Am 1. Januar 2015 trat das Gesetz von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) in Kraft: Ab diesem Zeitpunkt galt in Deutschland 8,50 € pro Stunde als gesetzlich verankerter Mindestlohn. Entgegen der ersten vollmundigen Aussagen der Ministerin gab es diverse umstrittene Ausnahmen, z.B. Langzeitarbeitslose, Saisonarbeiter oder Zeitungszusteller, aber zu Recht feierte Andrea Nahles das Mindestlohngesetz als wichtigen Schritt zu mehr sozialer Gerechtigkeit.
Die Prognosen bezüglich der Auswirkungen des Mindestlohns waren düster. Experten fürchteten negative Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands. Allen voran verkündete das bekannte Ifo-Institut in München, dass der Verlust von 900.000 Arbeitsplätzen zu befürchten sei. Besonders betroffen seien Arbeitnehmer, deren Lohn ohnehin unter dem Existenzminimum läge, sodass sie auf zusätzliche Leistungen vom Jobcenter angewiesen sind. Daher, so erklärte Marcel Thum, Geschäftsführer des Ifo-Instituts in Dresden im März 2014, dürfe in Deutschland höchstens ein Mindestlohn von 6,22 € gezahlt werden.
Exakt ein Jahr später entlarvt die Realität alle Prognosen der gut bezahlten Experten als puren Unsinn. Es gab keine Arbeitsplatzverluste. Im Gegenteil. Die Anzahl der Minijobs ist zugunsten sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze gesunken. Nachweislich profitieren aktuell 3,6 Millionen Menschen vom Mindestlohn. Dies erklärte Stefan Körzell, Vorstandsmitglied vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und berief sich dabei auf Angaben des Statistischen Bundesamtes.
Somit zieht Bundesarbeitsministerin Nahles zu Recht eine positive Bilanz. Der Mindestlohn ist ein Erfolgsmodell. Dies zeigt allerdings auch, was von Prognosen zu halten ist. Scheinbar sind sogenannte Experten nur unzureichend in der Lage zukünftige Entwicklungen abzuschätzen.
Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, mehr zu wagen und sich der Tatsache zu stellen, dass 8,50 € je nach Wohnort und Lebensumständen nicht ausreichen. Alleinstehende Menschen, deren Kosten für ihre Wohnung 345 € überschreiten, sind nach wie vor auf Leistungen des Jobcenters angewiesen. Deutschlandweit sind 740.000 Menschen deshalb von staatlichen Leistungen abhängig. Ein existenzsichernder Mindestlohn müsste demzufolge deutlich höher sein.
Andrea Nahles hat in der Presse angekündigt im Juni 2016 in der Mindestlohnkommission über eine Erhöhung verhandeln zu wollen. Vielleicht wird sogar die Abschaffung der umstrittenen Ausnahmeregelungen für Saisonarbeitskräfte, Zeitungszusteller, Langzeitarbeitslose, Praktikanten und Jugendliche Thema. Keinesfalls sollte – wie in den letzten Monaten bereits diskutiert wurde – der Mindestlohn für geflüchtete Menschen, die in Deutschland Schutz suchen, ausgehebelt werden.
Nur Mut, Frau Nahles. Mehr soziale Gerechtigkeit muss keine Utopie bleiben!
Das Problem mit dem Mindestlohn ist, dass hier – ganz unabhängig von seiner Höhe – soziale Sicherheit oder gar “Gerechtigkeit” an abhängige Erwerbsarbeit (zwar in Vollzeit) geknüpft wird.
Ich hatte es irgendwie befürchtet, dass alsbald wieder ein Kontrapunkt zum Bedingungslosen Grundeinkommen gesetzt wird, nachdem dieses gerade (auch wieder bei den PIRATEN) in aller Munde ist.
https://www.grundeinkommen.de/05/07/2013/warum-ein-allgemeiner-gesetzlicher-mindestlohn-nichts-mit-einem-bedingungslosen-grundeinkommen-zu-tun-hat-und-auch-sonst-nicht-unterstuetzenswert-ist.html
https://www.piratenpartei-hessen.de/piratengedanken/2013-01-22-der-mindestlohn-und-die-bruecken-technologie
Auch wenn dieser Satz jetzt wieder “nicht-zensiert” wird: Ihr habt es einfach nicht verstanden.
Es erscheint mir zynisch die Vision eines BGE gegen das Konzept des Mindestlohns auszuspielen- so nach dem Motto: Lass die Menschen einfach ohne Mindeslohn leiden bis sie reif sind für das BGE? Wenn ich dich richtig verstehe, positionierst du dich mit einer solchen Argumentation gegen einen Mindestlohn. Das kann ich nicht nachvollziehen.
Abgesehen davon muss in vielen Bereichen noch viel geschehen, wenn es um soziale Gerechtigkeit geht, aber auch kleine Schritte zu mehr sozialer Gerechtigkeit sind wichtig.
Falls du diskutieren möchtest, was bei dem Thema sicher interessant sein könnte und willst, dass Menschen wie ich gerne auf deine Kommentare antworten, kann ich dir von Sätzen, wie deinem letzten, nur abraten. Deine Vorstellung, dass dieser zensiert werden könnte, sagt dir schon selbst, wie sehr du daneben liegst.
Das Thema ist wichtig, danke dass Du es aufgegriffen hast. Ich finde auch, wir sollten heftig für eine Sache streiten, aber natürlich nicht gegeneinander. Und bevor solche offenen Diskusionen gar nicht mehr statt finden dürfen oder gegeneinander laufen, kann eine Zensur das kleinere Übel sein. Besser als Zensur ist immer die offene Auseinandersetzung, oder im Duell in einem anderen privaten Forum.
Ich habe vor wenigen Monaten einen Leiharbeiter als Anhalter mitgenommen, er bekommt genau die 8,50 Euro und die Leiharbeiterfirma bekommt davon 25,50 Euro minus 8,50 Euro, also 17 Euro pro Leiharbeiter und Stunde!
In der Schweiz verdient ein einfacher Arbeiter laut Nachweis egal woher etwa 6000 Euro im Monat und bei etwas höherer Qualifizierung noch mehr. Hätten wir die DM noch, wäre dieser Verdienst bei uns wohl ähnlich. Trotz Abzüge inclusive Unterkunft bleiben ihm noch etwa 4000 Euro für die Heimat!
Ich bin bekanntlich auch für ein erprobtes “Bedingungsloses Grundeinkommen” als Mindestabsicherung allerdings bin ich auch für weiterführende Ideen sehr offen. Der Mindestlohn zählt dazu nicht.
Und eine Festgelegte Summe wird bekanntlich von der Inflation meistens sehr schnell eingeholt!
Vom Zinsbelasteten Geldsystem hängt alles ab und das liegt nicht in unserer Hand! Das derzeitige Geld-System fördert das Gute wie das Schlechte und das ist höchst ungerecht, insbesondere deshalb weil das Schlechte zur Zeit immer mehr gefördert zu werden scheint oder auch nur mehr wahr genommen wird und deshalb die individuelle und menschliche Freiheit akut mehr verteidigt werden muss bzw. müsste.
Mein Motto wäre so viel Staat wie nötig und so wenig wie möglich. Ihn aber ganz abzuschaffen war ein großer Fehler. Und ist im Grunde höchstwahrscheinlich völlig illegal. Der Einzelne müsste so ausgestattet sein, dass um seine Gunst geworben werden muss und nicht umgekehrt. Und, dass sich der Einzelne bewerben kann, aber nicht muss.