
Dies ist ein Fachartikel der AG Digitaler Wandel und keine Aussage der Piratenpartei. Er spiegelt aber den aktuellen Diskussionsstand in der Piratenpartei wieder.
Es ist noch gar nicht so lange her, da dominierten Schlagzeilen aus dem US-Wahlkampf oder dem Brexit den hiesigen Blätterwald. Ziel der Berichterstattung war die Verwendung von sogenannten „Social Bots“ und deren möglicher „Einfluss“ auf die politische Willensbildung und Entscheidung der Bürger bei wichtigen Abstimmungen. Und auch in Deutschland geraten angesichts der Debatte um den Migrationspakt die Social Bots ganz aktuell wieder in den Verdacht, die politische Meinungsbildung empfindlich zu stören.
Vorreiter diese Theorie sind nicht nur die CDU, von der man peinliche Statements im Bereich der Digitalisierung eigentlich gewöhnt ist – nein, dieses Mal haben sich auch die Grünen in die vorderste Front der Regulierungsfanatiker eingereiht, wie man der Drucksache 19/5950 entnehmen kann.
Dabei wird die Debatte um die „Social Bots“ in den sozialen Netzwerken sträflich verkürzt geführt. Es ist üblich geworden, sich einfachster populistischer Argumentationen zu bedienen, anstatt sich mit dem verschiedenen Möglichkeiten und Einsatzgebieten von Social Bots bzw. Chatbots zu beschäftigen. Was diese sind und wie sie eingesetzt werden können, hat die AG Digitalisierung bereits vor zwei Jahren umfassend und ausführlich in diesem Blogbeitrag beschrieben.
Gefährliche Bots? Nur wenn man Panikmache und Regulierung liebt!
Durch den wachsenden Einfluss von Social Media, sei es nun Facebook, Twitter oder andere Medien, findet politische Meinungsbildung zunehmend auch in den sozialen Netzwerken statt. Natürlich nutzen auch Parteien diese Kanäle ausgiebig um ihre Werbebotschaften an den Wähler zu bringen.
Anhand von Likes, Shares und Hashtags ist es mittlerweile einfach, sich über das aktuelle Tagesgeschehen und die dazu vorherrschenden Meinungen gezielt zu informieren. Bislang gehen die meisten Nutzer davon aus, dass sie auf diesen Kanälen überwiegend mit realen Menschen interagieren und sich so in einem Diskurs befinden.
An dieser Stelle befürchten CDU und Grüne, dass automatisierte Nachrichten (Bots) die Meinungsbildung der Wähler so sehr beeinflussen könnten, dass diese zunehmend auf Stimmungsmache und #FakeNews hereinfallen.
Es verwundert dabei nicht, wenn ausgerechnet die CDU auf derartige Gedanken kommt. Denn mit Gesetzen zum NetzDG oder der Zustimmung zum Uploadfilter hat sie bewiesen, dass sie einfach nicht verstanden hat, welchen Stellenwert das Internet zur politischen Information und Willensbildung der Wähler inzwischen einnimmt. Zudem kommen nun jene „Politischen Berater“ hinzu, die, von Eigeninteresse getrieben, Regierungen und Parteien vorgaukeln , Bots jederzeit erkennen zu können.
Rein faktisch sind diese Organisationen bzw. Firmen aber bis heute jeden schlüssigen Beweis schuldig geblieben, woran denn nun Social Bots eindeutig erkennbar sein sollen bzw. wie diese dann der demokratischen Meinungsbildung konkret schaden sollen.
Das dafür jeder Beweis fehlt, spielt an dieser Stelle bei CDU und Grünen offensichtlich keine Rolle mehr, denn man möchte „glauben“, nicht wissen. Man möchte offensichtlich die Deutungshoheit über die richtige Art der politischen Willensbildung weiterhin in der Hand behalten, koste es was es wolle.
Ganz um Gegensatz zur CDU, den Grünen und den selbsternannten Beratungsexperten, kommt die Bundeszentrale für politische Bildung klar zu dem Schluss dass „… eine Beeinflussung der politischen Willensbildung kaum nachweisbar ist.“
Selbst Vertreter des CCC konzedieren: „Linus Neumann vom Chaos Computer Club findet, dass die Bedeutung von Social Bots massiv überzogen werde. Die Politik wolle damit nur von einem allgemeinen Vertrauensverlust der Bürger ablenken. Warum sollten Social Bots Wahlen beeinflussen, wenn das seit Jahrzehnten andere Medien nicht geschafft hätten. Bots könnten vorhandene Tendenzen lediglich verstärken – und Verstärkung sei grundlegend für das algorithmische System des Internets.“ –> Quelle
Es ist also sehr offensichtlich, dass sowohl CDU als auch Grüne hier ohne jeglichen Sachverstand eine Regulierung für etwas installieren wollen, was keiner Regulierung bedarf.
In der Politik mag es ja üblich sein auch da Brücken zu bauen, wo gar keine Flüsse sind. Doch an dieser Stelle schießen CDU und Grüne in ihrer Regulierungswut weit über jedes Maß hinaus.
Um es ganz klar zu sagen:
Eine Kennzeichnung von Social Bots macht überhaupt keinen Sinn, weswegen wir als AG Digitaler Wandel eine Kennzeichnungspflicht für Social Bots ablehnen. Letztlich muss man dann auch die Frage stellen: Wer entscheidet darüber, ab welchem Verhalten es sich um einen solchen bot handelt bzw. wer kann letztlich ein Interesse daran haben?
Mehr Investitionen in politische Bildung und Medienkompetenz sind wichtiger, damit die Nutzer des „Neuland“ selbst in der Lage sind, Nachrichten von Bots von denen „richtiger Menschen“ zu unterscheiden und zu bewerten. Damit ist dem politischen Meinungsbildungsprozess durch die Menschen und somit auch der Demokratie mehr gedient.
Oder haben CDU und auch Grüne etwa genau davor Angst?
Redaktionsmitglied Sperling
Redakteur seit 2011, Kernteam der Redaktion seit 2013. De facto "Leitung" ab 2016, irgendwann auch offiziell Chefredakteur - bis 2023. Schreibt und Podcastet nur wenn ihm die Laune danach steht, zahlt aktuell die Infrastruktur der Flaschenpost, muss aber zum Glück nicht haften 🙂