Ein Gastbeitrag von Jonas Wessel
Das Recht auf Selbstbestimmung ist uns PIRATEN sehr wichtig und bildet die ethische Grundlage für die Regelung der Sterbehilfe, wie wir sie im Wahlprogramm haben [1]. Alle Mensch sollen das Recht haben, über das eigene Leben und den eigenen Tod zu entscheiden.
Wenn z.B. ein Mensch unheilbar krank ist und unerträgliches Leiden erfährt, sollte die Person das Recht haben, selbstbestimmt über den eigenen Tod zu entscheiden. Die Entscheidung über einen ärztlich assistierten Suizid sollte dem Interesse und dem Willen der Betroffenen entsprechen. Dies setzt voraus, dass sie unabhängig beraten wurden und ihre Wünsche rational artikulieren können. Beim assistierten Suizid ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Verordnung entsprechender Wirkstoffe von Ärzten straffrei sein sollte. Damit ist gewährleistet, dass Menschen, die sich für einen assistierten Suizid entscheiden, dies sicher und unter ärztlicher Aufsicht umsetzen können. Gleichzeitig muss sichergestellt sein, dass diese Wirkstoffe nicht an Dritte weitergegeben werden oder missbräuchlich genutzt werden können und auch die helfenden Fachpersonen angemessen betreut werden.
In Fällen, in denen ein Patient physisch oder psychisch nicht mehr in der Lage ist, die entscheidende Handlung für einen assistierten Suizid vorzunehmen, sollte auf ausdrückliche Anweisung des Patienten (ggf. gemäß Patientenverfügung) ein entsprechendes Mittel straffrei verabreicht werden können. Dies stellt sicher, dass das Selbstbestimmungsrecht des Patienten auch dann gewahrt bleibt, wenn er nicht mehr in der Lage ist, seinen eigenen Willen auszuführen.
Allerdings gibt es auch Bedenken und Gründe gegen die Sterbehilfe.
Ein solches Argument besteht darin, dass während der aktuell laufenden Pandemie zu wenig Präventionsmaßnahmen wie saubere Luft am Arbeitsplatz und Postventionsmaßnahmen wie Reha-Plätze und Medikation zur Verfügung stehen. Wichtig ist es PIRATEN hierbei, dass das Menschenrecht auf maximal mögliche Gesundheit [2] eingehalten wird: Menschen dürfen nicht einem Virus-Roulette mit unterschiedlichsten Varianten ausgesetzt werden. Auch sollte präventiv z.T. klimawandelbedingte Pandemiehäufungen evidenzbasiert angegangen werden. Hierzu wollen PIRATEN Medikamente und Sicherheitsartikel ortsnah produzieren und Forschung für Erkrankungen wie beispielsweise ME/CFS stärken [3].
Allerdings sollten diese Herausforderungen nicht dazu führen, dass das Selbstbestimmungsrecht der Menschen in Bezug auf ihre eigene Lebensbeendigung grundsätzlich infrage gestellt wird. Vielmehr sollten konstruktiv Lösungen gefunden werden, die sowohl eine selbstbestimmte Sterbehilfe ermöglicht, als auch die gesundheitlich mögliche Lebenserwartung nicht unnötig reduziert. Dabei ist zu bedenken, dass auch Einsamkeit und Altersdepressionen eine große Rolle spielen und diese klar Sterbehilfe ausschließen.
Es gibt auch die Befürchtung, dass die Sterbehilfe eher als Mittel zur Gewinnmaximierung oder zur Einhaltung von Schuldenbremsen genutzt werden könnte.
Der Antrag der FDP von 2022 [4] hat beispielsweise dadurch ein ganz schlechtes Geschmäckle, da die Partei zuvor sämtliche wichtige Pandemieschutzmaßnahmen fallen ließ und so Menschen evidenzlos verschärft gefährdeten.
Auch die aktuelle Diskussion zum Thema Sterbehilfe hat bei vielen Betroffenen von ME/CFS und Long Covid den Eindruck hinterlassen, dass so versucht werden könnte, das Thema Forschung und Unterstützung für Betroffene in den Hintergrund zu rücken, weil es ja eine gewinnbringende „Alternative“ gibt.[5] Es ist von größter Bedeutung, dass eine strikte und verantwortungsvolle Regulierung eingeführt wird, um solche Missbräuche zu verhindern. Eine transparente Praxis der Sterbehilfe unter Einhaltung des Schutzes der Persönlichkeit kann sicherstellen, dass sie ausschließlich den Personen zugutekommt, die unerträgliches Leiden erfahren und den Wunsch nach einem assistierten Suizid rational und unabhängig geäußert haben.
Abschließend ist Suizidhilfe nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 2020 zwar legal [6], dennoch haben Abgeordnete des Bundestags am 06.07.2023 größtenteils gegen alle Gesetzesentwürfe zur Sterbehilfe gestimmt [7].
PIRATEN sehen dies kritisch, da eine pragmatische und ethische Regelung der Sterbehilfe notwendig ist, um das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen zu respektieren und gleichzeitig mögliche Missbräuche zu verhindern. Leidensminderung und die Berücksichtigung des hippokratischen Eids sowie des Menschenrechts auf maximale mögliche Gesundheit sind ebenfalls entscheidende Faktoren, um ein angemessenes Gesetz zu gestalten und Gesundheitssystemprobleme nicht unter den Teppich zu kehren oder gar gegenzurechnen.
Quellen:
[1] https://wiki.piratenpartei.de/Bundestagswahl_2021/Wahlprogramm#Sterbehilfe
[4] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw25-de-suizidhilfe-897826
[5] https://www.zeit.de/gesundheit/2023-07/long-covid-erkrankung-forschung-gelder-sparen
[6]https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020/bvg20-012.html
[7] https://www.tagesschau.de/inland/sterbehilfe-bundestag-102.html
In diesem Artikel über Sterbehilfe fehlt ein für Deutschland wichtiger und belasteter Fachbegriff: Euthanasie. Das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet etwa leichter Tod. Tatsächlich hatten die NS-Ärzte die Tötung von – in ihrem Sinne – unwertem Leben mit diesem Fachbegriff begründet. Dieses Berufstrauma ist bis heute noch nicht vollständig aufgearbeitet. Schließlich hatten alle zugelassenen Ärzte seit Jahrhunderten den “Hippokratischen Eid” geschworen. Hippokrates war ein altgriechischer Arzt, der die wissenschaftliche Medizin begründet hat. Er starb im 4. Jahrhundert vor Christus.