Dürfen Kinder in Deutschland arm sein? Der Gedanke an Mädchen und Jungen, die auf vieles verzichten müssen, erschüttert zahlreiche Menschen. Vor wenigen Tagen veröffentlichte die Hans Böckler Stiftung ihre aktuelle Studie zur Kinderarmut in Deutschland.
Entwarnung gibt es nicht. In Deutschland sind 19% aller Kinder betroffen, also ist fast jedes fünfte Kind arm.
Während in den neuen Bundesländern ein leichter Abwärtstrend zu verzeichnen ist, steigt die Kinderarmut in NRW. Spitzenreiter ist nach wie vor Bremen mit 33%.
In Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sinkt die Armut weiter ab. Dennoch mahnt die Stiftung: Es sind in ungebrochenem Trend die Kinder alleinerziehender Eltern betroffen und in den kommenden Jahren vermutlich auch Kinder der Refugees. Ein starker Anstieg der Kinderarmut könnte demzufolge bevorstehen.
Das ist kein Wunder, denn in den letzten Jahren haben sich die etablierten Politiker nur wenig bewegt, um wirksam gegen Kinderarmut vorzugehen.
Wie wirkt sich die Armut aus?
Die Armutsgrenze ist definiert nach dem zur Verfügung stehenden Einkommen der Eltern. Das bedeutet, Haushalte, die 60% des mittleren bedarfsgewichtigen Nettoeinkommens der Bevölkerung zur Verfügung haben, sind betroffen. Bei Familien mit zwei Kindern unter 14 Jahren liegt die Armutsgrenze bei 1926 €.
Für Kinder heißt das, dass sie mit der Armut der Eltern Ausgrenzung und Stigmatisierung erfahren.
An Essen, Kleidung, Freizeitaktivitäten, Hobbys oder Nachhilfe muss gespart werden.
Die Folge ist häufig ein trostloser Alltag – in Verbindung mit der Erfolglosigkeit im Bildungssystem. In Deutschland zeigt sich ein Zusammenhang zwischen dem Einkommen der Eltern und den Bildungsabschlüssen, die ihre Kinder erreichen: Je wohlsituierter die Elternhäuser sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Kinder ebenfalls hohe Bildungsabschlüsse erreichen. Je ärmer die Eltern sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Kinder im Schulsystem versagen. Sehr wenige schaffen es, höhere Bildungsabschlüsse zu erreichen.
Damit sind Familien in der Armutsfalle gefangen. Einen Ausweg zu finden ist sehr schwer, die Hoffnung gering.
Etablierte Politiker würden sicher einwenden, dass mit dem “Bildung und Teilhabepaket” (BuT) für Kinder Abhilfe geschaffen wurde. Schlussendlich hätte man doch an alles gedacht: Erstattung der Kosten von Klassenfahrten, Schulausflügen, Nachhilfe, Vereinsmitgliedsbeiträgen, Mensaessen, Busfahrkarten – alles kann beim Jobcenter beantragt werden, wenn die Eltern “leistungsberechtigt”, also arm, sind.
Doch dieser Schluss ist zu voreilig. Mit dem BuT für Kinder haben die Politiker ein komplexes Wirrwarr an Leistungsansprüchen geschaffen, die alle einzeln beantragt werden müssen. Etliche Eltern wissen nach wie vor nicht, welche Leistungen sie überhaupt beantragen könnten, denn den Mitarbeitern in den Jobcentern fehlt die Zeit für lange Beratungsgespräche.
Diese Situation wird sich in den nächsten Jahren durch die Kinder der geflüchteten Menschen verschärfen.
Andere Eltern zögern, weil sie die Stigmatisierung ihres Kindes fürchten. Für jede Kostenerstattung müssen nämlich Lehrer, Trainer im Verein oder Betreuer Anträge ausfüllen.
Damit bekommen die Kinder täglich vor Augen geführt, was sie sind und was sie von anderen unterscheidet: Die dokumentierte Armut. Häufig verzichten die Eltern lieber, deshalb werden nach wie vor viele Gelder aus dem BuT nicht abgerufen.
Wie kann Kinderarmut wirksam bekämpft werden?
Kinder in Deutschland sind arm, weil ihre Eltern arm sind. Das ist ein plakative Einsicht. Alleinerziehende gelten als armutsgefährdet, da sie im Vergleich zu doppelverdienenden Paaren höhere Lebenshaltungskosten haben und schlechter Arbeitsstellen finden. Zu dieser Problemlage kommt die Tatsache, dass die Kinderbetreuung in Deutschland sehr teuer und häufig noch unflexibel ist. Eine mögliche Lösung wäre der konsequente Ausbau der Kinderkrippen und Kitas. Aber auch ein höherer Mindestlohn wäre eine Maßnahme, die alleinerziehenden Eltern und Kindern aus der Armutsfalle hilft.
Fazit
Etwas weiter geblickt, ist es jedoch am wichtigsten, eine grundsätzliche Frage zu klären: Wollen wir uns damit abfinden, dass Kinder arm sind oder wollen wir Kinderarmut abschaffen? Sind wir bereit dafür die Kosten zu tragen?
Kinder sind arm, weil ihre Eltern arm sind. Das muss aber nicht so sein. Beziehen die Eltern Hartz IV oder sind sie Aufstocker, wird der Bedarf der Kinder nach Alter gestaffelt “klein gerechnet”.
Die Ämter gehen davon aus, dass der Bedarf der Kinder geringer ist, als der Erwachsener. Im Jahr 2010 erklärte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, die Leistungen seien – besonders bei Kindern – nicht korrekt ermittelt worden. Die Einführung des BuT hat da kaum Abhilfe geschaffen.
Würde jedes Kind unbürokratisch einen feststehenden Betrag bekommen, wäre Kinderarmut schnell kein Thema mehr. Der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes Heinz Hilger forderte bereits im Jahr 2014 eine Kindergrundsicherung von 500 € im Monat.
Aber das setzt Vertrauen voraus. Vertrauen in die Einsicht der Eltern, dass sie das Geld ihren Kindern zugutekommen lassen. Vertrauen, dass es nicht notwendig ist, wie beim Bildung und Teilhabepaket für Kinder, jede kleine Einzelleistung zu genehmigen.
Ein solche Maßnahme würde massiv zur Entlastung der Ämter beitragen, der Stigmatisierung der Kinder Abhilfe schaffen und zu mehr Chancengleichheit beitragen.
Passender Antrag zum Bundesparteitag in Lampertheim am 20.+21.2.2016: https://sozialpiraten.piratenpad.de/BPT2016-Kindergrundsicherung
Das Aushängeschild der Piraten war bisher immer der Einsatz für das bedingungslose Grundeinkommen jetzt lese ich immer öfter vom Mindestlohn, schade eigentlich.-
Wenn wir uns die derzeitigen Wirren allein in unserem Land mal ansehen, dann ist die Kinderarmut nur eines von vielen Themen wovon unser aller Glücklichsein abhängt. Die Basis für eine funktionierende Gesellschaft ist die Klassische Familie. Wenn man ihr nicht mehr vertrauen kann oder will, dann laufen auch viele andere Dinge gewaltig daneben. Es wird Zeit, dass wir uns wieder auf alte bewährte Lebenskonzepte (Familienkonzepte) besinnen und sie durch unsere heutigen Möglichkeiten sinnvoll ergänzen. Die Eltern sollten jedenfalls mehrere Optionen haben: Eine Variante ist jede Kleinigkeit beantragen zu können; Eine andere wäre, eine Punktekarte für alle Kinder damit wenigstens ein Mindeststandard gewährleistet ist. Oder eben die Geldvariante. Nicht nur die sogenannte Flüchtlingsfinanzierung lässt deutlich erkennen, dass es an Geld nicht mangelt, wenn etwas auch gegen den Willen der Mehrheit durchgesetzt werden soll.