
Polizei Fahrzeug Demo
Eine Kolumne von Ullrich Slusarczyk
Seit einigen Wochen ist die Polizei in aller Munde. Leider nicht im positiven Sinne.
Das ist aus vielerlei Gründen schlecht. Ein paar Gedanken dazu.
Braucht es Polizei?
Die Antwort darauf ist kinderleicht. Sie lautet ja. Solange wir aus Gier, Neid, Eifersucht oder verschmähter Liebe morden, werden wir die Polizei brauchen. Und ich befürchte, es wird noch das ein oder andere Jahrhundert vergehen, bis wir uns evolutionär so weiterentwickelt haben, dass solche Morde nicht mehr geschehen. Bis dahin ist Polizei zwingend erforderlich.
Muss die Polizei bewaffnet sein?
Das ist eine schwierige Frage. Es gibt Länder, wie z.B. Großbritannien, wo die Polizisten auf der Straße nicht bewaffnet sind bzw. nur mit einem Schlagstock. Auch in Irland, Neuseeland, Norwegen und Island wird auf Waffen größtenteils verzichtet.
Da in Deutschland, anders als z.B. in den USA nicht jeder an Schusswaffen kommt, halte ich das für den normalen Streifenpolizisten für vertretbar.
Dies würde eventuell auch zu einem anderen Umgang mit psychisch kranken Menschen führen und damit zu weniger Todesfällen. Mit ein Grund, warum die Polizei in den letzten Wochen so in den Schlagzeilen war.
Messerangriffe
Auch sie sind ein Grund für Schlagzeilen. Und das in mehrerlei Hinsicht. Da ist zum einen die steigende Zahl, aber auch die Frage, wie man als Polizei z.B. darauf reagiert.
Dazu ein paar Erläuterungen. So taucht ziemlich oft die Forderung auf, einen Messerangreifer doch ins Bein zu schießen. Die Forderung klingt legitim, schützt sie doch das Leben des Angreifers.
Sehen wir uns das mal etwas genauer an.
Mögen sie Leichtathletik? Dann kennen sie vielleicht Usain Bolt?!
Der Mann hat 2009 den Weltrekord über 100 m Sprint mit 9,58 Sekunden aufgestellt. Nun ist keiner von uns Usain Bolt. Wir brauchen eher 20 – 30 Sekunden für diese Strecke.
Das bedeutet aber auch, dass wir für die Überwindung von 10 m gerade man 2 – 3 Sekunden brauchen. Das ist extrem wenig Zeit, um einen Beinschuss anzubringen, der nicht die Oberschenkelschlagader trifft und so zum Verbluten führt, der nicht den Knochen oder gar das Knie zertrümmert, und einen lebenslang zum Krüppel macht. Und anders als in den USA benutzen wir nicht wie Clint Eastwood alias Dirty Harry eine 45er Magnum, sondern doch eher 9 mm Vollmantel Rundkopf Munition. Die ist nicht unbedingt mannstoppend. Mannstoppende Munition pilzt auf und macht so den Angreifer für mindestens 3 Sekunden handlungsunfähig. Leider erhöht sich dadurch auch der Schaden insgesamt beim Getroffenen. Was also tun, wenn der Angreifer ein Messer hat und weniger als 10 m weg ist. In jedem Selbstverteidigungskurs wird man wahrscheinlich lernen, wegzurennen. Übrigens auch bei der US-Navy!
Bei der Polizei wird man wohl lernen, auf die Körpermitte zu zielen. Warum? Weil es sich dabei um ein wesentlich größeres Ziel handelt, die Chance zu treffen, also erheblich größer ist als bei einem Beinschuss. Und, auch ein Polizist darf sein eigenes Leben über das des Angreifers stellen.
Maschinenpistole
Auch sie war Thema in den letzten Wochen. Das Problem hierbei ist die wahrscheinlich falsche Vorstellung vieler, was eine Maschinenpistole überhaupt ist.
Da dürfte unter anderem der Gedanke sein, dass eine MP unglaublich viele Schuss pro Minute feuert. Und tatsächlich hat eine MP5, die Standardmaschinenpistole der Polizei in DE, und vielen anderen Ländern, eine Kadenz von 900 Schuss pro Minute. Allerdings ist das Magazin mit 15, maximal 30 Patronen bestückt. Die Waffen können dabei unterschiedlich eingesetzt werden, aber vollautomatisch, auch Dauerfeuer genannt, ist etwas für den Kriegsfall oder Flächenkampf. Grundsätzlich ist die MP5 eine Pistole mit einer Schulterstütze. Das macht sie zu einer hochpräzisen Waffe.
Und nicht zu einer Streudose wie ein Maschinengewehr. Das ist der Grund für die sehr hohe Verbreitung der MP5 in verschiedenen Versionen speziell in den verschiedenen Länderpolizeien. Sie beherrscht darüber hinaus verschiedene Schussfolgen wie z.B. zweier und dreier Schussfolgen, die allerdings eher was für besonders trainierte Personen sind.
Sie wird also gerne benutzt, weil sie so präzise ist!
Polizeiordnungsgesetz
Sie haben mich gleich zu Anfang meiner Zeit in der Piratenpartei beschäftigt, die Polizeiordnungsgesetze. Durch sie habe ich gelernt, wie viel Einfluss die Politik durch Gesetze auf die Polizei nimmt. Und wie stark man solche Gesetze missbrauchen kann.
Es war eine sehr intensive Zeit in der ich sehr viele Menschen, auch aus anderen Parteien und Spektren kennengelernt habe. Leider waren wir, trotz z.B. einigen sehr großen Demos, ca. 15.000 bei der ersten Demo in Hannover, zusammen mit den Fußballfans, nicht erfolgreich und die Gesetze wurden in den verschiedenen Bundesländern jeweils beschlossen.
Mit den erwarteten Folgen!
Am 06.08.2022 hat die Polizei in Wolfsburg Fans des SV Werder Bremens am Wolfsburger Bahnhof aufgehalten und ihnen nur dann Zugang zum Stadion und in die Stadt gewährt, wenn sie sich einer Kontrolle unterziehen.
Als Begründung für diese Maßnahme wurde unter anderem Folgendes angeführt.
So habe es „gesicherte Erkenntnisse“ gegeben, „dass es zum Abbrennen von Pyrotechnik innerhalb des Stadions kommen könnte“.
Deswegen wurde nach §14 des NPOG, also des niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes, eine Kontrollstelle eingerichtet.
Und da stellen sich dann doch einige Fragen!
- Gesicherte Erkenntnisse?
- Hat man V-Leute bei den Fußballfans?
- Werden diese beobachtet, weil sie Staatsfeinde oder gar Terroristen sind?
Wenn eine Kontrollstelle eingerichtet wurde nach §14, warum wurden dann nur die Fans des SV Werder Bremens kontrolliert?
Ich habe mit vielem, was so aus den USA zu uns überschwappt, meine Probleme. Aber es gibt auch Sachen, die ich absolut toll finde.
Eines davon ist das Verhältnis der Amerikaner zum Sport. Es ist völlig egal, welche Sportveranstaltung man sich ansieht. Praktisch in allen sieht man ganze Familien, sehr oft sogar mit Babys. Das geht nur, weil es da extrem friedlich zu geht.
In Deutschland allerdings entscheidet neuerdings die Polizei, ob etwas friedlich ist oder nicht.
Hier zeigt sich ganz klar, was an den Polizeigesetzen eben nicht funktioniert und wie man selbige missbrauchen kann. [1]
Fazit
Eine Abschaffung oder ein „Defund“ also ein Streichen der Mittel der Polizei ist Blödsinn.
Unabhängige Beschwerdestellen, die Probleme aufarbeiten, sind dagegen aus meiner Sicht Pflicht und in einigen Ländern in Europa auch schon längst schon Vorschrift. [2]
Aktionen wie die der Polizei in Wolfsburg, würden mich, wenn ich Kinder hätte, schon überlegen lassen, ob ich meinen Kindern einen Stadionbesuch überhaupt erlauben würde.
Dass Vereine durch solche Aktionen auch finanziellen und ideellen Schaden erleiden, ist dagegen offensichtlich. So sind geschätzte 270 Fans nicht zum Spiel gegangen und wieder umgekehrt. [3]
Der Imageschaden für den deutschen Sport allgemein lässt sich gar nicht abschätzen.
In Deutschland gibt es den sogenannten „Schutzbefohlenen“[4].
Für mich persönlich ist jeder Bürger Deutschlands ein Schutzbefohlener der Polizei.
Also auch Demonstranten!
Das alleine deswegen, weil nach Artikel 8 des Grundgesetzes, Versammlungsfreiheit verbürgt ist.
Das gilt für alle Pegida, Nazi und Neonazidemos genauso wie für Klimademos. Rein rechtlich gibt es keinen Unterschied. Und doch wird erkennbar einer gemacht.
Wie es der Polizei möglich ist, eine Schutzbefohlene, die erkennbar bewusstlos ist, einfach liegenzulassen, mit der Begründung, sie würde simulieren, entzieht sich mir. [5]
Dass solche Bilder, wie die unter dem Hashtag #HH1308, zu sehen sind, entsetzt mich. Die Frage, warum Polizisten dabei eine Waffe tragen müssen, will ich lieber nicht beantwortet haben. [6]
Ich bin weder aufseiten der Demonstranten noch auf Seiten der Polizei mit allem einverstanden. Und die teilweise massiven Einmischungen seitens der Politik, hier als ein Beispiel das Pimmelgate genannt, finde ich auch sehr erschreckend, vor allem wegen des zumindest anfänglichen Erfolges, der dann festgestellten Unrechtmäßigkeit und ihrer weitestgehenden völligen Folgenlosigkeit für die Verursacher. [7] [8]
Hier wird es dringend Zeit für eine Reform!
Ullrich Slusarczyk
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Misshandlung_von_Schutzbefohlenen
[5] https://twitter.com/EG_LegalTeam/status/1559249558135267328
[6] https://twitter.com/hashtag/HH1308
[7] https://www.zeit.de/news/2022-08/05/hausdurchuchung-in-pimmelgate-affaere-war-rechtswidrig
[8] https://piraten-nds.de/2020/09/24/wenn-macht-missbraucht-wird/
Redaktionsmitglied Ullrich Slusarczyk
1963 in West-Berlin geboren. Jetzt in Hannover. Sehr viel gemacht im Leben und sehr viel gesehen. Schreibe gerne. Bin für direkte Sprache bekannt, manchmal berüchtigt. Halte nichts davon, Fakten auf einem DIN A4 Blatt breitzutreten, wenn das Wort „Idiot“ ausreicht. Schreibe jetzt hier die Kolumne hauptsächlich. Meine Themen sind: Gesundheit, Digitalisierung, Urheberrecht und Energie. Ich bin kein Wissenschaftler, logisches Arbeiten und Denken ist mir aber nicht fremd. Bin ein Wissenschaftsfan. Lese Science Fiction. Habe Karl May gelesen, aber auch Antoine de Saint-Exupéry oder Stanislav Lem.
Der Fall Oury Jalloh war schlimm. Aber bei den Leuten, die „Fuck the Police“, „ACAB“ oder „Defund the Police“ blöken wäre ich schon gerne Mäuschen, wenn sie „die Bullen“ dann doch mal brauchen.
Im Bahnhof habe ich bei damit patroullierender Polizei dann doch eher Angst vor Querschlägern daraus als vor „Terroristen“. Unabhängig davon wie rational das klingt.
Ich zum Beispiel mit der Propaganda in US-Krimiserien, dass es ein Schuldeingeständnis darstelle, seine Bürgerrechte zu kennen. Achte mal darauf. Die Ermittler wollen häufig so verzweifelt Verdächtige von der Konsultation eines Anwalts abhalten wie Hausanker in ihren TV-Spots reiche Rentner davon abhalten will, mit ihren erwachsenen Kindern zu sprechen.