Nun ist es mal wieder so weit. Die Infektionszahlen schießen in die Höhe. Und was ist mit den Schulen? Wieder unvorbereitet. Erneut hat die alte Regierung – die neue ist meiner Meinung nach noch nicht lange genug im Amt, um als Schuldiger herzuhalten – es versäumt, Vorbereitungen im Schulwesen auf eine neue Corona-Welle zu treffen. Wieder sind etliche Klassenzimmer/Schulen weder digitalisiert, noch mit Lüftungsanlagen ausgestattet. Und fast alle Bildungs-/Kultusminister:innen reden davon, die Schulen um jeden Preis offenzuhalten.
Was sind die Gründe?
Nachvollziehbare Gründe werden keine genannt, es sind vielmehr Scheinargumente wie große Lernrückstände und die Psyche der Kinder. Die Lernrückstände entstehen nicht zwingend durch die geschlossenen Schulen, sondern durch eine mangelnde Vorbereitung auf diesen Fall.
Dabei wäre es die Aufgabe der Kultusministerien der Länder (denn Bildung ist ja bekanntlich Ländersache) gewesen, diese Probleme in den letzten zwei Jahren zu lösen. Passiert ist indes nichts.
Dabei gibt es durchaus Beispiele, wie das hätte gelingen können: Schulen, welche mit Smartboards, Konferenzsoftware und deren Lernende mit entsprechenden Endgeräten ausgestattet sind, hätten deutlich weniger Probleme, ihren Lernenden einen nahtlosen Übergang ins Homeschooling zu ermöglichen.
Auch die Argumentation, dass ausgerechnet die Schulschließungen die Psyche der Kinder massiv beeinträchtigen würde, halte ich in den meisten Fällen für nicht wirklich fundiert [1]. In Italien oder Spanien schließen die Schulen jedes Jahr in den Sommerferien für ganze drei Monate (!), dass in dieser Zeit die psychischen Probleme besonders ansteigen würden, wäre mir aber neu. Es wurden Kinos, Clubs, Jugendtreffs und teilweise auch Sportvereine geschlossen, aber dass nun fast ausschließlich die Schulen ausschlaggebend gewesen sein sollen für psychische Folgen bei Kindern und Jugendlichen, erschließt sich mir nicht wirklich – aber vielleicht habe ich mit meinen 18 Jahren auch einen unrealistischeren Blick darauf als die erfahrenen Politiker:innen.
Außerdem ist Präsenzunterricht unter Pandemiebedingungen nicht gerade belastungsfrei. Jeder, der das behauptet, hat anscheinend noch nie erlebt, wie ein Kind nach einem positiven Test weinend im Sekretariat auf die Abholung durch seine Eltern wartet. Natürlich ist besonders in Grundschulen, für benachteiligte Lernende und Lernende mit Migrationshintergrund, die Präsenz wichtig für den Lernfortschritt. Das will ich auch nicht bestreiten oder daran appellieren alle Schulen sofort zu schließen, aber eine Durchseuchung kann nicht die einzige Alternative sein. Es sollte eigentlich logisch erscheinen, dass ein derartiges schwarz-weiß Denken in der Realität nur sehr selten funktioniert.
Was wäre die Alternative?
Was von der Piratenpartei schon lange gefordert wird, ist beispielsweise eine Aussetzung der Präsenzpflicht. Es kann doch nicht wahr sein, dass Kinder, die aus Angst vor einer Ansteckung oder vor einer Weitergabe an gefährdete Verwandte ein Homeschooling bevorzugen würden, dazu gezwungen werden, in die Schule zu gehen und sich einem Risiko auszusetzen. Aber dieser „freiwillige Hybridunterricht“ würde natürlich in den Schulen auch eine entsprechende Infrastruktur für das Live streamen des Unterrichts an die Lernenden zu Hause voraussetzen. Was wenig überraschend, eher der Ausnahmefall ist. Es ist längst überfällig, dass Schulen sowohl mit der digitalen Ausstattung als auch mit Luftfiltern ausgestattet werden, denn nach zwei Jahren Pandemie ist der aktuelle Stand hierbei mehr als nur enttäuschend.
Außerdem wird es Zeit, die derzeit geltende Präsenzpflicht durch eine Bildungspflicht zu ersetzen. Die Kultusministerkonferenz findet aufgrund der Infektionsgefahr nicht mehr in Präsenz, sondern nun online statt, aber dort wird wieder entschieden, dass der Unterricht weiterhin in Präsenz sein muss. Statt Lernende aus guten Gründen den Distanzunterricht zu ermöglichen, – sei es aufgrund von Angst vor Infektion oder aufgrund vulnerabler Personen im Familien-/Bekanntenkreis – werden diese weiterhin in volle und häufig schlecht belüftete Klassenzimmer gezwungen. Bei Inzidenzen an Schulen von mancherorts 4.000 [2]. Angesichts dieser Zustände haben jetzt auch über 100 Lernendevertretungen unter #WirWerdenLaut mehr Mitspracherecht der Lernenden und auch die Möglichkeit der Selbstbestimmung für diese gefordert in Form einer Aussetzung der Präsenzpflicht, was auch von PIRATEN-Landesverbänden [3] und den Jungen PIRATEN [4] unterstützt wird [5]. Diese Petition hat mittlerweile über 100.000 Unterschriften gesammelt [6] und bundesweit für Diskussionsstoff gesorgt. In der Politik wird erstmal mit dem Verweis auf Gesprächsbereitschaft abgewiegelt, während durch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und den Verband Bildung und Erziehung (VBE) auch von Seit der Lehrenden Unterstützung kommt [7]. Wann und ob die Forderungen umgesetzt werden, steht aber leider immer noch in den Sternen
Fazit
So sind es wieder einmal die Kinder und Jugendlichen, die eine der größten Leidtragenden in dieser Pandemie sind – natürlich abgesehen von Beschäftigten im medizinischen Bereich. Diese Gruppe wird schon wieder kaum beachtet. Denn, wenn man sich so anhört was Politiker:innen dazu von sich geben, kann ich mir nicht vorstellen, dass diese sich vorher mit besonders vielen Lernende unterhalten und sich deren Gedanken und Sorgen angehört hätten. Wie beispielsweise in der Politik auch beim Klimawandel üblich, redet man lieber über die Kinder und Jugendlichen anstatt das Gespräch mit ihnen zu suchen, sich ihre Sorgen, Ängste und Vorschläge anzuhören und auch zu Herzen zu nehmen. Denn eines ist meiner Meinung nach unstrittig: Der Umgang der Politik mit der jungen/folgenden Generationen und die Tatsache, dass er derartige Aufrufe benötigt, ist einem wohlhabenden „Vorreiterstaat“ (wie es gerne von der Politik propagiert wird) alles andere als würdig – sowohl in Bezug auf die Coronapolitik, als natürlich auch beim Kampf gegen den Klimawandel.