Nach jedem Anschlag, nach jeder Untat hört man von unkundiger Seite den Ruf nach mehr Videoüberwachung und mehr Daten. Daten aus jeder Quelle und Verknüpfung dieser Daten durch alle möglichen Leute – auch international. Denn mehr hilft mehr, so die Logik.
Leider stimmt das nicht, eher das Gegenteil ist wahr – hier einmal ein paar Argumente:
Die Vergrößerung des Heuhaufens
Auch wenn es immer wirkungsvollere Algorithmen gibt, um schon bestehende Datenberge nach Unregelmäßigkeiten zu durchsuchen: Je mehr Heu auf dem Haufen liegt, desto schwieriger wird es die Nadeln zu finden. Und je mehr Heu es gibt, desto mehr „false positives“ fallen am Ende aus dem Ausgabeschacht. Irgendjemand (TM) muss dann von Hand diese von den echten Nadeln unterscheiden. Je mehr Daten aber, desto mehr Handarbeit – und die Anzahl der Analysten ist endlich.
Selbst China, das für die Überwachung seiner Bürger an an diese Strategie glaubt und versucht, mit schierer Manpower das Netz, alle Firmen und alle Bürger zu kontrollieren – selbst China schafft das nicht, auch dort gibt es Anschläge und Aufstände.
Die Nadeln sind nicht im Heu
Jeder Attentäter, der auch nur seinen Hintern von einem Loch im Boden unterscheiden kann, wird über kurz oder lang jede Form der Kommunikation über Anschläge oder ähnliches verändern – so er dies nicht sowieso schon tut.
Vollverschlüsselung, Medienwechsel, Steganografie, … – oder eine Kombination von allem. Nichts ist für eine motivierte Gruppe einfacher, als dafür zu sorgen, dass es gar keine Nadeln im durchsuchtem Heuhaufen gibt. Als Beispiel sei die „italienische Maffia“ genannt, die schon seit Jahrzehnten wirklich vertrauliche Informationen per handgeschriebener Notiz und Boten austauscht – da brachte auch die beste Personen-, Daten- und Telefonüberwachung nichts.
Das Heu verfilzt
Verschlüsselung greift immer mehr um sich, zurecht in Anbetracht des Bedürfnisses von Unternehmen, Anwälten, Ärzten, Poltikern, Pfarrern, Bürgern etc. nach einer vertraulichen Kommunikation. Denn keiner möchte, dass die Konkurrenz (direkt oder über einen fremden Dienst) oder der Verhandlungspartner, oder der Nachbar oder sonstwer vertrauliche Daten erhält.
In dem immer größer werdenden Wust von Metadaten, die trotz allem sichtbar sind, verwischen sich dadurch immer mehr die Spuren von Attentätern, die sich dieser Methoden bedienen (werden). Je mehr also verschlüsselt kommuniziert wird (was an sich schon als verdächtig gilt), umso mehr Querverbindungen entstehen – das Heu verfilzt quasi, und eventuell vorhandene Nadeln können immer schlechter vom Heu getrennt werden.
Zu viel Stroh im Heuhaufen
Wer sich mit der Zusammenführung einer Massenüberwachung beschäftigt, der weiß, dass es eine gr0ße Anzahl von Einzelereignissen gibt, die keiner realen Person zugeordnet werden können. Handys ohne realen Inhaber, PrePaid-Kreditkarten, Bargeldeinkäufe, Strohmannhandlungen …
All dies führt dazu, dass diese Datensätze vor einer Zusammenfassung entweder ignoriert werden (müssen) oder als Einzelfälle in eine Warteposition kommen – wo sie dann vergammeln oder manuell gesichtet werden müssen. Beim manuellem Aussortieren des Strohs (nicht zuordnungsfähige Daten) aus dem Heuhaufen geschehen dann Fehler – abgesehen davon, dass die Anzahl der Analysten endlich ist.
Fazit
Mit mehr Überwachung fasst niemand einen auch nur halbwegs des Lesens mächtigen Attentäter. Und wenn doch, dann nur die ersten paar – der Nachwuchs wird dann eben nicht nur im Bombenlegen und Schießen trainiert, sondern auch in anonymer Kommunikation.
Und je umfangreicher die Überwachung aller digitalen Vorgänge ist, umso mehr werden diese verschlüsselt, anonym getätigt oder anderweitig maskiert – von Bürgern, Unternehmen, … das mit dem verfilzen …
Entweder wissen dies diejenigen nicht, die mehr und besser verknüpftere Datensammlungen fordern, dann sind sie unfähig für ihre Aufgabe und gehören ausgebildet oder ausgetauscht. Oder sie wissen es, dann sind sie dreiste Lügner und bezwecken etwas anderes – dann gehören sie abgewählt.
Redaktionsmitglied Sperling
Redakteur seit 2011, Kernteam der Redaktion seit 2013. De facto "Leitung" ab 2016, irgendwann auch offiziell Chefredakteur - bis 2023. Schreibt und Podcastet nur wenn ihm die Laune danach steht, zahlt aktuell die Infrastruktur der Flaschenpost, muss aber zum Glück nicht haften 🙂