Ein Gastbeitrag der AG Queeraten | @Queeraten
Am 11.03.23 wurde auf dem Landesparteitag 23.1 der Piratenpartei Baden-Württemberg der SA0009 (Sonstiger Antrag) angenommen. Dieser beinhaltet drei Abschnitte.
- Im Ersten wird festgelegt, dass der Landesverband Postgender sein möchte.
- Der zweite Abschnitt besagt, dass der Landesverband in seiner Außenkommunikation, auch in Bezug auf Geschlechter, möglichst diskriminierungsfrei auftreten möchte. I
- Im letzten Abschnitt wird noch eine Priorität in der Form der Außenkommunikation festgelegt, auf welche wir später detaillierter eingehen werden.
Der Antrag entstand unter Berücksichtigung verschiedener Positionen innerhalb des Landesverbandes und bietet eine Lösung für ein kontroverses Thema, welches in der Vergangenheit viele Diskussionen hervorgerufen hat. Die AG Queeraten begrüßt den Antrag, da wir in diesem eine Chance für die queerpolitische Zukunft der Piratenpartei sehen. In dem Blogpost versuchen wir die Entstehungs- und Denkprozess klarzustellen, um mögliche Fragen über die Entscheidungen zu beantworten.
Sind Piraten Postgender?
In diesem Abschnitt gehen wir zunächst auf die Frage ein, ob Piraten überhaupt Postgender sind. Laut Erzählungen gibt es seit über zehn Jahren öfters Behauptungen von Mitgliedern der Piratenpartei, die Piraten wären Postgender.
Auch wenn es aktuell nicht oder nicht mehr festgehalten ist, so gibt es starke Überschneidungen zwischen der Definition von Postgender und einem Ausschnitt aus dem Grundsatzprogramm der Piratenpartei. In dem besagten Ausschnitt wird definiert, dass die Piratenpartei für eine Politik steht, welche die freie Selbstbestimmung von geschlechtlicher Identität respektiert und fördert. Des Weiteren wird erklärt, dass Gesellschaftsstrukturen, die sich aus Geschlechterrollenbildern ergeben, dem Individuum nicht gerecht werden und so auch überwunden werden müssen [1]. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die Piraten die Wichtigkeit der Geschlechterrollenbilder und so auch der Geschlechtsbestimmungen reduzieren möchten oder die Geschlechtsbestimmungen sogar ablegen oder abschaffen möchten. Die Definition von Postgender besagt, dass Postgender ein „sozialpolitisches Konzept [bezeichnet], das sich für das Ignorieren oder die Abschaffung der staatlichen Geschlechtsbestimmungen einsetzt“ [2].
Somit steht im Prinzip in dem Grundsatzprogramm der Piratenpartei die Definition von Postgender, weshalb die Mitglieder der AG Queeraten die Frage mit einem „Ja“ beantworten würden, auch wenn es aktuell in keinem Positionspapier festgehalten ist.
Geschlechtsneutrale Außenkommunikation
Um tatsächlich postgender zu sein, bedarf es mehr als nur der Behauptung, Postgender zu sein, es muss auch gelebt werden. Eine Möglichkeit, sich bewusst Postgender zu verhalten, ist die Sprache. Sie ist ein wichtiger Teil der Gesellschaft und spiegelt gesellschaftliche Rollenbilder und Regeln wider. Andersherum kann die Sprache jedoch auch Einfluss auf die gesellschaftlichen Rollenbilder nehmen, vor allem bei jüngeren Personen [3].
In einer Postgender Gesellschaft, in welcher das Geschlecht eines Individuums keine Rolle spielt, wäre in der Sprache das generische Maskulinum als neutrale Form möglich. Dabei würde das generische Maskulinum nicht als männliche, sondern als geschlechtsneutrale Form genutzt. Unsere Gesellschaft legt jedoch einen starken Fokus auf das Geschlecht einer Person, was sich im Sprachverständnis widerspiegelt. Dies hat zur Folge, dass die maskuline Form eher als männliche Variante gelesen wird. Für eine postmoderne Kommunikation wird somit eine Sprache ohne Geschlechtsformen benötigt.
Probleme mit Sternchen, Doppelpunkt und Binnen-I
In der Debatte des Genderns gibt es drei bekannte Formen: das Sternchen, der Doppelpunkt und das Binnen-I. Diese haben jedoch aus Sicht der AG Queeraten ein paar ungewünschte Nebenwirkungen. Vor allem das Sternchen und der Doppelpunkt können vermehrt bei Personen mit Leseschwäche für größere Probleme beim Lesen der Texte sorgen. Zudem könnte es zu Problemen bei Screenreadern führen. Hierdurch würden wieder Menschen aufgrund ihrer Eigenschaften diskriminiert, obwohl die Intention des Genderns die Reduktion der Diskriminierung ist. Des Weiteren wird beim Gendern die maskuline Form durch eine feminine Form erweitert, wodurch aus einer Geschlechtsform zwei werden. Im Sprachverständnis unserer Gesellschaft werden also Männer und Frauen genannt und nicht binäre Geschlechtsidentitäten werden nur mitgemeint.
Somit haben wir wieder das Problem wie vor dem Gendern, dass Menschengruppen nur mitgemeint, aber nicht genannt werden. Zudem ist es nicht im Sinne des Postgenderismus, weitere Geschlechtsformen in die Sprache einzubauen und so das Geschlecht weiter in den Vordergrund zu rücken. Vielmehr sollten wir versuchen, diese Formen abzuschaffen, um die sprachliche Gleichstellung der Geschlechtsidentitäten zu erreichen. In der Diskussion über das Gendern gibt es aktuell keinen Konsens, wie am besten gegendert werden sollte. Es gibt keine Einigkeit darüber, welche Form am besten ist und als Standard verwendet werden sollte. Jede Gruppierung entscheidet sich somit für ihre eigenen Genderregelungen. Dies würde auch innerhalb der Piratenpartei für viel Diskussion sorgen, weswegen wir unseren Fokus auf das Entgendern, statt dem Gendern legen.
Warum Priorisierung und Wie
Um die besagte Diskussion innerhalb der Piratenpartei zu verringern, sowie Trolle nicht weiter zu füttern, und um eine einheitliche Außenkommunikation zu gewährleisten, bietet sich eine Priorisierung an. Dies hat auch den Vorteil, dass sich das Lektorat darauf berufen kann und feste Regeln hat, nach denen es arbeiten kann. In der Priorisierung gehen wir dabei wie folgt vor:
Priorität 1: Geschlechtsneutral
Unsere höchste Priorisierung hat eine geschlechtsneutrale Form. Hierbei wird versucht, Genderformen auszuweichen, wodurch der Text entgendert wird. Eine maskuline Form eines Wortes wird so umschrieben, dass die maskuline Form wegfällt und es somit neutral wird. Dies wird z.B. dadurch erreicht, dass man vorwiegend von Personen oder Menschen redet und mithilfe eines Adjektivs Eigenschaften oder Tätigkeiten der Person beschreibt. Manchmal ist es auch möglich, mithilfe eines genderneutralen Synonyms die maskuline Form zu umgehen. Hierfür können Onlinetools, wie die Gender App [4] hilfreich sein. Die geschlechtsneutrale Form hat den Vorteil, dass keine neuen Endungen an ein Wort angehängt werden müssen und so auch gleichzeitig keine Genderform genutzt wird.
Priorität 2: Entgendern nach Phettberg
Im seltenen Falle, dass es keine geschlechtsneutrale Form eines Wortes gibt, haben wir uns für eine Ausweichmöglichkeit entschieden. Bei dieser handelt es sich um das unbekanntere Entgendern nach Hermes Phettberg. Hierbei wird eine Wortneuschöpfung aus dem Wortstamm +“y“ im Singular und +“ys“ im Plural. Mit dem sächlichen Artikel schafft man so ein Kunstwort, welches bewusst geschlechtsneutral gestaltet wurde. Es hat, wie der Name schon sagt, den Vorteil, dass entgendert, statt gegendert wird, was eher im Sinne des Postgenderismus ist. Zudem wird es, wie Thomas Kronschläger der TU Braunschweig schreibt, „auf der Basis bereits bekannter grammatischer Phänomene gebildet und [ist] daher in mündlicher und schriftlicher Kommunikation einfach anzuwenden“ [5]. Zum Beispiel wird der Redefluss weniger durch einen „Glottisschlag“ beeinflusst, welchen es bei der mündlichen Nutzung des Sternchens, des Doppelpunkts und des Binnen-I gibt. In einer Kolumne im DER SPIEGEL 12/2021 beschreibt Alexander Neubacher das Entgendern nach Phettberg als „sympathisch“ [6], welchem sich die AG Queeraten nur anschließen können. Auch wenn der Klang ungewohnt, seltsam und gewöhnungsbedürftig ist, so denken wir, dass mit häufigerer Nutzung man sich an das y als Wortendung gewöhnen kann.
Priorität 3: Generisches Maskulinum für Rechtssicherheit
Um die Rechtssicherheit in Texten zu gewährleisten, welche eine rechtliche Relevanz haben, ist es sinnvoll, die Möglichkeit für das generische Maskulinum offenzulassen. Dies hat den Vorteil, dass bei Unklarheiten in einem Rechtstext bezüglich einer rechtssicheren neutralen Form auf den in der Rechtssprechung angewandten Standard zurückgegriffen werden kann. Bei Änderung des Standards innerhalb der Rechtssprechung kann natürlich der Antrag angepasst werden.
[1] vgl. Grundsatzprogramm: https://wiki.piratenpartei.de/Parteiprogramm#Freie_Selbstbestimmung_von_geschlechtlicher_und_sexueller_Identit.C3.A4t_bzw._Orientierung
[2] Postgender Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Postgender
[3] https://doi.org/10.1026//0033-3042.52.3.131
[4] Genderwörterbuch: https://genderapp.org/
[5] Entgendern nach Phettberg im Überblick https://www.researchgate.net/publication/343974830_Entgendern_nach_Phettberg_im_Uberblick
[6] Kolumne zum Entgendern nach Phettberg https://www.spiegel.de/politik/deutschland/gendergerechte-sprache-leichter-gendern-mit-phettberg-kolumne-a-ae5da027-0002-0001-0000-000176418810
Ich begrüße das!
Wenn es um Personen-, Berufsgruppen etc. geht, ist das Entgendern (ggf. nach Phettberg) IMHO zu bevorzugen. Ausnahme ist, wenn es um eine bestimmte Person geht: Da sollte deren Geschlecht, wie die Person es selbst angegeben hat, verwendet werden, sofern sinnvoll.
Denn eines der Argumente gegen das komplette Entgendern, das ich immer wieder gehört habe (und das nicht komplett von der Hand zu weisen ist), ist die Sichtbarkeit von Frauen und Menschen nichtbinären Geschlechts, quasi als Gegenbewegung zum generischen Maskulinum. Es soll sichtbar werden, daß nicht nur Männer was zu sagen haben, sondern eben auch andere.
Gruß, Frosch
„Wortneuschöpfung“
Keine weitere Fragen. Damit ist auch die letzte linke Partei vor der kleinen, schrillen Gruppe eingeknickt statt dem zu folgen, was die überwältigende Mehrheit der Menschen will.
Dann geht auch konsequent den Weg der Grünen und nehmt Männern das gleichberechtigte Rederecht bei Parteitagen und schafft die Wahlgleichheit zugunsten von Frauen ab. Selbstmarginalisierung ganz oder gar nicht.
Zum Glück waren und sind wir keine linke Partei, wir sind sozial und liberal – aber mit „links“ à la Marx, Lenin und Ulbricht haben wir nix am Hut. Oder gar Chavez oder Xi. Und de facto nicht zu gendern, was ja die Intention und die Auswirkung des Antrages ist, ist ein – aus meine Sicht – exzellenter Hack der ganzen eskalierten Diskussion. Ein Pragmatismus, wie ich ihn bei nur bei den Piraten finde.
Gendersprech klingt für mich generell potthässlich. Und wenn ich mir die „Funktions“-Weise von „Entgendern nach Phettberg“ durchlese ist das für mich wie ein Aprilscherz, bei dem entweder alle vergessen oder niemand jemals gemerkt hat, dass es als Aprilscherz gedacht war.
Glückwunsch, das ist die Idee dahinter – da Phettberg dermaßen … cringe ist werden alle versuchen das zu vermeiden. Und da es im Prinzip immer möglich ist diskriminierungsfrei zu schreiben ist damit due ganze Diskussion gehackt.
@Sperling beschäftigst du dich auch mit Themen, außerhalb des Genderns? Oder trollst du nur? Linke Politik ist das Gegenteil von dem, was Ulbricht, Chavez oder Xi tun/taten. Durch Rote Flaggen, den ein oder anderen Spruch, und ein Marx Bild wird das, was gemacht wird, nicht gleich Links. Was meinst du mit „keine linke Partei, wir sind sozial und liberal“? Den Armen zu sagen dass sie, wenn sie sich noch ein bisschen mehr anstrengen würden, ein Brot kaufen köntnen?
Politische Linke (Wikipedia):
Im heutigen Sprachgebrauch wird unter einer „linken“ politischen Positionierung in der Regel eine Haltung verstanden, die sich ideologisch von mehr oder weniger ausgeprägten und gefestigten sozialistischen Grundsätzen ableitet. Er wird vor allem angewendet auf den Kommunismus und den Anarchismus, historisch stärker, in der Gegenwart eingeschränkter auch auf die Sozialdemokratie und bisweilen den Sozialliberalismus oder Linksliberalismus.[3]
Obwohl die Einteilung der politischen Pole in rechts und links angesichts der Komplexität der modernen Anforderungen in der gesellschaftspolitischen Praxis sowohl auf nationalstaatlich-innenpolitischer und mehr noch auf internationaler Ebene zunehmend umstritten ist, ist eine entsprechende Einordnung im alltäglichen Sprachgebrauch weiterhin üblich und auch in der Öffentlichkeit, zum Beispiel in den Massenmedien, verbreitet. Sie dient beispielsweise sowohl der eigenen weltanschaulichen Standortbestimmung und Identifikation von Individuen, politischen Gruppen und Parteien als auch der Abgrenzung von politischen Gegnern.[4]
https://de.wikipedia.org/wiki/Politische_Linke
Nun ja, ich sehe einfach in die Geschichtsbücher (oder aktuell nach z.B. Venezuela) und schau mir an, wohin sich Staaten und Gesellschaften entwickelt haben mach dem eine linke Partei )ideologisch mehr oder weniger ausgeprägt und gefestigt an sozialistischen Grundsätzen folgend) die macht übernommen haben.
Alle autoritär geworden, so gut wie Diktaturen oder Scheindemokratien, teilweise unglaublich Menschenfeindlich und brutal.
Wenn wenigsten eine was geworden wäre. Aber nicht mal Israel hat das hinbekommen, und die sind echt lange in z.B. Ihre Kibbuzen ohne Schnellgerichte und Erschießungskommando ausgekommen.
Für mich ist es eine zur Distinktion vom „Pöbel“ gedachte konstruierte Sprache, die eine laute Minderheit mit Totschlagargumenten wie „Sprachwandel“ und „lebendige Sprache“ durchdrücken will Und diese laute Minderheit diskriminiert Menschen, die diese Muttersprachdysphorie nicht teilen.
Ja, das du das denkst ist dir unbelassen. Das Problem ist aber, wenn Dinge falsch sind, sind sie zu ändern. Und zum Glück, entgegen des Framings der Ewiggestrigen Konservativen und des rechtsradikalen Gesindels, wird niemand gezwungen dies einzusetzen. Niemand versucht das, wer was anderes behauptet der lügt – und die vereinzelten Versuche, das an einigen wenigen Unis verpflichtend zu machen sind gescheitert.
Ich denke an einigen Unis wird, indirekt oder sogar schon direkt, Druck ausgeübt, mitunter sogar bis zum Punktabzug.
Wie genderst du denn „die Waise“ oder „die Geisel“?
Wenn du Zeitungsartikel durchsuchen möchtest — nach spezifischen Problemen weiblicher Schüler oder nach denen männlicher Schüler — meinst du nicht die männlichen Schüler werden schwieriger aufgefunden? Es gibt ja kein „Schüleriche“ wie in „Enterich“.
Also erstens: Mag sein das einige wenige Profs in einigen wenigen Unis hier das versuchen vorzuschreiben, aber Einzelfälle sind kein Argument für die Gesamtgesellschaft in der das nicht existent ist. Und bei einem „Zwang“ kann jeder dagegen rechtlich vorgehen oder das Institut wechseln.
„Die Waise“ oder „Der Waise“ oder „Die Waisen“ kann man diskrimnierungsfrei mit „Das/Die Waisenkinder“ umschreiben. Ebenso gibt es „die als Geisel genommenen Personen“ oder „Die in Geiselhaft sitzenden PErsonen“. Alles eine Sache der Übung.
Zum Thema „Der Schüler / Die Schüler/in“ empfehle ich „Das/Die Schulkind/er“.
Irgendwie witzig von euch. Angesichts dessen, wie sich die Debatte entwickelt hat (unendlich divers), gar nicht so schlecht, aber eben auch altbacken, wie ich euch damals sagte. #toldyouso
Ok, also diskriminierungsfreie Sprache zu präferieren ist altbacken – auch ein Blickwinkel. Aber halt nicht unserer. Und in der Redaktion halten wir das übrigens schon länger so.
Ich schwätze so wie mir der Schnabel gewachsen ist. Da haben mit keine Ideologen irgendwelche Vorgaben zu machen, egal ob von Links oder Rechts. Nur weil irgendwelchen arroganten Akademiker und Besserwisser den Leuten eine andere Sprache aufzwingen wollen müssen wir das Volk dabei ja noch lange nicht mitmachen.
Niemand macht Vorgaben, red wie du willst, du darfst ruhig weiter Leute diskriminieren und marginalisieren – es ist dein Gewissen und dein öffentliches Ansehen. Aber wenn du für die Partei schreibst, dann musst du dich dran halten wie die Partei das vorgibt. Dazu zählt übrigens, das die Satzung vorgibt das jedes Mitglied der Partei als „Pirat“ bezeichnet wird. Deal with it.
Allein der Nickname „Deutscher Pirat“ ist doch gaga … Piraten sind per Definition international und schon allein deshalb nicht „Deutsch“.
Ich denke mal der will hier nur Trollen und ist vielleicht auch gar kein echter Pirat.
Wenn eine Mehrheit das so für die Partei beschlossen hat dann ist es eben so… Privat können ja alle reden wie Sie wollen.