
Random euro coin collection IX | CC BY SA 2.0 Till Westermayer
Eine Kolumne von Ullrich Slusarczyk
Als ich den ersten Artikel geschrieben habe [1], habe ich feststellen müssen, sowohl während als auch danach, dass einige Dinge in Sachen Geld offenbar nicht allen klar sind. Deswegen hier Teil 2.
Parteienfinanzierung, das unbekannte Wesen
Um es vorwegzunehmen, ja, wir bekommen Parteienfinanzierung. Hier eine Grafik, die das Jahr 2019 zeigt.

Mit dem Erreichen von 0,7 % bei der Europawahl haben wir Anspruch auf die Parteienfinanzierung, da die zu erreichende Mindestzahl 0,5 % sind. Ein Teil dieser Finanzierung ergibt sich dabei aus den erhaltenen Stimmen. Wir haben 243.302 Stimmen bekommen. Da für die ersten 4 Mio. Stimmen ein erhöhter Satz gezahlt wird, nämlich 1,03 € pro Stimme, erhalten wir diesen und nicht 0,85 € pro Stimme.
Die Wahlbeteiligung lag bei der Europawahl bei 61,38 % in Deutschland. Bei der Bundestagswahl lag die Wahlbeteiligung aber bei 76,6 %. Das bedeutet, dass bei der BTW bei gleichem Wahlergebnis wesentlich mehr Stimmen möglich gewesen wären. Leider haben wir hier versagt. Mit 169.923 Stimmen bzw. 0,4 % haben wir das Ziel klar verpasst. Hier rächt sich die teilweise vorhandene Meinung, dass die BTW nicht wichtig wäre. Aus kaufmännischer, und nicht nur aus dieser Sicht, ist sie allerdings die wichtigste Wahl. Hier gibt es die meisten Stimmen und damit zumindest theoretisch das meiste Geld. Darüber hinaus ist bei der BTW die Sichtbarkeit der Partei zwangsläufig am höchsten, da – auch hier wieder theoretisch, in allen Bundesländern gleichzeitig gewählt wird. Bedauerlicherweise haben das sehr viele Parteimitglieder entweder so nicht im Blick oder sehen das sogar anders. Das daraus entstehende Problem ist sehr vielschichtig.
Wahlkampfausgaben
SPD 2017 24 Millionen € 2021 15 Millionen €
Grüne 2017 5,5 Millionen € 2021 12,5 Millionen €
CDU 2017 20 Millionen € 2021 20 Millionen €
FDP 2017 5 Millionen € 2021 6,5 Millionen €
Alleine diese 4 Parteien haben also 54 Millionen € für den Wahlkampf ausgegeben. Und wir?
Die Summe ist so klein, dass es sich nicht lohnt, darüber zu reden. Aber nehmen wir mal großzügig an, dass alle Aufwendungen vonseiten der Bundespartei und allen Landesverbänden zusammen 500.000 € betragen haben. Dann hätten wir im Vergleich mit der FDP nicht ein Mal 10 % ihres Wahlkampfbudgets erreicht.
Was bedeutet das?
Wahlkampfkosten
Bei der BTW 2021 waren etwa 60,4 Millionen Menschen wahlberechtigt. Nehmen wir an, dass wir pro 1.000 Menschen ein Plakat einsetzen würden. Dann bräuchten wir 60400 Plakate. Diese würden Kosten in Höhe von ca. 103.000 € verursachen. Allerdings sind die Plakate jetzt weder in die einzelnen Bundesländer verteilt, geschweige denn aufgehängt. Wir wären auf keinen Fall in der Lage, so viele Plakate selber zu verteilen, zu lagern und erst recht nicht, sie ordnungsgemäß und innerhalb der vorgegebenen Zeiten zu plakatieren und auch nach Ende der Wahl wieder abzuplakatieren. Das bundesweite Plakatieren und entfernen von 60k Plakaten, würde bereits das Budget sprengen. Aber Plakate alleine sind ja nicht alles. Es braucht auch Flyer, um z. B. Kandidaten vorzustellen, oder das Wahlprogramm zum Verteilen. Will man gar Flyer per Post verschicken, gelangt man schnell in Bereiche, die ausgeschlossen sind. Für das Verteilen von 500.000 Flyern in einem einzigen Bundesland (Niedersachsen) hätte zwischen 100.000 bis zu 350.000 € gekostet. Jetzt hätten wir noch keine Social Media Werbung, keine Aufkleber, Kugelschreiber, Großplakate etc.
Das bedeutet, selbst wenn wir 500.000 € gehabt und auch wie beschrieben eingesetzt hätten, es hätte nicht gereicht. Nimmt man jetzt unser erreichtes Ergebnis, dann haben wir mit extrem wenig Geld und noch weniger Arbeitskraft ein einigermaßen passables Ergebnis hingelegt.
Allerdings, bevor man mit dem Wahlkampf beginnen kann, muss ja, zumindest in unserem Falle, erst einmal Unterschriften gesammelt werden.
Dass das in Zeiten von Corona außerordentlich schwierig sein kann, wissen wir in der Zwischenzeit auch. Das Sammeln von Unterschriften mittels Postwurfsendung ist eine Möglichkeit. Ebenfalls in Niedersachsen wurden 15.000 Postwurfsendungen verteilt.

Die Kosten hierfür beliefen sich auf ca. 6000 €. Das Ergebnis hielt sich mit ca. 200 Unterschriften in einem überschaubaren Rahmen [2].
Ein Rücklauf von einem Prozent ist bei solchen Aktionen normal. Hier unterteilte sich das ganze dabei noch in zwei eher ländliche Gebiete und ein städtisches Gebiet. Der Rücklauf bzw. die Erfolgsquote lag dabei im städtischen Bereich signifikant höher, als in den ländlichen Bereichen. Dabei machte es kaum einen Unterschied, ob mit einem Mandatsträger oder einem Basispiraten angetreten wurde.
Wenn man bedenkt, dass 2000 Unterschriften nötig sind, dann stellt dies eine Hürde dar, die für kleine Parteien wie uns in der Zwischenzeit ohne Geld kaum noch zu erreichen ist.
Und spätestens jetzt sollte jedem klar sein: Einen Wahlkampf kann man nur mit Geld führen. Ohne wird das nichts.
Spenden
45 Cent bekommen wir für jeden Euro, den wir als Mitgliedsbeitrag, Mandatsträgerbeiträgen und Spenden von natürlichen Personen erhalten.
Dabei ist die maximale Zuwendung auf 3.300 € pro Person und Jahr begrenzt. (Man darf uns mehr spenden. Kann die höhere Summe aber nicht mehr bei seiner Einkommenssteuer anrechnen lassen.)
Spenden über 50.000 € müssen beim Bundestagspräsidenten angezeigt werden und werden anschließend auf der Homepage des Bundestages veröffentlicht.
Aus diesem Grund ist zumindest begrenzt ein Einblick möglich [3].
3,3 Millionen haben dabei jeweils die CDU und die Grünen 2021 erhalten. Ich muss zugeben, dass ich nicht weiß, wie viel die Piratenpartei erhalten hat. Anzeigepflichtig war jedenfalls schon mal keine.
Hier muss dringend ein Umdenken stattfinden. Und vor allem muss es deutlich mehr Aktivität in diesem Bereich geben.
Aktionen wie diese: https://www.spendenseite.de/wahlkampfes-f-252-r-den-landtag-niedersachsen-2022/-37457 müssten deutlich öfter und besser beworben werden.
Fazit
Ein Kardinalfehler ist es übrigens auch, anzunehmen, dass wir das, was uns zusteht, auch bekommen. Denn maximal bekommt man soviel, wie man selber einnimmt. Durch Mitgliedsbeiträge und Spenden. Hat man das nicht. Passiert das [4].
Es gibt Bestrebungen, auch die Europawahl mit einer Sperrklausel (in Deutschland die 3 % Hürde) zu versehen. Sollte das passieren, könnte es sein, dass wir auch nicht mehr in das Europaparlament kommen. Zwar fallen wir dadurch nicht automatisch aus der Parteienfinanzierung, aber unser Einfluss und die mediale Präsenz würden noch mehr schwinden.
Bei der Verteilung von Ausschusssitzen und Ähnlichem gehen immer mehr Parlamente in Deutschland zum D’Hondt-Verfahren [5] über. Dieses Verfahren benachteiligt kleine Parteien extrem und führt dazu, dass auch hier der Einfluss und eventuelle Geldflüsse schwinden, die z. B. mit solchen Sitzen verbunden sein können.
Wenn wir Erfolg haben wollen, müssen wir unsere Arbeit, auch im Bereich Geld professionalisieren.
Es heißt: Geld regiert die Welt. Das mag uns nicht gefallen. Sich dem zu verweigern, ist aber wenig hilfreich.
Ullrich Slusarczyk
[1] https://die-flaschenpost.de/2022/02/18/ohne-moos-nix-los/
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Parteispende
[4] https://die-flaschenpost.de/2016/02/27/reden-wir-mal-uebers-geld-interview-mit-lothar-krauss/
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/D%E2%80%99Hondt-Verfahren
Redaktionsmitglied Ullrich Slusarczyk
1963 in West-Berlin geboren. Jetzt in Hannover. Sehr viel gemacht im Leben und sehr viel gesehen. Schreibe gerne. Bin für direkte Sprache bekannt, manchmal berüchtigt. Halte nichts davon, Fakten auf einem DIN A4 Blatt breitzutreten, wenn das Wort „Idiot“ ausreicht. Schreibe jetzt hier die Kolumne hauptsächlich. Meine Themen sind: Gesundheit, Digitalisierung, Urheberrecht und Energie. Ich bin kein Wissenschaftler, logisches Arbeiten und Denken ist mir aber nicht fremd. Bin ein Wissenschaftsfan. Lese Science Fiction. Habe Karl May gelesen, aber auch Antoine de Saint-Exupéry oder Stanislav Lem.
Wenn dem so wäre, dann könnte man auch einfach mit Politik aufhören und brauche gar nicht erst damit anfangen, etwas zu bewegen bzw zu verändern, weil Geld regiere die Welt.
Ja, vielleicht verschwende ich tatsächlich nur Geld und Zeit in Politik.
Mein Problem mit den Piraten (Deshalb bin ich jetzt dieses Wochenende auch ausgetreten) ist das einfach zu wenig Klartext kommuniziert wird.
Da ist einfach keine Unterscheidung mehr von den etablierten vorhanden (wenn man mal das ganz bisschen Internetpolitik außen vorlässt).
Früher waren Piraten rebellisch, Stichwort: „Transparenz statt Korruption“…. Heute sind die Pressemitteilung alle leider zunehmend lieb, brav nett und angepasst. Kaum mehr jemand wo Klartext redet. Dabei gäbe es Stylevorlagen genug, Stichwort. Panama Papers, Russische Oligarchen die Geld verstecken usw alles Themen bei denen man sich Transparenz sehr wünschen würde. Aber thematisch kommt da nix, man macht lieber einen auf „politische Mitte“…. bloß nirgends anstoßen und die heiklen Themen umschiffen. Aber eine Partei die immer weniger Klartext kommuniziert, da wird es eben immer schwieriger sich etwas darunter vorzustellen.
Sorry, da würdet ihr auch mit 20 Millionen Wahlkampf Budget nicht weit kommen. Wer etablierte Politik will kann auch SPD/CDU wählen, wer rebellische Reformpolitik Politik will wird Piraten so wie diese sich derzeit geben eher nicht wählen, unabhängig vom Wahlbudget. Ihr habt euch also genau dahin manövriert wo es eben keine echten Alleinstellungsmerkmale und somit auch keine echten Wählerschichten als Zielgruppe mehr gibt. Das ist sehr schade !!!
Mit dem Klartext reden ist das so eine Sache. Um gewählt zu werden, genügt es nicht, Klartext zu reden oder den Finger in die Wunde zu legen. Man sollte auch Lösungen haben. Ich hingegen schreibe eine Kolumne. Von mir erwartet man, dass ich Klartext rede. Und anders als bei einer Wahl muss ich nicht unbedingt Lösungen präsentieren. Bei mir genügt es, wenn ich anderen aufzeige, dass etwas falsch läuft. Denn dann können diese anderen (eventuell) ja etwas ändern. Eine Partei definiert sich nicht über PMs. Eine Partei definiert sich über Ihr Wahlprogramm und über die, die dieses und die Partei nach außen hin vertreten. Ich persönlich finde, dass es „Sprücheklopfer“ in der Politik schon genug gibt.