Eine Kolumne von Ullrich Slusarczyk
Was haben der Winter, das Klima und Wählbarkeitsbescheinigungen gemeinsam?
Politiker und Journalisten.
Es ist Winter und die Hiobsmeldungen in Sachen Klima schlagen jetzt schon auf.
Im Frankreich und Italien muss Wasser gespart werden, die Rede ist von der sogenannten Winterdürre.
https://www.dw.com/de/winterd%C3%BCrre-frankreich-muss-wasser-sparen/a-64856648
Da passt es natürlich wie die Faust aufs Auge, dass in Berlin die „Letzte Generation“ ein Denkmal für das Grundgesetz, die Glasskulptur Grundgesetz 49, mit wahrscheinlich schwarzer Farbe beschmiert haben.
Das verleitete einige Politiker, speziell die, deren Partei bei der Berlin Wahl rausgeflogen sind, zu sprachlichen Attacken, die nach jetziger Rechtsprechung zwar nicht justiziabel sind, es aber meines Erachtens sein sollten.
Da werden Klimaaktivisten und die „Letzte Generation“ im Speziellen mit den Taliban verglichen. Zur Einordnung, die Taliban sind eine terroristische Vereinigung, die nach Schätzungen der UNAMA von 2016 bis 2020 ca. 1300 bis 1600 Menschen jährlich getötet haben. Die Zahlen insgesamt: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/75326/umfrage/getoetete-zivilisten-in-afghanistan-seit-2007/
Darüber hinaus haben die Taliban bewusst Kulturerbe zerstört, unterdrücken, misshandeln, verbieten Bildung und ärztliche Behandlung für Frauen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Taliban
Dem gegenüber steht Farbe auf Glas, die man abwischen kann und auch schon getan hat.
https://twitter.com/MiRo_SPD/status/1631968931639377925
Der CSU-Politiker Florian Hahn hat einen Tweet mit Talibanvergleich in der Zwischenzeit gelöscht.
Die Einordnung als Kriminelle und Straftäter sind Legion und zieht sich queer durch alle Parteien bis auf die Grünen und die Linken. Und hier stellt sich mir eine höchst interessante Frage. Politiker haben eine besondere Verantwortung. Deswegen gelten für sie einige Schutzmaßnahmen. So zum Beispiel die Indemnität, die Abgeordnete schützt, damit diese frei nach Ihrem Gewissen handeln können.
https://de.wikipedia.org/wiki/Indemnit%C3%A4t
Dazu kommt noch Immunität und eine Bezahlung, die ab Landesebene schon deutlich über dem Durchschnittsverdienst liegt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Abgeordnetenentsch%C3%A4digung
Wenn Politiker aber eine solche Verantwortung haben, sollten dann nicht zumindest die, die ein Mandat haben, dieser Verantwortung gerecht werden und eben solche Hasspostings, Fakenews bzw. Lügen unterlassen? Als Kind habe ich gelernt:
„Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht.“
Man zerstört damit seine eigene Glaubwürdigkeit. Was aber, wenn Politiker lügen? Eben behaupten, dass ein Mensch, der eventuell zivilen Ungehorsam leistet, oder einfach nur demonstriert und protestiert, ein Taliban sei, also Mitglied einer terroristischen Vereinigung und damit ein Mörder ist? Sowas nennt man „Stochastischen Terrorismus“! Und leider ist der nicht strafbar. Dabei hat diese Art von Terrorismus bereits Todesopfer gefordert. Auch in Deutschland. So z.B. Walter Lübke als prominenten Vertreter. Oder den Kassierer einer Tankstelle, der auf die Maskenpflicht hingewiesen hat. Journalisten haben einen Ethikrat, nämlich den Presserat. Der ist zwar ziemlich zahnlos, aber immerhin gibt es ihn. Für Politiker gibt es sowas nicht. Aber nehmen wir mal an, es würde sowas geben. Was könnte der dann tun?
Politische Ethik
Politische Ethik ist etwas, das für mich selbstverständlich ist. Ich habe ganz klar politisch andere Ansichten als z.B. Torsten Herbst, Mitglied des Bundestags und von der FDP.
Die Klima-Radikalen von @AufstandLastGen sind keine Aktivisten, sondern Kriminelle. Eine Reihe von Straftätern wurde bereits rechtskräftig verurteilt. Mit Kriminellen sollten Demokraten in einem Rechtsstaat grundsätzlich nicht paktieren. https://t.co/YRNARV45Z0
— Torsten Herbst MdB (@torstenherbst) March 7, 2023
Deswegen würde es mir nicht im Traum einfallen, ihn als Straftäter und Kriminellen zu bezeichnen. Eine andere Meinung zu haben ist weder strafbar noch verboten. Und wenn ich das Klima so sehe, dann reden wir jetzt, mitten im Winter von Wassermangel. Es ist nicht 5 vor 12. Nun bin ich vergleichsweise alt und werde die Klimakatastrophe wohl nicht mehr im Maximum erleben. Das sieht bei den jungen Menschen aber völlig anders aus. Und mir wäre neu, dass wir, die Alten, das Recht haben, den Jungen das Leben zu verunmöglichen. Und man muss kein Hellseher sein, um zu sehen, dass wir schon in den nächsten 2 – 3 Jahren extreme Änderungen erwarten müssen.
Was also könnte ein, nennen wir ihn, politischer Ethikrat tun, um solchen sprachlichen Auswüchsen und Entgleisungen entgegenzuwirken?
Politischer Ethikrat
Ich will hier keine zweite Polizei schaffen, keine zusätzliche Behörde. Aber eine Instanz, die man als Betroffener anrufen kann. Sowas wie einen Obmann. Allerdings sollte das ganze dann nicht nur reine Show sein, sondern sollte auch Konsequenzen haben, die diese Stelle, wie auch immer sie dann heißen mag, aussprechen kann.
Gefängnis ist dabei eher nicht die Strafe der Wahl.
Und hier kommen wir zu der besagten Wählbarkeitsbescheinigung.
Wählbarkeitsbescheinigung
Die Wählbarkeitsbescheinigung ist zwingend erforderlich, um überhaupt gewählt werden zu können.
https://www.bundeswahlleiter.de/service/glossar/w/waehlbarkeitsbescheinigung.html
Ohne Wählbarkeitsbescheinigung geht nichts. Und hier setzt der bis jetzt fiktive politische Ethikrat an. Er könnte nämlich als Strafe diese für einen bestimmten Zeitraum entziehen.
Das kann ein Monat sein, drei Monate oder auch ein Jahr. Fällt in diesen Zeitraum eine Wahl für den betroffenen Politiker, kann er nicht gewählt werden, da er keine Wählbarkeitsbescheinigung erhält.
Ich persönlich würde das staffeln, je nach Schwere, oder auch für Wiederholungstäter.
- 1 Monat
- 3 Monate
- 6 Monate
- 12 Monate
- 48 Monate
- Lebenszeit
Dies wäre mal ein Versuch, die sprachlichen Entgleisungen in den Griff zu bekommen. Es würde außerdem die Politiker dazu zwingen, wieder mehr zu argumentieren und weniger zu lügen. Fakten statt Meinungen, die als Wahrheit verkauft werden. Wenn dann noch der Presserat echte Strafen aussprechen würde. Klingt sehr utopisch, und ist es wohl auch. Aber man darf ja mal träumen dürfen.
Und im Übrigen kann ich mir die Repliken hierauf schon problemlos vorstellen. Verbotspartei wäre dabei wohl noch die nettere Version.
Ullrich Slusarczyk
Redaktionsmitglied Ullrich Slusarczyk
1963 in West-Berlin geboren. Jetzt in Hannover. Sehr viel gemacht im Leben und sehr viel gesehen. Schreibe gerne. Bin für direkte Sprache bekannt, manchmal berüchtigt. Halte nichts davon, Fakten auf einem DIN A4 Blatt breitzutreten, wenn das Wort „Idiot“ ausreicht. Schreibe jetzt hier die Kolumne hauptsächlich. Meine Themen sind: Gesundheit, Digitalisierung, Urheberrecht und Energie. Ich bin kein Wissenschaftler, logisches Arbeiten und Denken ist mir aber nicht fremd. Bin ein Wissenschaftsfan. Lese Science Fiction. Habe Karl May gelesen, aber auch Antoine de Saint-Exupéry oder Stanislav Lem.