„Wie fühlen sich Menschen, die täglich Drohnen am Himmel sehen? Für die der Tod den Alltag beherrscht?“, diese Fragen inspirierten unseren Gastautor Hans vom Schloß zu einem experimentellen Text, der Fiktion und Realität verbindet.
Sieh nicht hin, mein Junge, sieh Deinen Vater an. Sie sind wieder da oben am Himmel, denn sie können fliegen. Wenn Du ganz still bist, Ahmed, dann kannst Du sie auch hören. Leise liegen sie in der Luft über uns, denn auf ihre Maschinen ist Verlass.
Die Reaper
Die zuerst im Irak eingesetzte Drohne „MQ-9 Reaper“ ist wesentlich größer und schubstärker als ihre Vorgängerin „MQ-1 Predator“. Die Reaper fliegt fast doppelt so hoch und mehr als doppelt so schnell wie die Predator und hat einen mehr als vier Mal so großen Einsatzradius. Die MQ-9 kann bis zu vier Hellfire-Raketen und dazu noch zwei Lenkbomben mitführen – entweder so genannte JDAM, die über ein GPS-Signal gelenkt werden, oder die GBU-12 Paveway II, für die das Ziel mit einem Laser markiert werden muss. Einzig die maximale Flugdauer der Drohne liegt mit 30 Stunden gut ein Viertel unter der der Predator.
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Manchmal, meine Junge, blinzeln sie uns zu, wenn die Sonne mit ihnen lacht über uns hier unten. Dann strahlen kleine Sonnenblitze zu uns herunter und Deine Mutter, Deine Brüder und Schwestern freuen sich, denn das Auge Gottes ruht gütig auf uns, mein Sohn.
Es sind gute Menschen, Ahmed, und sie sind so viel besser als wir. Sie beobachten uns und geben auf uns acht. Sie sehen alles, was wir tun. Sie hören alles, was wir sagen und sie lesen aufmerksam das, was wir in unsere Handys schreiben. So wissen sie, was Du denkst, Ahmed, beim Spielen im Garten und beim Lernen in der Schule und beim Beten in der Moschee.
Ungeheure Datenmassen
Die ungeheuren Datenmengen, die die Drohnen, ihre Steuerungs-, Beobachtungs– und ihre Zielelektronik erzeugen, stellten militärische Ingenieure vor ganz neue Probleme. Die Antwort auf dieses Problem stellen die bislang sieben aktiven Satelliten des Wideband Global Satcom-Systems (WGS) dar, die ab 2008 in geostationären Umlaufbahnen platziert wurden. Jeder einzelne rund sechs Tonnen schwere Satellit hat eine Bandbreite von 3,6 Gbit/s und übertrifft damit das bisherige „Defense Satellite Communications System“ (DSCS) bei weitem. Die Satelliten Nummer acht und neun, die 2016 und 2017 starten sollen, werden eine nochmals um 30 Prozent gesteigerte Bandbreite haben. Zum Vergleich: Ein Fernsehsignal in HD-Qualität benötigt ungefähr 10 Mbit/s an Bandbreite. Die WGS-Satelliten sind jedoch nicht die einzigen, über die der Datenverkehr mit und von den Kampfdrohnen läuft. Wenigstens zwei Dutzend weitere militärische Hochleistungs- satelliten wickeln in geostationären Orbits Funk- und Datenverkehr ab.
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Doch manchmal, mein Junge – und höre gut zu, Ahmed – manchmal haben wir ihren Zorn erregt. Und dann senden sie nicht Sonnenstrahlen, sondern Blitz und Donner, Tod und Verderben, damit wir sterben hier unten auf der Erde. Lautlos kommen sie dann geflogen, ihre Höllenhunde. Und deren Bomben verfehlen nie ihr Ziel. Grausam schlagen sie in unsere Häuser ein und ihr Höllenfeuer wütet fürchterlich. Wir sterben, wenn sie es wollen.
Die Luft-Boden-Rakete AGM-114 Hellfire
Die erste Hellfire-Variante besaß als Gefechtskopf eine Ladung aus Kupfer und hochexplosivem Sprengstoff (High Explosive Anti Tank oder HEAT). Das Kupfer bildete bei der Explosion einen zielgerichteten Strahl kleiner Metallteile und konnte sowohl Panzerungen als auch Hauswände durchschlagen. In weiteren Varianten erhielt die Rakete einen Splittersprengkopf zur Bekämpfung von ungeschützten Objekten und einen so genannten thermobarischen Sprengkopf. Dabei wurde der Sprengkopf mit einer Schicht aus Aluminiumpulver umgeben, was bei der Explosion zu einem enormen Feuerball führt und die Druckwelle erheblich verstärkt. Diese Variante wurde häufig in Afghanistan eingesetzt. Neuere Varianten der Hellfire benutzen auch Kombinations- sprengköpfe, die mehrere dieser Wirkungsarten vereinen. Seit der Produktion der ersten Hellfire-Rakete mit der Bezeichnung AGM-114A ist man inzwischen bei der Variante AGM-114R angekommen. Sie besitzt einen neun Kilo schweren Mehrzwecksprengkopf mit panzerbrechender, splitter- und thermobarischer Wirkung und ist für alle Ziele geeignet.
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Du kannst nie sicher sein, wann sie kommen, ihre Bomben. Und Du kannst nicht sicher sein, wohin sie ihre Bomben werfen. Aber sie töten nur böse Menschen, Ahmed, da kannst Du ganz beruhigt sein. Nur böse Menschen handeln so, dass es sie erzürnt. Sie leiten uns, damit wir ein gottgefälliges Leben führen.
Gehe also nicht zu diesen bösen Menschen in unserer Straße, Ahmed, denn das Auge Gottes schaut auf Dich. Sie sehen Dich und machen sich Sorgen, wenn Du zu den falschen Nachbarn gehst, in deren Häuser. Sie sehen Deine Schritte und Deine Zweifel, wenn Du zu jenen gehst, die sie nicht wollen.
Den Kameras entgeht nichts
Neun Kameras an Bord der Reaper beobachten gleichzeitig ein Gebiet von 16 Quadratkilometern aus verschiedenen Blickwinkeln, was dreidimensionale Bilder ergibt und es möglich macht, neun Ziele gleichzeitig zu verfolgen. Vor allem „Squirter“, wie im Militärjargon in verschiedene Richtungen flüchtende Kombattanten genannt werden, können seitdem separat und simultan verfolgt werden.
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Sie schlafen nie, mein Sohn, damit sie auch über Deine Träume wachen können. So darfst Du nie daran zweifeln, Ahmed, dass sie gut sind zu uns. Wenn die Ernte ausfällt, weil es nicht mehr regnet, dann helfen sie uns mit Mais und Weizen überreichlich. Sie geben so großzügig, dass wir unsere mageren Ernten nicht mehr verkaufen müssen. Jetzt trinken wir Cola und essen Schweinefleisch.
Schneller als über Satellit
Einer der wichtigsten Knotenpunkte im Drohnen-Netz ist die US-Airbase in Ramstein. Material, das dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ und „The Intercept“ vorliegt, legt sogar den Schluss nahe, dass Ramstein *der* Netzknotenpunkt für alle Kampfdrohnen-Operationen in Irak, Pakistan, Afghanistan, Jemen und Somalia ist. Stimmen diese Informationen über die Architektur des Systems, dann wäre ohne Ramstein ein Drohnenkrieg in den vorgenannten Ländern derzeit kaum denkbar. Dies bestätigt auch Brandon Bryant: „Ohne Deutschland wäre der ganze Drohnenkrieg nicht möglich.“
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Früher sangen wir unsere alten Lieder, mein Sohn, heute singen wir in ihrer Sprache. In Amerika, Ahmed, da haben sie alle einen Fernseher, sie alle haben große Autos, manche zwei. Sie laufen nicht mehr, mein Junge, sie fahren mit dem Auto!
Problem Zeitverzögerung
Die Latenzzeit des Systems läge bei einem Umweg über mehrere Satelliten bei bis zu zwei Sekunden. Eine sinnvolle Steuerung, die Erfassung und Verfolgung eines Zieles wären bei dieser Zeitverzögerung unmöglich. Anders ausgedrückt: Fiele Ramstein in der beschriebenen Funktion aus, käme der US-amerikanische Drohnenkrieg sofort fast vollständig zum Stillstand. Um überhaupt weiter Drohnen einsetzen zu können, müssten die USA wieder auf die Steuerung aus mobilen Containerdörfern in der Nähe der Einsatzgebiete zurückgreifen. Dies aber scheiterte schon an der schieren Menge der benötigten Infrastruktur.
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Sie haben sauberes Wasser, Ahmed, in jedem Haus! Und in großen Kathedralen kaufen sie alles, was sie zum Leben brauchen. Sie tragen die Kleidung, die wir für sie machen, sie essen die Fische, die wir selbst nicht fangen und liegen in Betten aus Holz, das früher nur Wald war.
Wir aber besitzen nichts – und alles, was wir noch haben, ist unser Stolz und unsere Religion. Und wenn Du mal groß bist, mein Junge, dann zeige ich Dir, wo die Kalaschnikows liegen.
[1] Quelle: „ZDF: Dohnen – Tod aus der Luft“
Schön, dass solch ein Artikel nun auch mal bei der Flaschenpost zum Thema gemacht wird. Wer sich bisher auch mal die alternativen Medien angeschaut hat, der wusste davon schon viel länger und der ein oder andere hatte sogar schon deshalb vor Ramstein demonstriert. Es wird höchste Zeit, dass das Thema „Friede schaffen ohne Waffen“ von uns allen eingefordert wird! Was aber derzeit geschieht und letztlich auch bei uns aufs übelste ausgetragen werden wird, will am Ende wirklich fast keiner mehr gewollt haben. Fast, weil die, die auf Umstrukturierung gesetzt haben, immer auch dadurch einen Gewinn erwirtschaften. Wann arbeiten wir endlich alle wenigstens dem Frieden zu liebe mal wieder zusammen, statt gegeneinander zu demonstrieren?