Ein Artikel von Max Kehm
In der Piratenpartei gibt es immer wieder Streit um den Anti-Faschismus und dessen Symbole sowie die Frage, wer oder was denn nun Faschismus sei oder diesen unterstützen würde. Das hat mich dazu bewogen mal einen Artikel zu verfassen, in dem ganz grundlegend erörtert wird was Faschismus denn überhaupt ist und an welchen Wesensmerkmalen man ihn erkennen kann.
Von Rassenkampf und Klassenkampf – Grundzüge des politischen Extremismus
Die Geschichte der Menschheit ist reich an Beispielen für politisch totalitäre und terroristische Bewegungen und Systeme. Besonders hervor stechen dabei in Sachen Grausamkeit der nationalsozialistische Faschismus und der stalinistisch geprägte Realsozialismus. Letzterer strebte insbesondere danach, die marxistische Idee einer “Diktatur des Proletariats” umzusetzen. Der sowjetische und maoistische Sozialismus haben in ihrem Streben, den kommunistischen Staat zu errichten, Millionen von Menschenleben in den Gulags und in ihren Kriegen geopfert. Besonders perfide an den stalinistischen Regimen des real existierenden Sozialismus war, dass sie die ursprünglich völlig legitime Kapitalismuskritik der Arbeiterbewegung als ideologische Basis für ihre Tyrannei missbrauchten und diese unter dem Label des Anti-Faschismus vermarkteten.
Gemeinsamkeiten der verschiedenen Extremismen
Generell werden Linksextremismus und Rechtsextremismus immer als unvereinbare Gegensätze dargestellt. Das mag auf der ideologischen Ebene tatsächlich so sein, da sich faschistische Regime stets als strikt antikommunistisch inszeniert haben und sozialistische Regime sich konsequent als antifaschistisch präsentierten. In der Realpolitik ist diese Unterscheidung jedoch nicht immer so klar. Als historisches Beispiel kann hier der Hitler-Stalin-Pakt genannt werden, in dem Kommunisten und Nazis sich verbündeten, um gemeinsam Polen zu überfallen. Details dazu sind auf Wikipedia zu finden:
https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsch-sowjetischer_Nichtangriffspakt#Geheimes_Zusatzprotokoll
Dieses historische Beispiel zeigt, dass sobald es um reale Machtpolitik geht, die Gegensätze zwischen vermeintlich antagonistischen Ideologien manchmal plötzlich nicht mehr so groß sind, wie zuvor oftmals behauptet wurde. Der ideologische Anspruch wird also zuweilen weitgehend den reinen Machtfragen untergeordnet.
In diesem Text möchte ich daher grundlegende Eigenschaften herausarbeiten, die allen extremistischen Ideologien gemein sind. Besonders auffällig ist, dass totalitäre Systeme immer ein sehr klar definiertes Feindbild haben, welches als Sündenbock herhalten soll. Im Nationalsozialismus sind das “Rassenfeinde”, gegen die ein “Rassenkrieg” geführt wird, meist Minderheiten wie Juden, Ausländer, Migranten und so weiter. Diese rein verschwörungstheoretisch konstruierten Feindbilder dienten dann als ideologische Grundlage für Verbrechen wie den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg. Bei sozialistischen Extremisten verläuft die Grenze zwischen Freund und Feind entlang des konstruierten „Klassen“-Begriffs. Die Menschen, die nicht zur Klasse des Proletariats gehören, sind in linken Diktaturen der „Klassenfeind“, der zumindest stark unterdrückt, wenn nicht gar ermordet wird. Der millionenfache Massenmord in den Gulags der Kommunisten in der Sowjetunion und Rotchina wurde auf diese Weise gerechtfertigt. Die marxistische Idee von antagonistischen Klassen und daraus resultierender Klassenfeindschaft, die nach der Revolution zu einer „Diktatur des Proletariats“ führen soll, ist in ihrer realpolitischen Umsetzung bisher also nicht weniger verbrecherisch gewesen als der Faschismus. Menschen völlig undifferenziert das Etikett von „gut“ vs. „Feind“ allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Gruppe zuzuweisen, ist im Grunde nicht nur tyrannisch, sondern negiert auch die persönliche Individualität dieser Menschen, die als Feindbild für die Hassprediger herhalten müssen.
Für den überzeugten Klassenkämpfer sind schließlich alle Kapitalisten böse. Es gibt jedoch einen großen Unterschied zwischen einem Unternehmer wie Bill Gates, der Milliarden für wohltätige Zwecke spendet, und einem kapitalistischen Tretminenfabrikanten, der Waffen an Dritte-Welt Terror-Milizen verkauft. Diese Differenziertheit, welche die Individualität aller Menschen mit einbezieht, fehlt jedoch im links autoritären Klassenbegriff. So neigen klassenkämpferische Sozialisten/Kommunisten dazu, nicht das individuelle Handeln einer Person zu beurteilen, sondern diese identitätspolitisch aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe zu verurteilen und zum Feind zu machen. Die extrem simplifizierende Formel, dass das Proletariat als Klasse immer das Opfer und gut sei und Kapitalisten immer die Täter und böse seien, stellt eine unzulässige populistische Vereinfachung der sehr komplexen Realpolitik dar und negiert daher strukturell jede Form von menschlichem Individualismus. Die Einteilung der Menschheit in Gut vs. Böse allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe ist auch ein elementares Wesensmerkmal des Faschistischen Extremismus. Im National-Sozialistischen Deutschland galten sowohl Juden als auch die Kommunisten als Böse, als Feind, den es zu bekämpfen galt. Die fatalen Folgen dürften uns allen nur zu bewusst sein.
Eine ähnliche “Freund vs. Feind”-Logik sehen wir übrigens auch beim religiösen Extremismus, wie zum Beispiel bei den Taliban, Al-Qaida oder dem Islamischen Staat. Die Ungläubigen sind die Feinde, die es mit aller Gewalt auszulöschen gilt. Das Ergebnis davon sind natürlich Krieg, Terror und Völkermord. Ähnliches lässt sich im zunehmend faschistisch agierenden Russland unter Putin beobachten. Hier werden von der Staatspropaganda die Ukrainer als Feinde aller Russen dargestellt, als Volk, das es gar nicht geben dürfte, welches es auszulöschen gilt.
Eine weitere sehr auffällige Gemeinsamkeit aller Extremismen ist das verschwörungstheoretische Denken. Die Nazis waren von einer jüdischen Weltverschwörung überzeugt, die Kommunisten in der Sowjetunion haben roten Terror und “Säuberungen” praktiziert, um angebliche Verschwörungen von kapitalistischen Klassenfeinden aufzudecken. Die Propaganda von ISIS betonte immer wieder, dass sich die „westlichen Kreuzritter“ dazu verschworen hätten, den Islam zu zerstören. Das Aufbauen von Feindbildern erfolgt bei Extremisten aller Art also meistens über das Mittel der Verschwörungstheorie, welche die Menschen in vermeintliche Übeltäter und Opfer unterteilt. Das darf im Grunde nicht verwundern, den eine differenzierte, realistische Betrachtung der Dinge eignet sich nicht dazu, ein dämonisiertes Feindbild aufzubauen. Deshalb müssen sich Extremisten mit ihrer Propaganda immer außerhalb der faktischen Realität in der Sphäre der Verschwörungsmythen bewegen, um in der Bevölkerung den Hass gegen ausgewählte Gruppen zu schüren.
Meine persönliche Schlussfolgerung daraus ist, dass es ein Wesensmerkmal des Faschismus ist, die Menschen anhand konstruierter, identitätspolitischer Gruppenzuteilung in Freund und Feind, in Gut und Böse aufzuteilen, um schließlich als letztendliche Konsequenz daraus einen vermeintlichen Krieg von Gut gegen Böse führen zu können. Das gilt für die Rassenkrieger der Nazis genauso wie für die Klassenkämpfer autoritär-kommunistischer Bewegungen.
Faschismus im Namen des Anti-Faschismus?
Der Faschismus muss dabei nicht offen als solcher auftreten, wie es bei der NSDAP oder Mussolinis Schwarzhemden der Fall war. Faschismus kann sich auch als “Anti-Faschismus” tarnen, wie es vor allem von den stalinistischen Diktaturen des kommunistischen Ostblocks praktiziert wurde. Nicht umsonst wurde die Berliner Mauer, an der zahllose Menschen, die in Freiheit leben wollten, erschossen wurden, “Antifaschistischer Schutzwall” genannt. Die sozialistische Einteilung der Menschen in gute Proletarier und “Klassenfeinde” hat also auch hier schwerwiegende Gewalttaten gerechtfertigt, die mit Anti-Faschismus nichts zu tun hatten. Heutzutage ist es Wladimir Putin, der autokratische Diktator Russlands, der sich als Antifaschist ausgibt und über seine Propaganda verkündet, die Ukraine “entnazifizieren” zu wollen. Das heutige Russland kann daher als Paradebeispiel dafür gelten, wie autoritäre Führer versuchen, sich propagandistisch den Mantel des Anti-Faschismus umzuhängen. Eine Taktik, die Putin als ehemaliger Agent des kommunistischen KGB wohl noch zu Zeiten der Sowjetunion erlernt haben dürfte. Diese Verhaltensweise findet sich natürlich auch in linksextremistischen Gruppen in Deutschland, welche z.B. teilweise Kremlpropaganda verbreiten und Unterstützer der Ukraine als faschistisch verleumden. Daher sollte man alles, was unter dem Label des Anti-Faschismus daher kommt, stets differenziert analysieren, um festzustellen, ob hier nicht auch die fatale Einteilung der Welt in Freund und Feind praktiziert wird. Antifaschistisches Engagement ist in einer freien und demokratischen Gesellschaft enorm wichtig, sollte jedoch niemals dazu dienen, im Namen des Anti-Faschismus selbst autoritäre Ideologien wie Sozialismus/Kommunismus voranzutreiben. Daher bin ich der Meinung, dass man dem Faschismus in all seinen Ausprägungen am besten aus einer freiheitlich, liberalen und anti-autoritären Haltung heraus begegnen sollte, die die einzelnen Menschen als Individuen anerkennt. Ihr Handeln individuell differenziert und kritisch begutachtet, anstatt sie in feste identitätspolitische Gruppen einzusortieren.
Max Kehm
Redaktionsmitglied Max Kehm
Seit 2009 netzpolitisch und bei den Piraten aktiv. Technikenthusiast und Künstler mit Interesse an philosophischen und intellektuellen Themen.
Nordkorea ist da ja auch voll krass. Unter Kim Il Sung würde da Sozialismus nach Marxismus-Leninismus eingeführt. Nach Zusammenbruch von die Sowjets hat da der Kim Jong Il die Juchee Ideologie eingeführt die den Sozialismus ersetzt hat. Da stehen Nationalismus und Reinheit der Koreanischen Rasse nun im Vordergrund. Von die Sozialismus in den Faschismus.
In Deutschland ist aber die AfD am gefährlichsten!!!! Das fehlt im Artikel, also AfD.
Der heute politische Begriff “Faschismus” wurde hier gut analysiert und erklärt. Zu ergänzen wäre nur noch die Wortherkunft aus dem Lateinischen: “fas” bezeichnete einst das göttliche Recht – im Unterschied zum menschlichen Recht “iura”.