Ein sehr persönlicher Blick des Sperlings auf unsere Außenwirkung
Die Piraten waren einmal angetreten, um die Politik zu verändern, sie direkter und transparenter zu machen (also im Wortsinne), Barrieren zu überwinden und Korruption, die vor allem im Dunkeln erblüht, zu erschweren – und vieles, vieles mehr.
Im Allgemeinen und auch im Speziellen trafen die Piraten damit einen Nerv, nicht nur aber auch weil sie authentisch waren. Leider waren sie auch in unseren innerparteilichen Konflikten transparent, jeder Nebenkriegsschauplatz wurde zum #gate, jeder kleine Fauxpas zum Shitstorm und unhöfliches Auftreten wurde nicht einmal im Ansatz wirklich wahrnehmbar geahndet oder geächtet. Folgerichtig stürzten sie ab, zurecht und zu unrecht wie der Sperling heute denkt.
Fragt man sich, warum sie so katastrophal in der Außenwirkung waren, fällt dem Flattermann ein Satz ein, den er irgendwann mal auf Twitter gelesen habe: „Um Politik 2.0 zu machen, muss man erst mal Politik 1.0 können“.
Dem ist wenig hinzuzufügen – nur wie definiert „man“ Politik 1.0 im Kontext unserer Probleme? Nun, da fallen dem kleine Piepmatz so einige Sachen ein die zwar nicht alleine, aber doch in nicht unrelevantem Maße relevant waren und noch sind.
Visuelle Präsenz
„Man“ darf die Wähler nicht abschrecken. Wer gewählt werden will, muss neben den sehr wichtigen Inhalten auch auf die Oberfläche achten. Sicher ist es authentisch, wenn man sich in seiner Alltagskleidung auf die große Bühne begibt, aber ähnlich wie es als unhöflich gilt, bei der Hochzeit der Schwester in Jeans und Hoodie aufzutauchen, „geht es einfach gar nicht“, wenn man sich erkennbar nicht einem Anlass gemäß kleidet. Denn damit – bewusst oder unbewusst – transportiert man Geringschätzung oder auch Verachtung für alle, die sich an solche gesellschaftlichen Konventionen halten. Klug wäre es sich dabei nicht zu verbiegen, der Sperling ist sich sicher, dass ihr versteht, was er meint.
Und es ist vollkommen egal, ob diejenigen, die sich daran halten, diese Konventionen selbst auch schätzen oder sie als veraltet ablehnen – diese Konventionen sind ein gesamtgesellschaftlicher Konsens, der im Großen und Ganzen das Zusammenleben erleichtert. Man furzt schließlich auch nicht bei der Trauung der Schwester, weil man die ganze Kirche Scheiße findet und der Weihrauch eklig-unangenehm riecht – zumindest nicht, wenn man sich später mit jemanden unterhalten will, anstatt gemieden zu werden.
Genauso verhält es sich mit allen öffentlichen Auftritten, sei es auf der Bühne bei einer Demo oder im kleine Kreis: Wer Passanten oder Anwesende allein durch sein Äußeres dazu bringt, dass sie einen instinktiv und unbewusst in eine negative Schublade stecken, dessen Statements unterliegen von Anbeginn einer subjektiven (und leider nicht selten negativen) Wahrnehmung. Wenn denn überhaupt jemand stehen bleibt, bzw. kommt, um einen anzuhören …
Jeder, der ein Amt oder Mandat hat – auch ein Beisitzer im KV Hintertupfingen – repräsentiert mit allen seinen in der Öffentlichkeit getätigten Äußerungen und mit seinem visuellen Auftreten jederzeit und immer die Partei. Auch Gesten, sei es bei einem Fernsehinterviews „im Ohr bohren“, ein gestreckter Mittelfinger auf der Demo oder das „mano cornuta“ auf einer Wahlkampfzeitung zeichnen ein Bild und werden mit der Partei assoziiert. Das gilt auch für jede öffentliche Äußerung: Es gibt keine privaten öffentlichen Äußerungen, so etwas existiert in einer Mediendemokratie nicht. Jedes Verhalten strahlt auf die Partei zurück, ohne Ausnahme.
Intransparente Transparenz
Absprachen und Planungen, deren Gültigkeit und Einhaltung den Zielen aller Beteiligter dienen soll – ohne der Allgemeinheit zu schaden – müssen gelegentlich vertraulich bleiben. Das bedeutet, dass z.B. strategische Wahlkampfplanungen nicht jeder (und damit der politische Gegner) wissen darf. Und wer die Vertraulichkeit nicht zusichern kann, wird in manchen Teams eben nicht mitmachen können. Das mag dazu führen, dass einzelne ausgeschlossen sind, da sie noch nicht, nicht mehr oder kein Vertrauen genießen. Vertrauen muss man sich wie Respekt erarbeiten und es wird schnell verloren.
Kompetenz statt Krawall
Politik 1.0 bedeutet für den Sperling auch, dass nicht jeder, der sich einbildet, er wisse Bescheid, überall mitreden und mitmachen kann. Dazu gibt es zu viele Irre in dieser Partei, es muss möglich sein Querulanten, Trolle und radikal-opponierende Spinner aus AG‘s zu werfen oder von Mailinglisten zu entfernen, ohne dass ein Aufschrei durch die Partei geht.
Achtung und Wertschätzung
Was auch zu Politik 1.0 gehört: Ein normaler Umgang miteinander – Beleidigungen, Schmähungen, unwahre Behauptungen und Bedrohungen gehen gar nicht. Gewalt, sei es verbale oder nicht-verbale, sind ein Zeichen von Unreife und disqualifizieren automatisch zum „Gewählt werden“. Und wer diese Verhaltensformen duldet, sei es durch wegsehen oder nur oberflächliches Gegensteuern ohne Langzeitwirkung, ist auch disqualifiziert.
Wer sich andere Parteien ansieht, der erlebt, dass verbale Entgleisungen wie „Gurkentruppe“ oder „Arschloch“ zwar in den eigenen Reihen positiv wirken können, nicht aber beim Gegner – und der sitzt oft im Stadtrat in der gleichen Fraktion oder am BPT nur einen Block weiter.
Strukturierung
Zu Politik 1.0 gehören auch weitgehend klare Strukturen, wer wann, wie und wo für die Partei spricht, wer wofür zuständig ist, wer welche Politikbereiche bearbeitet etc. In der Regel sind das diejenigen, die dazu beauftragt sind – sei es durch Wahl oder durch die Delegation von einem gewählten Vorstand. Pirat Hinz und Pirat Kunz sind das nicht, und der KV Hintertupfingen ist nicht wirklich für Pressemitteilungen zur Europäischen Außenpolitik zuständig.
Genauso wenig macht es keinen Sinn zu einer Thematik zehn verschiedene Arbeitsgruppen auf drei Ebenen zu betreiben, die sich dann gegenseitig vor und am Bundesparteitag die Anträge schlechtmachen und uns die Probleme mit mehr als zwei/drei konkurrierenden Anträge bescheren – viele erinnern sich noch mit Grauen an die SMV-Schlacht in Neumarkt oder BPTs mit 400 Anträgen usw.
Fazit
Der Sperling könnte sicher noch mehr schreiben, aber er will hier mal einen Punkt machen – er denkt, es ist klar, was gemeint ist. Es spielt keine Rolle, ob man gesellschaftliche Konventionen, normale Höflichkeit und einen „gesitteten“ Umgang gut findet oder sie ablehnt: Die Wähler erwarten das in der großen Mehrheit, sie haben ein Recht darauf, anständig behandelt zu werden, und sie erwarten, dass ihre Vertreter dies auch anderen gegenüber tun.
Wenn die Wähler den Eindruck haben, jemand – oder eine ganze Gruppe – hat nicht mal im Ansatz so viel Selbstdisziplin, um sich an die paar einfachen Regeln zu halten, dem vertrauen sie sicher nicht ihre Zukunft an. Der Sperling würde auch bei keinem Kornhändler kaufen, dessen Laden siffig ist oder der in seiner Anwesenheit furzt wie ein Klingone – egal, wie gut die Knabbersachen sind.
Um Politik 2.0 umzusetzen, muss man erst mal gewählt werden, sonst kann man es auch gleich bleiben lassen. Und um gewählt zu werden, muss man Politik 1.0 beherrschen – egal, was man davon nun im einzelnen hält.
Leider gibt es genug Idioten in der Partei, die das nicht können oder wollen, und die sind ein Teil des Problems, das die Piraten lösen müssen.
Redaktionsmitglied Sperling
Redakteur seit 2011, Kernteam der Redaktion seit 2013. De facto "Leitung" ab 2016, irgendwann auch offiziell Chefredakteur - bis 2023. Schreibt und Podcastet nur wenn ihm die Laune danach steht, zahlt aktuell die Infrastruktur der Flaschenpost, muss aber zum Glück nicht haften 🙂
Und wer ganz tief in Politik 1.0 einsteigt, wird es nicht mehr zu Politik 2.0 schaffen. Die Strukturen absorbieren einen und verändern die Denkweise. Ist ein ganz normaler Prozess und hat etwas damit zu tun, dass man seinen Job auch tatsächlich macht. Aber es ist schwer sich wieder davon zu lösen.
Ich befürchte das viele das schon wussten und trotzdem sich nicht daran halten, einfach weil sie nur ihre Peergruop ansprechen wollen und nicht alle Bürger.
Wir hatten einmal ein doppeltes Lektorat, und damit waren wir besser als zum Beispiel SPIEGEL ONLINE. Wo ist das hin? Ich mag Spatzen. Aber sie sollten sauber singen. Was ist denn das überhaupt? Dass ein Autor sich als Piepmatz bezeichnet.
Ich bin gern bereit, ohne Honorar Texte, die für eine größere Leserschaft veröffentlicht werden sollen, vorher kurzfristig Korrektur zu lesen. Zu einer guten visuellen Präsenz, wie sie der Sperling anmahnt, gehört auch eine korrekte Sprache!
Natürlich ist es toll für einen Piraten dank Politik 2.0 immer mit zu entscheiden. Aber denkt dabei auch jemand mal daran das die Piratenpartei auch von nicht Piraten gewählt werden sollte?
Aus Sicht des nicht Piraten möchte ich doch von einer Partei wissen was Sie machen wird wenn sie denn mal gewählt wurde, und zwar bevor ich sie wähle. Einen chaotischen Haufen zu wählen der dann per Mitgliederbefragung (Kann inzwischen selbst die SPD) nach der Wahl entscheidet was er denn tun will verlangt aber schon sehr viel Vertrauen oder aber absolutes politisches Desinteresse. Da die mit Desinteresse eher gar nicht wählen gehen und nur wenige Vertrauen ist das wohl kein Weg.
Ein Programm das inhaltlich auch zusammenpasst. Wo alles in eine gewisse gleiche Richtung zielt um den Leser das Gefühl zu vermitteln abschätzen zu können wie wohl entschieden würde über Probleme die nicht explizit erwähnt werden, und vor allem Personen die überzeugt zu diesem Programm stehen und es schaffen dieses Programm nach außen zu vertreten, die fehlen der Partei. Aber ohne geht es halt nicht.
Es ist schlimm genug wenn Politiker nach der Wahl nicht das tun was Sie vor der Wahl versprochen haben. Aber schon vor der Wahl zu sagen, Ich habe zwar eine private Meinung zu dem Thema aber darf sie nicht sagen, da die Partei dazu noch nicht abgestimmt hat, na so jemanden kann man als nicht Mitglied doch einfach mal nicht wählen.
In Schleswig – Holstein haben die Piraten ihr Wahlprogramm konsequent umgesetzt. Ich denke, dies ist bei den anderen Landtagsfraktionen ähnlich.Die letzte große Mitgliederbefragung des BuVo zielte auf Themen für die kommende Bundestagswahl, betrifft also zukünftige Wahlen. Insofern sind die Piraten besser als ihr Ruf. Aber vielen Dank für deinen Kommentar, denn er zeigt uns, dass es in der Öffentlichkeitsarbeit noch viel zu tun gibt 😉