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Eine Kolumne von Ullrich Slusarczyk

Letztes Wochenende waren in Hessen und Bayern Wahlen.
Mit 14,6 % in Bayern und 18,4 % in Hessen haben die Neonazis die jeweils bisher besten Ergebnisse in Ihrer Geschichte erreicht. Nimmt man in Bayern noch das Ergebnis der Freien Wähler dazu, die, wie man unschwer an ihrem Vorsitzenden Hubert Aiwanger sehen konnte, näher an den Neonazis denn an der Mitte der Bevölkerung liegen, dann haben alleine diese beiden Parteien zusammen 30,4 %.
Dabei haben sowohl Söder als auch Aiwanger alles getan, um abgewählt zu werden. Im Falle von Aiwanger hat der Skandal um sein angeblich von seinem Bruder verfasstem Flugblatt
sogar genutzt und er hat erstmals ein Direktmandat erreicht.
Und Söder hat über Dinge fantasiert, die nachweislich nicht vorhanden sind.
Fleischverbot, Luftballonverbot oder Mama und Papa sagen. Trotzdem wurden sie gewählt.
Zumindest ein Ergebnis in Bayern war erwartbar. Nämlich der Absturz der FDP und ihre nicht Wiederwahl mit 3 %. In Hessen hingegen hat sie sich mit 5 % gerettet. Trotzdem war das Ergebnis erwartbar von einer Partei, die sich als Bremsklotz und Verhinderer geriert.
Das ändert aber nichts daran, dass die Neonazis weiter auf dem Vormarsch sind. Und da stellt sich natürlich die Frage, was man tun kann oder sogar muss?
Ursachen
Die Medien
Egal ob öffentlich-rechtliche oder private. Hier haben alle gemeinsam versagt. Ein Politiker, der behauptet, die Grünen hätten Fleisch verboten oder es gäbe keines mehr zu kaufen, solchen klar erkennbar falschen Aussagen müssten alle sofort widersprechen bzw. gar nicht erst senden/drucken/posten.
Es existieren Tausende solcher Falschaussagen von fast allen Politikern der etablierten Parteien. Aber niemand unternimmt wirklich etwas. Und als hätte es einen ermordeten Walter Lübke nie gegeben, dürfen Politiker Hass gegen andere Politiker schüren, hauptsächlich gegen grüne Politiker.
Solche Politiker müssten ausgeladen werden bzw. zu keinen Sendungen mehr eingeladen werden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk zum Beispiel kann sich das mühelos leisten, da er nicht auf Werbegelder angewiesen ist.
Im Internet nennt man so was Netiquette. Andere wiederum Code of Conduct (Verhaltenskodex). Solche Regeln sollten für jede Fernsehsendung erarbeitet werden. Wer also klar erkennbare Falschmeldungen vor der Kamera macht, wird mit dem Entzug selbiger bestraft. In der heutigen Zeit, wo der mediale Auftritt alles ist, eine harte Strafe.
Die Demokratie
Sie soll wehrhaft sein, aber das ist sie nicht mehr. Die Gesetze wurden zum Machterhalt umgeschrieben. Zum Schutz der etablierten Parteien und gegen neue Parteien. Sie soll den Bürger schützen, schützt aber sehr häufig eher Konzerne und finanzielle Interessen einiger weniger. Der Lobbyismus, aber vor allem die verdeckte Korruption nehmen überhand. Nun sind nicht alle Politiker, auch in den etablierten Parteien, per se korrupt. Aber es wird viel zu viel geduldet, unter den Teppich gekehrt etc.
Die Judikative
Sie ist manchmal erkennbar eben nicht unabhängig. Und das merkt man. Da gibt es Urteile, die klingen wie ein Hohn, z.B. für die Eltern eines totgefahrenen Kindes. Gleichzeitig werden Klimaaktivisten unter Ausnutzung von Terrorismusgesetzen ohne Grund, ohne Widerspruchsmöglichkeit für bis zu 60 Tagen z.B. in Bayern in das Gefängnis kommen. Für das tote Kind gab es 6 Monate auf Bewährung, in einem anderen Fall 10 Monate auf Bewährung. Für den Protest als Klimakleber wurde jetzt eine Frau zu 8 Monaten ohne Bewährung verurteilt.
Hier fehlt jedes Maß. Die Justiz hat scheinbar keinen eigenen Ehrenkodex mehr. Zu sehr kann die Politik Einfluss nehmen. Dabei ist sie die dritte Macht im Staat. Aber ihre Zusammenarbeit mit der ersten Macht, nämlich der Legislative, ist mittlerweile selbst für Wohlmeinende nicht mehr zu übersehen.
Die Exekutive
Hier spiegeln sich die gesellschaftlichen Verhältnisse am deutlichsten wider. Sie stellen alleine mit mehr als 330.000 Polizisten die größte Gruppe. Rein statistisch müssen bei den vorherrschenden Wahlergebnissen da auch Neonazis sein. Das Problem ist, dass die Polizei dagegen nicht richtig vorgeht, von der Justiz und der Politik geschützt wird. Unabhängige Beschwerdestellen Fehlanzeige. (Nicht nur unabhängig, sondern auch mit dem Recht zu ermitteln.) Und das Bild, das die Polizei teilweise in der Öffentlichkeit abgibt, und die zweierlei Maß, mit der sie zum Beispiel politische Aktionen behandelt, ist für viele klar ersichtlich. Aber niemand geht dagegen vor.
Häufig geht die Polizei klar gegen Bürger vor, auf politische Anweisung. Ständig gibt es Gerichtsurteile, in denen klar gesetzwidriges Verhalten nachgewiesen wird.
https://taz.de/Gerichtsurteil-gegen-Hamburger-Polizei/!5849119/
https://www.tagesspiegel.de/politik/verwaltungsgerichts-urteil-observierung-von-umweltaktivistin-war-rechtswidrig-10430653.html
Das Problem: All diese Urteile haben keine Konsequenzen. Und damit sind sie nichts wert. Das ist in einer Gesellschaft, die einen Protest schon mit 8 Monaten ohne Bewährung bestraft, interessant.
Fazit
Die Bürgerrechte sind in Gefahr. Sie müssen geschützt werden. Ich habe Bürgerrechtler kennengelernt und bin beeindruckt von deren Weitsicht. Vieles, was ich nicht als Problem angesehen habe, hat sich schlussendlich dann doch als ein Problem herausgestellt. Das Kriminalisieren politischer Arbeit, das Ausbleiben von Konsequenzen für Gerichte, Polizei, aber und gerade auch Politikern, ist etwas, das wir angehen sollten. Sonst sind die Neonazis viel schneller an der Macht, als wir denken.
Viel fehlt ja eh nicht mehr.
Ullrich Slusarczyk
Redaktionsmitglied Ullrich Slusarczyk
1963 in West-Berlin geboren. Jetzt in Hannover. Sehr viel gemacht im Leben und sehr viel gesehen. Schreibe gerne. Bin für direkte Sprache bekannt, manchmal berüchtigt. Halte nichts davon, Fakten auf einem DIN A4 Blatt breitzutreten, wenn das Wort „Idiot“ ausreicht. Schreibe jetzt hier die Kolumne hauptsächlich. Meine Themen sind: Gesundheit, Digitalisierung, Urheberrecht und Energie. Ich bin kein Wissenschaftler, logisches Arbeiten und Denken ist mir aber nicht fremd. Bin ein Wissenschaftsfan. Lese Science Fiction. Habe Karl May gelesen, aber auch Antoine de Saint-Exupéry oder Stanislav Lem.
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