Wenn es eine Meldung gab, die im Jahr 2015 Piraten in Deutschland, Österreich und der Schweiz begeisterten, dann waren das Umfragewerte von knapp 30%. Gut, die gelten für die Piratenpartei in Island, und gewählt wird dort auch erst 2017 – aber so bleibt den Piraten genug Zeit, sich auf die Regierungsverantwortung vorzubereiten. Deutschlands Piraten waren eher mit der Vorbereitung der Landtagswahlen im kommenden Jahr beschäftigt. Treue Leser der Flaschenpost kennen die Artikel, in denen wir um Hilfe für die Unterschriftensammlungen warben. Die Resonanz war gering, das lässt eine Prognose für die verschiedenen Wahlsonntage zu.
Richtig rund lief es im ausklingenden Jahr für die Regierung. Die Vorratsdatenspeicherung, von Piraten bekämpft und vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig erkannt, trat nun leicht verändert in Kraft. Websperren, als Gesetz ebenfalls von uns bekämpft, wurden in diesem Jahr den Providern ins Pflichtenheft geschrieben. Schlimmer als bei den damaligen Plänen der Frau von der Leyen, soll jetzt schon der Stecker gezogen werden, wenn die GEMA und Plattenfirmen Inhalte als illegal erachten. Wie geschmiert lief es auch für die Feinde der Netzneutralität, die nach einem Beschluss des EU-Parlaments nun Mautstationen im Internet errichten dürfen. Die Telekom reagierte gleich am nächsten Tag mit einem Gedankenpapier, das Möglichkeiten neuer Gebühren zeigte. Auch Wahlcomputer, eines unserer ersten politischen Projekte, feierten 2015 ihre Auferstehung. Zum Glück nicht bei “richtigen” Wahlen sondern “nur” bei der Wahl des SPD-Vorsitzenden, also einer Wahl, bei der der Sieger ohnehin vorab feststeht. Immerhin: Was der damalige Innenminister Schäuble schon 2007 für ausgereift hielt, versagte 2015 bei den Genossen komplett. Gewählt wurde Herr Gabriel dann ganz analog mit Kreuzchen auf Stimmzetteln. Gerade mal 74% Zustimmung konnte er verbuchen – mit Wahlcomputern wäre sicher mehr drin gewesen! 2015 war immerhin das Jahr, in dem die Snowden-Affäre endlich politische Konsequenzen in Deutschland nach sich zog. Nachdem das politsche Berlin in den Jahren 2013 und 2014 von diesem “Was, sowas können die Amis?” gelähmt waren, gingen CDU und SPD dieses Jahr in die Offensive. Die EU sammelt die Fluggastdaten nun selbst, und der BND bekommt zusammen mit dem Verfassungsschutz 500 neue Stellen.
Gute Nachrichten erfährt man von Julia Reda, der einzigen Piraten-Abgeordneten im EU-Parlament. In Brüssel und Straßburg kämpft sie für all das, was wir Piraten als “Kernziele” bezeichnen würden: Ein modernes Urheberrecht, Freie Software und gegen das Leistungsschutzrecht in seinen derzeitigen und zukünftigen Facetten. Den Kampf gegen das drohende Ende der Panoramafreiheit stieß sie sogar alleine an – und trug einen Sieg für alle europäischen Bürger davon. Den Kürzeren zogen Abmahnanwälte und Verwertungsgesellschaften, die bereits auf eine neue Einnahmequelle hofften.
2015 fanden unter der Piratenflagge auch unzählige Parteitage auf Kreis-, Bezirks-, Landes- und auch auf Bundesebene statt. Dass der Bundesvorstand dabei mehrheitlich wieder gewählt wurde, fand in den Medien keinen großen Wiederhall. Nachdem Jahr um Jahr die mangelnde Kontinuität kritisiert wurde, blieb der Beifall aus, als sie schließlich hergestellt wurde. 365 Tage ohne Gate – das sind auch 365 Tage, in denen sich niemand außerhalb der Piratenpartei dafür interessiert hätte.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.