Die Klausursitzung des frisch gewählten Bundesvorstands gehört zu den festen Einrichtungen der Piratenpartei. Im August wurde in Wolfenbüttel der 11. Bundesvorstand gewählt, Anfang Oktober traf man sich um Eckpunkte abzusprechen und sich besser kennenzulernen.
Flaschenpost: Carsten, als Hannoveraner hattest du wahrschenlich die kürzeste Anreise zur Geschäftsstelle des Landesverbands Niedersachsen, oder?
Carsten Sawosch:
Absolut, als es in die Planung ging, habe ich Hannover vorgeschlagen, da ich hier ansässig bin und einige Möglichkeiten für die Durchführung mit einbringen konnte. Als Tagungsort konnten wir die Geschäftsstelle vom LV NDS und RV Hannover nutzen. Die Abendveranstaltungen konnten so an Orten stattfinden, welche mir bekannt waren und auch die ordentliche Unterbringung war kein Problem, da auch dafür bereits Erfahrungen zur Verfügung standen.
Flaschenpost: In Wolfenbüttel wurde der grösste Teil der Vorstände im Amt bestätigt. Fiel das “come together” deswegen zugunsten der Sachthemen kürzer aus?
Carsten Sawosch:
Drei vorherige Bundesvorstände wurden in Wolfenbüttel wiedergewählt, fünf wurden neu gewählt. Aber unabhängig davon geht ja jeder mit einer doch recht eigenen Agenda in sein Vorstandsamt, so dass grundsätzlich erst einmal der Bedarf einer gewissen Konsolidierung besteht. Allerdings hatten wir hier den Vorteil, dass wir keine Solisten wollen, sondern gemeinsam ein Ziel erreichen möchten.
Von daher kann ich sagen, dass es sicherlich unterschiedlich Ansätze und Auffassungen gibt, aber auch dieser Vorstand in der Lage ist, die Themen sachbezogen und ergebnisoffen zu diskutieren.
Flaschenpost: Welche Themen standen auf eurer Agenda?
Carsten Sawosch:
Wir hatten mehrere Themenbereiche, welche die unterschiedlichsten Aufgaben mit sich brachten. Zum einen musste noch ein erheblicher Teil an organisatorischen Dingen geklärt werden, um die Zusammenarbeit sicher zu stellen. Da sind zum Beispiel die Accounts in den einzelnen Ticketsystemen, die diversen Mailinglisten, sowie die Terminabstimmung bereits fixer Termine. Und natürlich sollte auch das politische Feld in der Klausur nicht zu kurz kommen. Letztendlich haben wir da ja das Ergebnis Digitalisierung – Teilhabe – Menschenrechte herausgearbeitet.
Flaschenpost: Die Begriffe Digitalisierung, Teilhabe und Menschenrechte klingen teils nach der Piratenpartei wie wir sie bisher kannten, zum Teil aber auch nach sozialer Verantwortung. Wird die Partei damit reifer? Weg vom Gaming-PC und auch mal an andere denken?
Carsten Sawosch:
Allein bei der Formulierung war es mir extrem wichtig, dass wir damit alle mitnehmen können. Sicherlich hat das auch etwas mit einem gewissen Reifeprozeß zu tun, andererseits sind es Begriffe, welche eben Platz für unser komplettes Programm anbieten. Wir sind programmatisch breit aufgestellt und sollten dies im ersten Eindruck auch nach aussen vermitteln.
Flaschenpost: Lass uns diese drei Begriffe genauer anschauen. Welche Berührungspunkte gibt es zwischen der Politik und der Digitalisierung?
Carsten Sawosch:
Da gibt es etliche Berührungspunkte, welche wir dort wiederfinden werden. Sowohl das eGaming als auch die Arbeitswelt haben dort ihren Platz; natürlich kann man auch noch wesentlich weiter ableiten. Also ist sowohl der soziale Aspekt vertreten als auch ein Ausblick in eine zukünftige Freizeit- und Informationspolitik.
Nach meiner Ansicht ist es wichtig, die Digitalisierung als das zu sehen, was sie sein wird bzw. schon ist und diese muss zukunftsorientiert betrachtet, ja angewandt werden. Es bietet sich hier die Chance, unsere Politik unter diesem Gesichtspunkt zu hinterfragen und neu auszurichten. Wer, wenn nicht wir, die sich im Internet zu Hause fühlen, wissen, wie wichtig es ist, die Menschen bei solchen Entwicklungen mitzunehmen? Wir müssen die Antworten darauf haben, wie sich zum Beispiel die Arbeitswelt, aber auch alle anderen von der Politik beeinflussten Bereiche verändern werden – welche Chancen die Digitalisierung birgt, aber auch welche Probleme damit eventuell einher gehen könnten.
Flaschenpost: Gesellschaftliche Teilhabe ist schon seit einiger Zeit eine Piratenforderung unter dem Begriff “Arbeit und Soziales”. Soll das nun neu beleuchtet werden?
Carsten Sawosch:
Wir haben die klare Aufgabe, unser Programm in vielen Aspekten neu zu beleuchten. Dafür bedarf es auch mal der ein oder anderen Provokation, um die Diskussion zu den Themen einzufordern. Auch ist Teilhabe an sich wesentlich weiter gefasst als “Arbeit und Soziales” und vom Ausdruck her weitaus positiver besetzt.
Flaschenpost: Die Forderung nach der Achtung der Menschenrechte findet sich irgendwie wohl im Wertekanon jeder Partei. Worum ging es bei der Vorstandsklausur konkret?
Carsten Sawosch:
Natürlich beschäftigt uns die Lage im Bereich Flüchtlingspolitik und das Erstarken deutlich rechts gerichteter Strömungen; hier haben wir natürlich die deutlichsten Ansätze. Aber hier gibt es noch mehr Unterthemen, welche wir nicht aus den Augen verlieren dürfen, auch wenn sie in Anbetracht der Gesamtsituation aktuell eine weniger gewichtige Rolle spielen müssen. Da ist weiterhin die Freiheit im Subjektiven sowie eine Notwendigkeit einer umfassenden Integration.
Flaschenpost: Das muss jetzt diskutiert werden, richtig? Bis zum nächsten Bundesparteitag sollte zumindest in einer Tendenz klar sein, ob sich Mehrheiten finden lassen.
Carsten Sawosch:
Sicherlich bedarf es der Diskussion, auch im Einzelnen. Grundsätzlich sollten wir aber endlich verstehen, dass es uns gelingen muss, unsere vorhandenen Kräfte zu bündeln. Dies gilt es, bei definierten gemeinsamen Zielen, umzusetzen.
Flaschenpost: Das klingt interessant, wir versuchen dabei zu sein und unsere Leser auf dem Laufenden zu halten. Danke, dass du dir die Zeit für das Gespräch nehmen konntest.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.