und weiß inzwischen nicht mehr, wo und wie man in unserer Partei am besten mitmachen kann. Da – um ehrlich zu sein – grüble ich derzeit noch nach einer guten Lösung. Aber vielleicht kommt ja von einem der Leser der Flaschenpost da eine zündende Idee.
Flaschenpost: Wie wirst du den Abend des 9. Geburtstags verbringen?
Stefan Körner: Wir haben am 10.9. unsere nächste Vorstandssitzung. Wir feiern also den 9. Geburtstag der Piratenpartei wie es sich gehört, in dem wir unsere Arbeit machen. Also weiter mit „Klarmachen zum Ändern“
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.