Sehr schnell liefen die Twitter-Timelines diese Woche heiß, als bekannt wurde, dass der Bundestag rund 600.000 € an Zahlungen von der Piratenpartei zurückfordert. Unter dem Hashtag #piratenpleite wurde fleißig darüber spekuliert, darum gebangt und an vielen Stellen sicher auch gehofft, dass die Piraten durch diese Forderung in den Ruin getrieben werden. Vorstandsvorsitzender Stefan Körner (@sekor) konnte die Gemüter jedoch recht schnell wieder beruhigen, indem er auf Twitter schrieb:
#piratenpleite? Kein Panik Leute, wir wussten, dass eine Rückforderung kommt und haben dafür fast 1 Mio Euro auf dem Konto. Alles gut 😉
Keine Pleite also. Eigentlich sollte das auch nicht überraschen – schließlich ist es die Aufgabe des Bundesvorstands, die Finanzen der Partei zu planen und im Blick zu behalten. Die Aufforderung zur Rückzahlung war Teil dieses Plans.
Dennoch ist es kein Geheimnis, dass die finanzielle Lage der Piratenpartei nicht mehr so gut aussieht, wie das noch vor wenigen Jahren der Fall war. Abfallende Mitgliederzahlen, geringe Zahlungsbereitschaft und geringere Spenden lassen nach abzug fixer Kosten immer weniger Geld für die politische Arbeit der Partei übrig. Doch wie sieht die finanzielle Situation wirklich aus? Wir haben uns mit Lothar Krauß, stellvertretendem Bundesschatzmeister, darüber unterhalten.
Flaschenpost: Hallo Lothar. Danke, dass du dir die Zeit nimmst, ein wenig mit uns über die aktuelle Finanzlage der Piratenpartei zu sprechen.
Lothar Krauß: Hallo Steve. Ich freue mich, dass Du mir hier die Möglichkeit gibst, etwas über das Thema zu äußern.
Flaschenpost: Häme war nicht knapp, als die Nachricht wegen der Rückzahlung – inbesondere auf Twitter mit dem Hashtag #piratenpleite – herumging. Wir wissen nun, dass wir nicht pleite sind, aber mal in Zahlen gesprochen: Wie viel ist wirklich übrig und wie sieht es im Vergleich zu den Vorjahren aus?
Lothar Krauß: Dass eine größere Rückzahlung ansteht, wurde schon im Dezember in den Berichten der Vorstandssitzung erwähnt, und war aufgrund der Einnahmesituation 2014 auch nicht überraschend. Da solche Rückzahlungen immer drohen, verfahren wir im Bund, schon seit wir das erste mal in 2010 Parteienfinanzierung erhalten haben, nach dem Prinzip, dass wir die Abschlagszahlungen zuerst einmal zurücklegen und erst im Folgejahr verwenden, wenn absehbar ist, wie viel wir davon behalten können.
Allerdings war diesmal die Rückzahlung höher als erwartet. Die absolute Obergrenze der Parteienfinanzierung wurde diesmal deutlich überschritten, was wir aber nicht vorhersehen konnten, da dies von den Rechenschaftsberichten aller Parteien abhängt. Dadurch haben wir im Bund im Vergleich zur bisherigen Haushaltsplanung etwa 23.000 Euro weniger Einnahmen. Auch die Landesverbände erhalten über den innerparteilichen Finanzausgleich entsprechend weniger Mittel.
Im Bundesverband werden wir dies notfalls aus einem Überschuss durch die Mahnungswelle Ende 2015 ausgleichen können, aber gerade im Hinblick auf das Wahljahr 2017 wäre es natürlich wünschenswert, wenn wir auch ein kleines finanzielles Polster dorthin übertragen könnten.
Insgesamt hatten wir in 2012 die höchsten Einnahmen, seitdem gehen sie Jahr für Jahr zurück. Aktuelle Daten können auf http://finanzen.piratenpartei.de abgerufen werden. Für den Bundesverband sind die Daten sehr aktuell, Landesverbände haben meistens etwas Rückstand, Gliederungen darunter werden oft nur einmal im Jahr aktualisiert.
Flaschenpost: Wie sieht es für 2017 aus? Dort steht die nächste Rückzahlung an, sollten wir nicht genug einnehmen: Wie viel Parteienfinanzierung bleibt uns und können wir eine eventuelle Rückzahlung auch nächstes Jahr noch aus den Rücklagen begleichen?
Lothar Krauß: Eine Vorhersage ist da sehr schwierig. Wir müssen erst die Rechenschaftsberichte für alle Gliederungen erstellen, bevor wir wirklich belastbare Zahlen haben. Da können wir im Sommer einmal eine grobe Abschätzung versuchen, im Herbst werden sich die Prognosen stabilisieren. Absehbar ist aber, dass die Einnahmen in 2015 nochmals geringer als in 2014 waren, weshalb der Bescheid vom Bundestag in 2017 auch wieder eine Rückzahlung beinhalten dürfte. Da wir, wie erwähnt, die Abschlagszahlungen vom Bundestag nicht im aktuellen Haushalt verwenden, ist allerdings sichergestellt, dass wir diese Rückzahlung auch leisten können.
Flaschenpost: Zwei Anträge für einen erhöhten Mitgliederbeitrag mit unterschiedlichen Varianten bzw. Modulen wurden auf dem BPT 16.1 vorgestellt. Der Parteitag lehnte alle ab. Wäre die anstehende Rückzahlung – auch, wenn davon “nur” unsere Rücklagen betroffen sind – nicht ein Argument für diese Anträge gewesen, wenn dies bekannt war?
Lothar Krauß: Stephanie hatte bei der Vorstellung ihres Antrages explizit darauf hingewiesen, dass die Rückzahlung ansteht. Wir hatten den Bescheid vom Bundestag am Donnerstag vor dem BPT erhalten, sodass sie dort auch die konkrete Zahl nennen konnte. Dennoch hat der Bundesparteitag eine Erhöhung abgelehnt, auch wenn bei dem Antrag auf 72€/Jahr nur sehr knapp die 2/3-Mehrheit verfehlt wurde.
Flaschenpost: Der Mitgliedsbeitrag bleibt also mindestens bis zum zweiten BPT dieses Jahres gleich. Mit den aktuellen Zahlen, wie sieht die Prognose für 2016 aus? Was können wir uns noch leisten und wo müssen wir ggf. mit Kürzungen rechnen?
Lothar Krauß: Wir hatten bereits in 2015 die Situation, dass der Bundesverband aufgrund der Finanzsituation fast nur Verwaltungsstrukturen finanzieren konnte, und für politische Aktionen in den Landesverbänden und Untergliederungen, wo noch entsprechende Finanzpolster existieren, gesammelt wurde. Dies wird in 2016 leider auch fortgeführt werden müssen.
Flaschenpost: Mehr Einnahmen zu generieren wäre natürlich eine Lösung. Einfacher gesagt, als getan. Die Aktion #PIRATEN512K – 512.000 € an Spenden für die Piratenpartei zu generieren – war der Versuch dazu im letzten Jahr. Wie erfolgreich war die Aktion?
Lothar Krauß: Die Aktion blieb leider deutlich hinter den Erwartungen zurück. Es gingen etwas über 10.000 Euro ein, wobei ein großer Teil davon für die Wahlkämpfe Hamburg und Bremen war.
Flaschenpost: Habt ihr in diesem Jahr Aktionen geplant, um mehr Einnahmen zu generieren, beispielsweise durch vermehrtes Werben für neue Mitglieder oder durch Spendenaufrufe?
Lothar Krauß: Spendenaufrufe wird es vom Bundesverband natürlich geben. Des Weiteren bietet die Bundesverwaltung seit letztem Jahr ein zentrales Mahnwesen an. Momentan nehmen noch nicht alle Landesverbände teil, aber ich hoffe, dass sich dies bald ändern wird. Die aktuelle Bezahlerquote ist etwa 35%, was definitiv zu niedrig ist. Wenn die Mitglieder regelmäßig auf ausstehende Beiträge hingewiesen werden, hilft dies allen.
Gerade im Hinblick auf die Gesamteinnahmen und der damit verbundenen Parteienfinanzierung sind aber alle Gliederungen in der Pflicht. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits vor 24 Jahren festgestellt, dass Parteien die Pflicht haben, in der Bevölkerung um Unterstützung zu werben. Das geht vor Ort am besten. Das beginnt damit, dass wir alle offen unsere Parteizugehörigkeit zeigen. Wenn sich jemand ehrenamtlich politisch engagiert, muss das wirklich nicht versteckt werden. Und wenn einmal eine gute Aktion geplant wird, die Geld kostet, lohnt es sich durchaus, im Bekanntenkreis darauf hinzuweisen, wenn es für einen konkreten Zweck ist. So erhalten wir Unterstützung sowohl in finanzieller als auch in personeller Hinsicht, da Menschen sich mehr mit den Aktionen beschäftigten.
Außerdem möchte ich die Gelegenheit hier nutzen, unsere Mitglieder darauf aufmerksam zu machen, dass wir in unserer Satzung empfehlen, 1% des Jahresnettogehaltes als freiwilligen Beitrag zu entrichten. Ich weiß, dass viele aktive Piraten auch persönliche, finanzielle Mittel in die Parteiarbeit investieren. Aber gerade im Hinblick auf die abgelehnte Beitragserhöhung bitte ich die Mitglieder einmal zu überprüfen, ob sie den Mitgliedsbeitrag nicht doch freiwillig erhöhen möchten. Wenn ihr den Beitrag selbst überweist könnt ihr einfach den Betrag anpassen, beim Lastschriftverfahren reicht eine entsprechende Email an beitrag@piratenpartei.de
Flaschenpost: Vielen Dank für deine Zeit und viel Erfolg beim Verwalten der Finanzen in diesem Jahr!
Lothar Krauß: Ich danke Dir für Deine Arbeit. Und die Leser möchte ich darauf hinweisen, dass, wenn euch die Flaschenpost gefällt, ihr gerne dafür spenden könnt. Für kleinere Beträge gibt es den Flattr-Button auf der Seite, ihr könnt auch auf das zentrale Beitragskonto mit dem Verwendungszweck “Flaschenpost” spenden. Die Bankdaten findet ihr auf https://spenden.piratenpartei.de. Und schließlich könnt ihr auch Bitcoin für die Flaschenpost spenden, den QR-Code seht ihr unten. Dies ermöglicht es den Redakteuren, bei wichtigen Ereignissen vor Ort dabei zu sein, und in Treffen die Arbeit zu koordinieren.
[Update: Die Adresse der Bitcoin-Wallet, falls ihr nicht den Umweg über den QR-Code gehen wollt, lautet 3KpMqF9r7pU3jz1oqAcmiHRgT2mZezrUHZ]
Hättet ihr den SÄA002 angenommen… Ok, ist nicht mehr lustig. Wenn 72 als Grundbeitrag zu viel sind, warum hat man sich dann nicht auf 60 verständigt, das wäre 2/3-mehrheitsfähig gewesen, und für den nächsten Parteitag dann eine differenzierte aber nachvollziehbare Beitragsordnung vorgelegt?
Diese könnet so aussehen
auch für die erhöhten Beiträge muss gelten: wenn die persönliche Situation es nicht zulässt (Schulden, Unterhaltsverpflichtungen etc.), kann auf Antrag für jeweils 1 Jahr ermäßig werden bis 0 (Selbsteinschätzung des Mitglieds, ohne Nachweis/Bürokratie).
Die grottige Zahlungsmoral und chronische Vergesslichkeit was Beitragszahlungen angeht in der Partei ist übrigens das Hauptproblem. Würden alle das zahlen wozu sie gemäß Satzung verpflichtet sind, hätten wir auch mit 48 Euro /12 Euro ermäßigt nicht diese Finanzprobleme.
Man muss übrigens auch das verheerende öffentliche Bild bedenken, das durch eine Partei entsteht, bei der die Mitglieder zu über der Hälfte noch nicht mal ihre Pflichtbeiträge zahlen. Jeder Wähler wird sich dann auch überlegen, was die später in den Parlamenten machen. Statistisch gesehen ist zu erwarten: über die Hälfte wird noch nicht mal ihre Pflichtaufgaben erfüllen, also z.B. Anwesenheit bei allen Sitzungen.
Eine gewissen Mindestdisziplin ist auch in einer bunten,chaotischen jungen Partei nun mal erforderlich, sonst muss man sich über Misserfolge nicht wundern.