
Slogan der Piraten in Österreich: Keine Zukunft ohne uns | CC BY SA 3.0 Piratenpartei Österreich
Eine Kolumne von Ullrich Slusarczyk
Seit ich bei der Piratenpartei bin, waren Themen immer ein Problem. Grundsätzlich dann, wenn Wahlen anstanden, aber auch sonst gab es häufig Diskussionen darüber. Und immer hat mich bei all diesen Diskussionen etwas gestört. Ich wusste nur nicht genau, was. Aber irgendwann ist es mir dann doch klar geworden.
Wir haben auf der Grundlage unserer schwindenden Mitgliederzahlen quasi innerparteilich Themen festgelegt. Die Wählerschaft wurde dabei allerdings nicht berücksichtigt. Und genau das hat mich schon immer gestört.
Wählertypen
Wir sind die Digitalpartei, so viel ist klar. Aber was noch? Sind wir grüner als die Grünen, sozialer als die SPD oder haben wir uns eigenes Profil? Interessant fand ich auch immer, an welchen Punkten, Informationen oder Ereignissen wir bestimmte Themen letztendlich festgemacht haben. Ich habe viele Jahre im Verkauf gearbeitet. Zuerst im Außendienst im Großhandel, später habe ich dann quasi mich selbst und meine Dienstleistungen vermarktet. Im Zuge dessen war ich auf einigen Verkäuferschulungen. Da lernt man Verkaufstechniken und wie man sie anbringt. Und man lernt, welche Arten oder Typen von Kunden es gibt.
– Der Egotyp
– Der Sicherheitstyp
– Der Familientyp
Es gibt natürlich ganz viele verschiedene Ansichten dazu. Die Modernen sprechen eher von den:
– Extrovertierten
– Introvertierten
Dann gibt es noch ganz viele Untergruppen. Die sollen uns allerdings nicht interessieren.
Die von mir zuerst aufgeführten Typisierungen sind zugegebenermaßen alt, treffen aber ziemlich gut zu.
Das Interessante daran ist, es sind drei Gruppen. Wähler unterteilt man auch in drei Gruppen:
– Stammwähler
– Wechselwähler
– Nichtwähler
Wer aber ist wer, und wie hilft einem diese Erkenntnis, Themen zu finden?
Der Sicherheitstyp
Hier haben wir den klassischen Stammwähler. Habe ich schon immer gewählt. Kann gar nicht schlecht sein. Bei den anderen weiß ich nicht, was ich bekomme. Wir können doch nicht einfach alles ändern. Das Alte war ja nicht schlecht. Das haben wir schon immer so gemacht.
So oder so ähnlich können die Argumente klingen in einer Diskussion mit diesen Wählern. Diskussionen mit ihnen sind oft schwer, da manches nicht rational ist, und daher schwer zu widerlegen. Ist auch eine Frage des Alters. Auf beiden Seiten. Stammwähler sind häufig Ü60 und mehr. Politisch aktive und engagierte Menschen dagegen häufig, auch in der Piratenpartei, eher jung. Hier ist das Konfliktpotential hoch.
Der Famillientyp
Ist ein Wechselwähler. Die Ziele und Lebensplanung sind im steten Wechsel. Kinder und Familie bedingen das. Sie sind meist jung bis mittelalt. Es gibt aber auch ältere, vor allem wenn sie aus intakten Familienverbänden kommen, mit mehreren Generationen. Sie sind aufgeschlossen für vieles, haben kein Problem mit der Jugend, und genauso wenig mit dem Alter. Trotzdem sind sie die anspruchsvollste Klientel. Denn das Thema muss ihnen einen klaren Vorteil bringen. Dafür sind sie am leichtesten anzusprechen und zu erreichen. Anders als der Sicherheitstyp informieren sie sich besser, haben überwiegend eine höhere Medienkompetenz.
Der Egotyp
Hier findet sich der klassische Nichtwähler oder Wähler politischer Extreme. Aber auch die vermeintlich abgehängten. Die schwierigste Gruppe von allen. Hier tummeln sich zum einen die, die sich schlicht für Politik nicht interessieren. Dann die, die glauben, dass Ihre Stimme sowieso nichts ändert. Und dann noch die, die sich grundsätzlich benachteiligt fühlen. Sie machen dabei den klar größten Teil dieser Gruppe aus. Sind schlecht oder gar nicht informiert und haben eine sehr niedrige Medienkompetenz. Sie sind sehr schwer zugänglich, deutlich schlechter zu erreichen als alle anderen Gruppen, benötigen die persönliche Ansprache. Möglichst eine Egopersönlichkeit als Gegenpart.
Themen für die einzelnen Gruppen
Bisher haben wir die Themen nach dem festgelegt, was die Parteimitglieder wollen. Ich halte das für den falschen Weg. Wenn ich ein Lebensmittelgeschäft habe, und dort nur die Nudeln/Brot/etc. verkaufe, die mir schmecken, bin ich vermutlich sehr schnell pleite. Natürlich sind auch die Mitglieder und Ihre Meinung wichtig. Aber das, was den Wähler interessiert, ist das, was an erster Stelle stehen sollte, wollen wir Erfolg haben. Leider sehen das viele bei uns anders. Und so bewegen wir uns denn auch nur knapp über der Wahrnehmungsgrenze. Zeit, das zu ändern.
Wahlkampf
Wenn man es genau nimmt, ist immer Wahlkampf. Auch hier sind wir längst nicht so gut, wie wir es sein müssten. Nehmen wir also an, dass demnächst irgendwo in einem Bundesland eine Wahl ist. Wie können wir jetzt auf der Grundlage der drei von mir spezifizierten Wählertypen Themen finden? Möglichst dabei auch noch den digitalen Aspekt dabei und das dann piratig gestalten, sodass auch unsere Mitglieder das Thema annehmen.
- AGs/SGs/Gruppen bilden, die sich mit jeweils einer Gruppe beschäftigen, diese analysieren und daraus mögliche Themen erarbeiten.
- Die Ergebnisse dann zusammenfassen und daraus eine Onlineumfrage erstellen. Außerdem die Umfrage auch analog erarbeiten in Form eines Fragebogens, der auf Infoständen etc. den Wählern zum Ausfüllen vorgelegt werden kann.
- Dieses Vorgehen jeweils einmal pro Jahr, am besten Start im Januar. So hat man Zeit, die nötigen Grundlagen zu schaffen, bis zur Infostandsaison.
- Auf der Grundlage der Umfrageergebnisse, den Mitgliederwünschen und Wahlkandidaten dann ein Wahlprogramm erstellen.
Fazit
Es wäre ein neues Vorgehen in der Piratenpartei. Zumindest so lange wie ich in der Piratenpartei bin, hat das niemand gemacht. Ich bin kein Spezialist für Umfragen. Da gibt es Leute, die sowas können. Ich bin sicher, dass wir mit mehr wählerbezogenen Themen und dem dazugehörigen Umgang mit den Wählern deutlich erfolgreicher sein können, als wir das jetzt sind.
Ullrich Slusarczyk
Redaktionsmitglied Ullrich Slusarczyk
1963 in West-Berlin geboren. Jetzt in Hannover. Sehr viel gemacht im Leben und sehr viel gesehen. Schreibe gerne. Bin für direkte Sprache bekannt, manchmal berüchtigt. Halte nichts davon, Fakten auf einem DIN A4 Blatt breitzutreten, wenn das Wort „Idiot“ ausreicht. Schreibe jetzt hier die Kolumne hauptsächlich. Meine Themen sind: Gesundheit, Digitalisierung, Urheberrecht und Energie. Ich bin kein Wissenschaftler, logisches Arbeiten und Denken ist mir aber nicht fremd. Bin ein Wissenschaftsfan. Lese Science Fiction. Habe Karl May gelesen, aber auch Antoine de Saint-Exupéry oder Stanislav Lem.
Mann müsste halt mal am Infostand die Bürger fragen was diese überhaupt wollen und brauchen…..
Das wäre die einfachste Möglichkeit und auch Bürgernäher als allerlei Theorien und interne Diskussionen.
Darum frag ich ja auch alle, die zu uns an den Stand kommen und wissen wollen, warum sie uns wählen sollen, was für sie wahlentscheidend ist. Um ihnen dann zu erklären, was wir dazu im Programm haben. Zugegeben, zu unterschiedlich wie die Wählertypen sind auch die Themen. Man braucht dazu also an jedem Stand jemanden, der das Programm in- und auswendig kennt.
Marketing ist ja das eine. Das andere ist doch aber auch die Qualität des Produktes. Beispiel Apple, die haben gutes Marketing aber auch das Produkt kennen die Leute und können sich darunter ganz klar etwas vorstellen.
Beispiel Linux, da gibt es kein Marketing da das Geld dafür in der Community fehlt. Auch ist nicht klar was Linux überhaupt ist. Da gibt es 100 verschiedene zueinander inkompatible Distributionen und die teilen sich jeweils nochmal in KDE, GNOME, SXCE, LXDE versionen auf…. Da weiß der Kunde am Ende nicht mal was dann das eigentliche Produkt ist. Ähnlich sehe ich da die Piratpartei, da wissen viele gar nicht so recht für was die eigentlich steht weil da irgendwie jeder seine eigene Suppe kocht und vieles gar nicht klar kommuniziert wird.