Eine Kolumne von Ullrich Slusarczyk
Ich habe zwangsläufig viel mit Sprache zu tun. Sei es in Diskussionen oder beim Schreiben von Artikeln, beziehungsweise wie jetzt, in einer Kolumne. Dabei gibt es einige sehr wichtige Unterschiede zu beachten. Im persönlichen Gespräch, Auge in Auge, sind die Ausdrucks- und Interpretationsmöglichkeiten andere als bei dem geschriebenen Wort. Sie sind aber auch anders als in einer Audiokonferenz wie z.B. Mumble. In Social Media fällt etwas weg, was es in der Face-to-Face-Kommunikation gibt. Die direkte und unmittelbare Reaktion. Eben eine Konsequenz auf das Gesagte.
Heutzutage findet Kommunikation aber zu einem nicht unerheblichen Teil über Social Media statt. Das können Facebook, Twitter, Instagram oder TikTok sein. Dazu kommen diverse PMs (Personal Message) in den genannten Medien ebenso wie Mails. Ebenfalls in diese Sparte gehören verschiedene Messenger, die Gruppen ermöglichen, wie z. B. Telegram.
Und hier ist etwas zu beobachten, das es so schon immer gab, nur nicht in der Menge. Und zu einem Problem wurde es erst, als es eben nicht mehr nur ein paar Leute in einem sehr speziellen Medium traf, sondern es jetzt jeden treffen konnte.
Bei Telegram sagte kürzlich jemand, die Sprache hätte sich radikalisiert. Das stimmt nicht. Nicht die Sprache hat sich radikalisiert, sondern die Menschen, die sie anwenden. Es ist leicht, Morddrohungen, wie oben zu sehen an Hasnain Kazim zu schicken. Das Interesse des Staates an der Verfolgung solcher Vorfälle hält sich in überschaubaren Grenzen. Es sei denn, man ist amtierender Innensenator in einem Stadtstaat in Deutschland. Dann wird aus der Bezeichnung „1 Pimmel“ ein Staatsverbrechen, das mit Hausdurchsuchung und missbräuchlichem Polizeieinsatz quittiert wird.
Interessanterweise misst der Staat hier oft mit zweierlei Maß. Erschreckend ist aber, wie wenig gegen solche Angriffe vorgegangen wird. Klar ist, es sind Angriffe. Und sie sind gefährlich. Und solange man dafür nicht zur Rechenschaft gezogen wird, werden sie mehr werden. Es hat bereits erste Opfer gegeben. Walter Lübke war eines. Der „Drachenlord“ ein weiteres. Und viele andere, die ich hier jetzt gar nicht alle nennen kann, denn das würde jeden Rahmen sprengen.
Unzählige Frauen, die angegriffen werden, eben weil sie Frau sind und es gewagt haben, eine Meinung zu haben. All die Menschen, die es sich angemaßt haben, zu widersprechen. Und ich meine hier nicht die kleine Anzahl an „Querdenker“, die sich verfolgt fühlen, und behaupten, sie würden diktatorisch unterdrückt. Sondern ganz normale Menschen. Bedauerlicherweise sind ausgerechnet PolitikerInnen und JournalistInnen zu einem nicht unerheblichen Teil schuld an diesem Phänomen.
Sie, die sie die Sprache ja wie keine anderen nutzen, haben Wörter zu Kampfbegriffen auserkoren, sie negativ belastet. Und das so lange, bis sie einen negativen Beiklang hatten. Ein Fall hierfür ist „Antifaschismus“. Aber auch die Bezeichnung „Links/Linker/Linke“ ist ein guter Fall. Heutzutage ist es besser, wenn man nicht Links ist, den dann ist man ja schon fast automatisch mit einem Bein im Gefängnis. Aber auch Fußballfan ist so ein Begriff. Und hat manchmal folgenreiche Auswirkungen. Denn Fußballfans sind ebenfalls beinah zwangsläufig mit einem Bein im Gefängnis oder mindestens kriminell. Diverse Fananwälte können ein Lied davon singen. Und wir? Wir haben all das zugelassen. Uns nicht gewehrt. Weil, es betraf uns ja nicht, sondern „die anderen“.
Es wird Zeit für gesetzliche Regelungen. Zeit, sich zu wehren. Dafür zu sorgen, dass solche „Die Haider“ (die Stalker des Drachenlords) nicht mehr davon kommen.
Stochastischer Terrorismus [1] sollte ein Straftatbestand werden.
Der Piratenpartei täten ein paar zusätzliche Satzungseinträge, die sich mit diesem Thema befassen, ebenfalls gut. Denn genauso ist hier längst nicht alles Gold, was glänzt. Auch bei uns gibt es einige, deren Ego die Ratio locker übertrumpft. Ich gebe zu, es hat deutlich nachgelassen im Laufe der letzten Jahre, aber noch immer ist das Klima gelegentlich sehr, nennen wir es testosterongesteuert und polemisch. Ein paar Diskussionsregeln wären da eventuell hilfreich.
Auch im Bundestag gibt es Regelungen, die zumindest fragwürdig sind.
So darf man andere im Bundestag nicht als Lügner bezeichnen. Dafür gibt es einen Ordnungsruf. Denn, das wäre eine Diskriminierung der Person. Sagt man aber, „Was sie gesagt haben, ist eine Lüge.“, dann ist das Meinungsfreiheit.
Was mich an der Stelle jetzt interessieren würde, ist allerdings Folgendes: wenn jemand eine Lüge sagt, ist er somit nicht auch ein Lügner?
Sie sehen, Sprache ist eine hochinteressante und sehr komplexe Sache. Leider wird sie von einigen wenigen sehr missbräuchlich, um nicht zu sagen schon beinah verbrecherisch eingesetzt.
Ullrich Slusarczyk
[1] https://www.tagesschau.de/faktenfinder/podcast/maskengegner-mord-idar-oberstein-101.html
[1] https://www.br.de/nachrichten/netzwelt/sa-was-ist-neu-am-neuen-rechten-terror,SJWpgd1
[1] https://polit-x.de/de/documents/3657861/bund/bundestag/drucksachen/antwort-2020-05-28-auf-die-kleine-anfrage-drucksache-1918801-stochastischer-terrorismus-im-fokus-der-sicherheitsbehorden
Redaktionsmitglied Ullrich Slusarczyk
1963 in West-Berlin geboren. Jetzt in Hannover. Sehr viel gemacht im Leben und sehr viel gesehen. Schreibe gerne. Bin für direkte Sprache bekannt, manchmal berüchtigt. Halte nichts davon, Fakten auf einem DIN A4 Blatt breitzutreten, wenn das Wort „Idiot“ ausreicht. Schreibe jetzt hier die Kolumne hauptsächlich. Meine Themen sind: Gesundheit, Digitalisierung, Urheberrecht und Energie. Ich bin kein Wissenschaftler, logisches Arbeiten und Denken ist mir aber nicht fremd. Bin ein Wissenschaftsfan. Lese Science Fiction. Habe Karl May gelesen, aber auch Antoine de Saint-Exupéry oder Stanislav Lem.
Nennen wir es aggressiv und polemisch, oder übergriffig, oder irgend etwas anderes nicht Sachfremdes. Oder hast Du Angst, Diskussionsbeiträge könnten an Prostatakrebs erkranken?
Der Diskussionsstil hat nichts mit einem Geschlecht zu tun, entgegen dem Eindruck, den Dein Satz erzeugen will. Es gibt viele männliche PIRATEN, die sehr vorsichtig formulieren; und es gibt auch viele weibliche PIRATEN, die sehr aggressiv und polemisch werden können und die sich Aussagen über ihren Testosteronspiegel (zu recht) streng verbitten.
Darauf, was Diskussionsregeln (sinnvoll) in einer Satzung zu suchen haben, gehst Du auch nicht ein. Wie sollen die durchgesetzt werden – und vor allem, wo? In Parteipublikationen? Dort erlebe ich keine zu harten Diskussionen. Auf Versammlungen? Ist Sache des Versammlungsleiters. Auf Twitter? Hat die Partei keinen Einfluß drauf. Im Privatleben? Geht die Partei nichts an.
Damit, eine interne (N)Etiquette zu formulieren wäre sicher keine schlechte Idee; falls nicht sowieso schon eine existiert, die niemand kennt. Aber in einem Artikel über „Sprache als Waffe“ ist ein Hinweis auf „Testosteronsteuerung“ ein ziemliches Foul, und die Forderung, sie in die Satzung(!) zu schreiben, erscheint mir nicht durchdacht.
Zitat: Oder hast Du Angst, Diskussionsbeiträge könnten an Prostatakrebs erkranken? Zitat Ende.
Das halte ich nicht für ausgeschlossen.
Zitat: Der Diskussionsstil hat nichts mit einem Geschlecht zu tun, entgegen dem Eindruck, den Dein Satz erzeugen will. Zitat Ende.
Das stimmt, den Eindruck will ich erzeugen. Den tatsächlich sind es in 99 von 100 Fällen Männer, die übergriffig und aggressiv reagieren.
Zitat: Darauf, was Diskussionsregeln (sinnvoll) in einer Satzung zu suchen haben, gehst Du auch nicht ein. Zitat Ende.
Tatsächlich beziehen sich die Satzungsänderungen z. B. auf Mobbing.
Diskussionsregeln haben nichts in einer Satzung zu suchen. Und durchgesetzt werden sollen die unter anderem in unserem Forum und in den Messengergruppen. Durch Moderatoren und Admins, wie in vielen anderen Foren und Gruppen auch.
Und was mein angebliches Foul anbetrifft. Ich bin ein Mann. Trotzdem habe ich das geschrieben. In die Satzung gehören entsprechende Regeln (Mobbing), weil sie andere, wie Universitäten, schon längst haben.
Und in eigener Sache. An Krebs kann jeder erkranken. Nur in den seltensten Fällen kann man das sehen. Krebs als Vergleich ist von daher eher ungünstig.
Die Mortalität vieler Diskussionen dahingegen, die so geführt werden wie von mir erwähnt, liegt bei annähernd 100 %.
Deswegen mein Beitrag.
Das halte ich für ein Gerücht, bzw. Confirmation Bias auf Deiner Seite. Aber selbst wenn das so wäre: Hätten dann die „1% Frauen“ einen Freibrief? Du schreibst selbst, daß es Dir nicht um den medizinischen Testosteronkreislauf geht, sondern um Agressivität und Übergriffigkeit. Dann gibt es auch keinen Grund, das nicht zu schreiben.
Mobbing ist ein Straftatbestand, mindestens aber jetzt schon ein Grund für ein PAV vor den Schiedsgerichten. Was bringt es, damit nochmal die Satzung zuzutexten? Nach der Satzung müssen die Schiedsgerichte auf Landes- und Bundesebene urteilen; in zweiter Instanz die Amtsgerichte. Werden dort die Richter anders entscheiden, wenn es in der Satzung steht? Mehr als zweifelhaft.
Und welchen Effekt hat das, vor allem, nachdem einige ziemlich böse Mustang-Court-Fälle auf Basis dieser Gummiregeln geführt wurden? Es stellt die entsprechenden Institutionen als Sauhaufen dar, die Selbstverständlichkeiten nochmal mehrfach ausbuchstabieren. Schlimmer, weil einige Sachen in internen Regeln stehen, die in Strafgesetze gehören, wurden die im Rechtsstaat zuständigen Stellen nicht eingeschaltet; als das vor die StA kam, war nichts mehr nachweisbar, aber die Unis wurden von den Verdächtigten auf Schadensersatz verklagt.
Gute Gründe, keine praktisch irrelevanten Regeln in die Satzung zu schreiben. Auf Basis bestehenden Rechts und bestehender Satzungen (die PIRATEN-Satzung wurde von der FDP geguttenbergt, ist also rechtssicher) müssen Schiedsgerichte stattdessen in die Lage versetzt werden, richtige Entscheidungen zu treffen; wenn das nicht klappt, ist es die Aufgabe des Bundesschiedsgerichts, den Fall an sich zu ziehen. Wenn sich nicht genügend gute Volljuristen und Richter für das Bundesschiedsgericht finden, ist Hopfen und Malz verloren, und auch eine überladene Satzung (die dann nicht mehr rechtssicher ist) bringt nichts mehr.
Dein Artikel leidet jedenfalls daran, daß Du nicht zusammenpassende Themen zusammenschmeißt, die Strafbarkeitslücke bei massenhaftem Mobbing, Dein Geschlechterbild und die Lage in der Partei, obwohl Du
.Was ich schade finde, Deine Punkte außerhalb dieses Abschnitts finde ich sehr wichtig. Der Testosteron-Tiefschlag zieht den Part:
, auf die ewiggestrige Geschlechterrollen-Krieg-Schiene runter, obwohl es ein sehr gutes Beispiel ist.Ja, viele Frauen machen diese Erfahrung; aber die Täter sind dabei auch oft selbst Frauen, und sehr viele Männer u.a. machen – aus anderen Vorwänden – sehr ähnliche Erfahrungen. Wenn überhaupt, ist das Thema „Cybermobbing“ zu wichtig, um es im neuen Aufguß von „die anderen Männer außer ich – die Frauen“ bzw. „die Männer – alle Frauen außer Mama“ zu verschleißen.
Testosteron fördert bei Männern das Sozialverhalten, dazu gibt es viele universitäre Studien:
https://www.uni-hamburg.de/newsletter/september-2014/besser-als-sein-ruf-testosteron-foerdert-auch-soziales-verhalten.html
Oftmals sind die Agressivsten Typen ja nicht unbedingt die Sportlich und Beruflich erfolgreichen Alpha Männer sondern eher die frustrierten Looser die kein sonderlich männliches Erscheinungsbild haben. Z.b. die NPD Demos wo die ganzen alten Bierbäuchigen typen rumlaufen, bei derem Körperbau würde ich eher kein Übermaß an Testosteron vermuten. Genau so wenig wie bei den Weinerlich/Agressiven Incels usw, da ist eher ein frustiges Einzelgängermillieu vorherrschend das nicht gerade vor Männlichkeit strozt.