Der Verein zum Erhalt klassischer Computer wurde 2003 gegründet. Seine rund 140 Mitglieder aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz widmen sich den Computern, die älter als zehn Jahre sind. Primär sind es die alten Marken, die die Augen der Sammler zum Leuchten bringen. Beim Classic Computing 2015 in Thionville wurden die Geräte ausgestellt. Es sind rund 80 Aussteller, die mit ihren Exponaten an diesem Wochenende rund 2000 – 3000 Besucher in ihren Bann ziehen.
Beim Betreten der Halle verlässt der Besucher das Jetzt und fühlt sich in die 80-er Jahre zurückversetzt. Auf den Tischen der Aussteller stehen alte Homecomputer, Spielkonsolen, flimmernde Röhrenbildschirme, pfeifende Modems und einiges mehr, das vor 30 Jahren in den Kinder- und Jugendzimmern der Besucher stand.
Die meisten Besucher kommen aus Neugierde, um noch einmal zu sehen, was sie früher besassen. Jüngere Besucher kommen oft mit ihren Eltern, die dem Nachwuchs dieses Details der Vergangenheit weitergeben wollen.
Die 80-er Jahre waren, was die Entwicklung von Computern betrifft, eine bewegte Zeit. Es gab Manager und Entwickler, die scharenweise zu anderen Unternehmen wechselten oder sich ein Unternehmen kauften, wenn das gerade günstig zu haben war – sprich, vor der Pleite stand. Das war die Zeit, als längst untergegangene Computerhersteller wie Commodore, Atari, Sinclair und Amstrad, die Kinderherherzen damals höher schlagen ließen.
Gleich am Eingang stimmte ein Atari 1040 ST den Besucher auf die Ära der Homecomputer ein. Entwickelt wurde er vom Commodoregründer Jack Tramiel. Der flog nach einem Streit mit dem Management aus dem eigenen Unternehmen raus, kaufte Atari, dem es zu der Zeit nicht gut ging und das kurz vor der Pleite stand und entwickelte diesen Rechner, der von Atari gegen die Commodore-Rechner positioniert wurde.
Commodore selbst war mit dem VC20, dem C64 und dem C128 sehr erfolgreich, bevor ein langsamer Niedergang seinen Anfang nahm. Andere Computerhersteller fusionierten mit anderen oder kauften sie auf. Wieder andere Unternehmen hatten nur kurz Auftritte im Segment der Homecomputer bevor sie sich wieder auf das Hauptgeschäft konzentierten. Als Beleg dafür gilt Texas Instruments. Der amerikanische Chiphersteller hatte als Computerhersteller mit seinem 16 Bit Heimcomputer TI99 nur einen kurzen Ausflug in den Computermarkt gewagt. Insgesamt gab es zwei Konsolidierungsphasen. 1984/85 verschwanden die kleinen Unternehmen, wie beispielsweise Oric und, Tatun. Übrig blieben Atari, Commodore, Amiga und Schneider/Amstrad. Die überlebten bis Mitte der 90-er Jahre. Dann gab es fast nur noch IBM-kompatible Computer. Von den “nicht IBM-kompatiblen” Unternehmen blieb nur Apple übrig. Das ist die einzige Firma, die durchgängig von 1977 bis heute Computer baut. Nach Einschätzung der Enthusiasten hörte das ursprüngliche Unternehmen Apple jedoch 1993 auf zu existieren, als sich das Unternehmen von der offenen Architektur mit Steckplätzen verabschiedete und alle Bauteile, sogar den Speicher und den Akku, fest einlöteten.
In Thionville gab auch mechanische Rechenmaschinen und weitere Computer zu bewundern, beispielsweise solche von Amstrad und Schneider, zwei Unternehmen aus Deutschland und England, aus denen später eines wurde. Der JOYCE verdankt seinen Namen der Sektretärin vom Firmengründer Alan Sugar – über die Gründe wird bis heute spekuliert.
Damals wie heute spielte Apple schon eine Rolle. Neben bekannten Modellen war ein Apple II c+ von 1988 zu bewundern, der in Europa nicht auf den Markt kam. Wer hierzulande einen bekommt, ist auf ein zusätzliches Netzteil angewiesen, das dem eingebauten Netzteil des Geräts statt der hiesigen 230 Volt nur 110 Volt gibt. Überhaupt hatten sich die Computer dieser Ära von Continent zu Continent noch unterschieden. Der Apple IIe, in Europa sehr beliebt, hatte in den USA einen zusätzlichen Zahlenblock. Das war eine Variante, die es hier nicht gab. Heute sind viele alte Computer mit Erweiterungskarten ausgestattet. Es gibt Adapterkarten für CF- und -USB-Speicher, welche mit einer Internet-Schnittstelle, Turbokarten die den Prozessor beschleunigen und einiges mehr. Die Synthese von alt und neu war überall zu sehen. So werden alternativ zu den alten Röhrenmonitoren auch Flachbildschirme genutzt, CF-Karten und USB-Sticks ersetzen teilweise die alten und langsamen Diskettenlaufwerke. Es gibt für solche Erweiterungskarten tatsächlich einen kleinen Markt, auf dem sich jedoch keine Reichtümer verdienen lassen.
Der Apple IIe war der letzte Computer, der von vorne bis hinten von einem einzigen Menschen konstruiert wurde, nämlich vom Firmenmitgründer Steve Wozniak.
Und dieser Apple IIe ist auf der anderen Seite einer der letzten, der von einem Menschen auch vollständig, also bis in die letzte Schraube und in das letzte Bit, zu verstehen ist.
Industriell wurden Computer auch schon damals genutzt. Manchmal beschränkte es sich darauf, dass ein C64, in ein 19-Zoll Industriegehäuse eingebaut, in einen Computerschrank geschoben wurde. Oft waren natürlich Erweiterungen gleich mit integriert worden: Mehr Speicher, ein neues Betriessysteme, eine Beschleunigungskarte für das Floppylaufwerk, das im Originalzustand auch für damalige Verhältnisse sehr langsam war, gehörten schon damals zum Standard.
Neben Homecomputern war auch ein Minitel, das Gerät für die französische Variante des Onlinedienstes BTX, zu sehen. Mit dem Minitel schrieb die französische Post eine 30 Jahre andauernde Erfolgsgeschichte. Gestartet wurde der Dienst 1982. Anders als in Deutschland bei BTX, wurden in Frankreich die Geräte kostenlos an die Kunden abgegeben, was sie sehr beliebt und oft genutzt machte. Im Jahr 2000 nutzten rund 25 Millionen Franzosen den Dienst. In Deutschland kam BTX, durch Anschaffungs- und Nutzungsgebühren gleich zweifach teuer, 1995 auf gerade mal 1 Mio Nutzer und konnte diese nicht mehr steigern.
Am Reparaturstand für defekte Geräte gab es viel zu sehen. Die Computer der 80-er Jahren lassen sich noch mit einem Multimeter, einen Oszilloskop und einem Lötkolben reparieren. Zum Verständnis gehören natürlich die Schaltpläne. Diese lagen in grossen Kisten bereit. Für Mitglieder des Vereins sind solche Reparaturen kostenlos, gegen eine Spende wurden aber auch Geräte für Nichtmitglieder repariert.
Wenn dieser Artikel Interesse an alten Computern geweckt hat, ist die Webseite des Vereins zum Erhalt klassischer Computer einen Besuch wert. Das nächste Treffen wird im niedersächsischen Nordhorn stattfinden.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.