Drei Jahre sind vergangen, seitdem das sogenannte „Leistungsschutzrecht“ von der Bundesregierung abgesegnet wurde. Zur Erinnerung: Mit dieser Ergänzung zum Urheberrecht soll gewährleistet werden, dass Suchmaschinenanbieter und Aggregatoren im Internet nicht unberechtigt Snippets – sprich kurze Auszüge – von Artikeln anzeigen. Unberechtigt bedeutet in diesem Falle unentgeltlich. Die Anschuldigung der Verlagshäuser war, dass Aggregatoren, wie zum Beispiel und insbesondere Google News, durch die Werbung auf ihren Seiten von den Ausschnitten der Artikel profitieren.
Per se war es keine Urheberrechtsverletzung, und dennoch schienen sich die Verlage um ihren Profit betrogen zu fühlen. Dass dies vielleicht eher mit einem veralteten Geschäftsmodell zusammenhängt, war kein Hindernis. Mit guter Lobbyarbeit kam das Gesetz durch, wenn auch in abgeschwächter – sprich unklarer – Form.
Drei Jahre sind genug, um eine Bilanz zu ziehen. Kurz bevor das Gesetz eingeführt wurde, regte sich der erste Widerstand von einem der Hauptbetroffenen selbst: Google. Das Unternehmen wandte sich an die Presseverleger und verlangte eine kostenlose Lizenz. Andernfalls würden die Inhalte der Verleger nicht mehr bei Google News gelistet werden – auch, wenn sie weiter in den normalen Suchergebnissen aufgeführt werden würden. Unter den ersten, die dem zustimmten, waren die größten Fürsprecher für das Leistungsschutzrecht, wie die Verlage Axel Springer, Burda und FAZ.
Andere Wettbewerber dagegen reagierten, indem sie ihre Suchresultate anpassten und ihre Dienste vorsorglich einschränkten. Als einzige Suchmaschine mit einer kostenlosen Lizenz der VG Media, die das Leistungsschutzrecht für viele Verleger vertritt, bleibt Google. Das verschafft dem Suchmaschinenriesen mit so und so schon monopolähnlichen Strukturen einen weiteren Wettbewerbsvorteil.
Im Dezember 2014 beschäftigte sich der Digitale Ausschuss des Bundestags mit dem Leistungsschutzrecht. Fünf Experten wurden gebeten, ihre Bewertung abzugeben. Die einstimmige Überzeugung aller Experten: Das Leistungsschutzrecht ist eine Katastrophe und sollte abgeschafft werden. Prof. Dr. Axel Metzger von der Humboldt-Universität Berlin verwies auf das Leistungsschutzrecht als „unausgegoren, kurzatmig und lobbygetrieben“. „Das Gesetz richtet Tag für Tag Schaden an“, so Judith Steinbrecher vom IT-Branchenverband. Philipp Otto, Redaktionsleiter bei iRights.info, bezeichnete das Gesetz als „völligen Quatsch und nicht europarechtskonform“.
Besonders das letzte Zitat sollte sich Günther Oettinger, seines Zeichens EU-Kommissar für Digitalwirtschaft, zu Herzen nehmen. Nach einem Leak Anfang des Monats wurde bekannt, dass auch die EU ein Leistungsschutzrecht plant. Der Vorschlag soll am 21. September von Oettinger präsentiert werden. Eine Reform des Urheberrechts wäre dringend notwendig – ein weiteres, lobbygetriebenes Leistungsschutzrecht, das veraltete Geschäftsmodelle von Verlagen auf Kosten von Innovation und freien Zugang zu Informationen schützen soll, wäre allerdings ein Schritt in die völlig falsche Richtung.
Julia Reda, Abgeordnete der Piratenpartei im EU-Parlament, kritisierte das Vorhaben bereits. Über die Gesetzesvorschläge zum Urheberrecht schrieb sie dazu in ihrem Blog: „[Die Kommission] ignoriert darin nahezu völlig die Anliegen, Vorgaben, Studien und Konsultationen der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft, des Europäischen Parlaments, von Oettingers Amtsvorgängerin und vielen anderen, die eine progressive Urheberrechtsreform einfordern.“
Wie damals zum Leistungsschutzrecht in Deutschland regt sich viel Widerstand. Auch der Verband der Interwirtschaft eco zieht ein entsprechendes Fazit. „Die Regelung ist faktisch krachend gescheitert und hat keinem der beteiligten Akteure irgendetwas genutzt“, so der Verband in einer Pressemitteilung.
Von dem allen scheint sich Oettinger nicht beeindrucken lassen. Er wehrt sich gegen die Kritik mit denselben Argumenten, die bereits damals vorgebracht wurden. Es richte sich nicht gegen Google, private Nutzer werden keine Nachteile dadurch erhalten, die Verlage sollten gegenüber anderen Anbietern gestärkt werden.
Das Fazit zum deutschen Leistungsschutzrecht ist recht eindeutig. Dass es mit dem EU-Leistungsschutzrecht anders aussehen wird, darf bezweifelt werden. Vielleicht sollte Herr Oettinger aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Auch wenn die Lobby noch so laut ruft, das Urteil der Experten ist ziemlich eindeutig. Ob Oettinger es wirklich besser machen kann, werden wir am 21. September sehen.