
HTTP 451 Unavailable For Legal Reasons | CC BY 4.0 Michael Renner

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Seit Ende 2015 gibt es ihn, den HTTP-Statuscode 451, der meist als Code für Zensur-Sperrungen bezeichnet wird, auch wenn die eigentliche Beschreibung „Unavailable For Legal Reasons“ nur auf „rechtliche Gründe“ hinweist. Die Zahl 451 stellt dabei eine Andeutung auf den dystopischen Roman Fahrenheit 451 von Ray Bradbury dar. Doch die Suche nach 451-Fehlerseiten verläuft ohne einen einzigen Treffer. Die Ursache liegt weniger darin begründet, dass keine Seiten aufgrund gesetzlicher Vorgaben gelöscht werden sondern darin, dass niemand darüber sprechen mag oder darf.
Die Webserver
Die offiziellen Webserver von Apache, ngnix und Microsoft, unterstützen den neuen „451“ noch nicht. Dies wäre allerdings die Grundvoraussetzung dafür, dass der neue Code auf eine auf Anordnung gelöscht Seite hinweisen kann. Für Apaches httpd gibt es immerhin einen Patch, der die aktuelle Version um diese Möglichkeit erweitert. Wann diese Erweiterung jedoch in die offizielle Version aufgenommen wird und damit allen Nutzern zur Verfügung steht, ist noch nicht geklärt.
Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk
Die Apache-Entwickler können sich mit ihrer Entscheidung Zeit lassen, denn Interesse am neuen „451“ ist auch dort nicht erkennbar, wo Inhalte schon seit 2009 kurze Zeit nach der Veröffentlichung wieder gelöscht werden müssen: Bei den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten. Der 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag bestimmt, dass gebührenfinanzierte Angebote nach kurzer „Verweildauer“ auf dem Webservern depubliziert werden müssen. Auf einer Seite des WDR werden die unterschiedlichen Fristen genannt: Bei vielen Inhalten ist diese Verweildauer ein Jahr. Eine Vielzahl von aktuellen Fernsehsendungen (wie etwa die Aktuelle Stunde und die Lokalzeit-Sendungen) bleibt als komplette Sendung nur sieben Tage „on demand“ abrufbar. Wenige ausgewählte Einzelbeiträge dürfen bis zu einem Jahr im Netz bleiben. Die 80 bis 90 Prozent der Internetinhalte, die aufgrund des geänderten Staatsvertrages gelöscht werden müssen, wären ein heißer Kandidat für den neuen Fehlercode – wenn die Sender nur wollten.
Beim ZDF verfolgen die zuständigen Fachbereiche zwar die im Netz geführten Debatten aufmerksam, doch möchten die Mainzer Fernsehmacher nicht, dass die Zuschauer und Nutzer einen nicht mehr verfügbaren Inhalt des ZDF mit den Suchsperren der Suchmaschinen verwechseln, da „die gesetzlichen Grundlagen und die auf dieser Basis angewandten Depublikationsprozesse unterschiedlich sind“. Damit will das ZDF nach eigener Aussage Missverständnisse und falsche Interpretationen verhindern. Auch der Bayerische Rundfunk unterscheidet derzeit nicht zwischen Inhalten, die wegen abgelaufener Verweildauer nicht mehr erreichbar sind oder solchen, die aus anderen Gründen depubliziert wurden und solchen, bei denen aus anderen Gründen eine Fehlermeldung erscheint (zum Beispiel wegen eines Tippfehlers bei der Eingabe der URL). Auch beim Bayrischen Rundfunk in München ist es bislang nicht geplant, beim Aufruf von Inhalten, die wegen abgelaufener Verweildauer depubliziert wurden, den Statuscode 451 zurückzugeben. Ginge es nach uns Piraten, würde die Depublizierungspflicht abgeschafft, womit den Sendeanstalten auch die Entscheidung zwischen den Fehlern 404 und 451 erspart bliebe.
Onlinezeitungen
Auch große Tageszeitungen waren in der Vergangenheit von Löschanordnungen betroffen. Bei ZEIT ONLINE wird das Thema derzeit immerhin diskutiert, wann eine eindeutige Entscheidung getroffen wird, war jedoch auf Nachfrage nicht zu erfahren. Andere Onlineredaktionen renommierter Tageszeitungen, bei denen wir anfragten, reagierten bis zur Veröffentlichung dieses Artikels nicht. Die Flaschenpost wurde in den sechs Jahren ihres Bestehens noch nicht gezwungen, Artikel zu ändern oder gar zu löschen. Sollte wir eines Tages doch dazu verurteilt werden ist ein „451 – Unavailable For Legal Reasons“ sicher das Mittel der Wahl, um dies umzusetzen.
Wikipedia
In der Vergangenheit gab es Versuche, Artikel der Online-Enzyklopädie per Anordnung vollständig unerreichbar zu machen. Zum einen betraf das Artikel, die Wikipedia aufgrund einer Klage löschen sollte, zum anderen, weil sich Geheimdienste an Details störte. Daneben löscht Wikipedia selbst zahlreiche Artikel, falls sie den Relevanzkriterien nicht genügen. In Artikeln selbst werden Löschungen im Text als Bearbeitungsvermerk gekennzeichnet, bei Bildern werden auf Commons z.B. Bausteine mit Hinweisen auf die aktuelle Rechtssituation eingeblendet. Wenn Seiten gar nicht existieren, gibt es keine Fehlermeldung, sondern den Hinweis, dass man diesen Artikel ja gerne anlegen bzw. die Datei gerne hochladen kann. Ob der neue Statuscode bei der Wikimedia Foundation eine eigene Nische besetzen kann, lässt sich heute noch nicht absehen.
Verschwiegenheitsverpflichtung
Einzelne Seiten könnten gezwungen werden, auch weiterhin für zwangsweise gelöschte Seiten das klassische „HTTP 404 (File Not Found)“ zu melden. So ist es Internetprovidern in England verboten, für die in der Internet Watch Foundation blacklist gesperrten Seiten zu zeigen, dass diese Seite gesperrt ist. Es gibt Hinweise, dass Ähnliches für Tschechiens Provider gilt. Gravierender wirkt sich jedoch das europäische „Recht auf Vergessen“ aus. Es verpflichtet Suchmaschinen dazu, einzelne Seiten erst gar nicht mehr in den Suchergebnissen anzuzeigen. Für solche Seiten ist es ohnehin egal ob ein 404, ein 451 oder ein Hinweise auf eine blockierte Seite zurückgeliefert wird.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.
Interessanter Artikel.Ich wusste gar nicht, dass das Zensieren/Verschleiern schon so weit um sich gegriffen hat. Bei den öffentlich rechtlichen Sendern beginnt dies allerdings schon damit, dass man wahrheitsnahe und damit unbequeme Sendungen häufig nur im Schutze der Nacht ausstrahlt.