Eine Kolumne von Ullrich Slusarczyk
Am 10.09. hatte die Piratenpartei Deutschland ihren 17ten Geburtstag. Ich kann mich an diese Zeit (siebzehntes Lebensjahr) erinnern. Sie war geprägt von Ausprobieren, Hormonüberschüssen und sehr viel Austesten von Grenzen. Die eigene Identität war noch längst nicht in allen Teilen klar. Pubertät eben. Aber erste Einblicke waren da und auch erste Einsichten. Und in der Piratenpartei?
Die Piratenpartei ist natürlich kein Individuum, obwohl sie sich manchmal aber genau wie ein solches verhält.
Da kündigt unser Politischer Geschäftsführer Mark Hintz in einer öffentlichen Vorstandssitzung an, zur Partei die Linke wechseln zu wollen. Aljoscha Kress probiert im Forum der Piratenpartei, wie weit er als Zensor gehen kann, ohne gelyncht zu werden. Unsere Öffentlichkeitsarbeit findet entweder überhaupt nicht statt, oder testet im jugendlichen Überschwang alles aus, was geht.
Fragt man so in etwas größeren Kreisen herum, wie es um die Partei steht, wer seine Hauptprotagonisten sind oder waren, was es an Identifikationsmerkmalen gibt oder gar Zielen, die einem verinnerlicht sind im Zusammenhang mit der Piratenpartei, dann herrscht da fast vollkommene Leere.
Quo vadis Piratenpartei
Unsere politische Arbeit tendiert gegen null. Die Anzahl der Persönlichkeiten in unserer Partei ebenfalls. Eine klare Vorstellung, ein Ziel, haben nur noch die wenigsten. Die Regeln (Satzung), die wir haben, sind nicht vollständig, es fehlt z.B. ein Passus gegen Mobbing. Darüber hinaus haben wir teilweise ein völlig abstruses Verhältnis zum Datenschutz allgemein. Ein wirkliches Ziel ist nicht definiert. Und Aussagen wie „Internetpartei“ strafen wir Lügen durch Webseiten, die katastrophal schlecht sind, ungepflegt, unvollständig, peinlich oder einfach nur schlecht sind. Wir haben kein gemeinsames Auftreten mehr, jeder kocht seine eigene Suppe. Jeder Vorstand denkt, er ist der König und an nichts gebunden, und kann alles tun, was er will. Das spiegelt sich dann auch in der Partei und im Verhalten vieler, wider.
Flügel
Innerhalb der Partei ist immer wieder von Flügeln die Rede und dass Flügel, hier vornehmlich der Linke Flügel, nicht beachtet werden würde. Soweit ich das sehen kann, gibt es in der Partei überhaupt nur einen Flügel. Nämlich den bereits genannten linken Flügel. Dieser agiert extrem lautstark und aggressiv. Dabei vertritt er klar erkennbar nur einen sehr kleinen, überschaubaren Teil der Partei. Die Partei selber ist in der Menge, wie man an unzähligen politischen Kompasse z.B. in unserer Wikipedia erkennen kann, tendenziell relativ stark linkslastig. Wenn das aber so ist, wieso gibt es dann ein Problem? Weil die Mehrheit aller Piraten weder den Staat abschaffen will, noch den Kommunismus oder Sozialismus einführen will. Wir sind gegen den Faschismus, ohne uns dabei des Extremismus zu bedienen. Wir sind für die sexuelle Freiheit, seinen Partner oder auch sein Geschlecht zu wählen, wie man will. Ein Che Guevara, der in Kuba Tausende von Homosexuellen hat töten lassen, passt da irgendwie nicht.
Für mich bedeutet dies, all diejenigen, die sich dem linken Flügel zugehörig erklären und das auch andauernd propagieren, sind eher linksextrem. Vielleicht ist es ja an der Zeit, sich einmal zu entscheiden, ob man politisch etwas bewirken will, oder weiter politischen Utopien anhängen möchte, die geschichtlich nachweisbar bereits gescheitert sind.
Identität
Auf meine Frage, ob es eine Musik gäbe, mit der die Piraten sich identifizieren, also sowas wie „Hoch auf dem gelben Wagen“ bei der FDP oder „Wenn wir schreiten Seit‘ an Seit‘“ bei der SPD, gab es z.B. folgende Antwort:
Wer singt denn heute noch? Und politische Lieder sind so Hippiezeit oder 19. Jahrhundert, oder etwa nicht?
Auf meine Frage nach herausragenden Persönlichkeiten in der Piratenpartei, an die man sich ad hoc erinnert, wurden viele Namen genannt, aber kaum einer mehrfach.
Auch die Frage, ob man das an der politischen Arbeit festmachen würde oder an der Präsenz der einzelnen ergab nur einen leichten Vorteil zugunsten der Präsenz. Die Frage, ob wir heute eine herausragende Persönlichkeit haben, wurde allerdings recht eindeutig beantwortet.
Der Sieger ist Patrick Breyer.
Ansonsten wird dem ein oder anderen zwar Potenzial zugebilligt, das aber dringend gefördert und unterstützt werden müsste, wenn es volle Tragkraft haben soll.
Auf die Frage, womit sich die Leute bei der Piratenpartei den identifizieren könnten, war eine Antwort:
die Farbe Orange
Eine Frage war: Wenn Ihr ein Problem, nur eines, der Piratenpartei jetzt lösen könntet, welches wäre das?
Diese Frage ergab ein interessantes Ergebnis bzw. eine interessante Antwort:
Mehr Leute, die daran arbeiten, uns Sichtbarkeit zu verschaffen, sprich Wahlkampf machen, und zwar nicht nur ein paar Wochen vor der Wahl, sondern das ganze Jahr lang.
Also mehr Leute, wo tatsächlich arbeiten, anstatt nur Wünsche zu äußern.
Ein wie ich finde höchst interessanter Gedanke!
Auf die Frage: Welchen Grund könnten die Wähler haben, sich mit der Piratenpartei zu identifizieren? – gab es ebenfalls eine sehr bedenkenswerte und interessante Antwort.
Ein Grund sind die positive Wirkung unserer Handvoll gut arbeitenden Mandatsträger. Wer sie persönlich kennt, schätzt oft deren Arbeit.
Dieser Personenkreis müsste massiv unterstützt werden. Und gezielt aufgebaut werden.
Passiert aber nun mal nicht.
Unsere Rubrik in der Flaschenpost: Piraten wirken – ist zumindest so ein Versuch.
https://die-flaschenpost.de/category/piraten/piraten-wirken/
Aber wir sind natürlich dabei auf alle Vorstände in Deutschland angewiesen, die uns von ihren Mandatsträgern berichten!
Dass wir die Internetpartei sind, hat übrigens kein einziger gesagt. Kann ich nachvollziehen, denn unsere diesbezügliche Expertise geht gegen null.
Identitätskrise?
Zumindest ist nicht ganz klar, wo wir eigentlich stehen. Es gibt keine klar definierten Ziele und auch, was Strukturen anbetrifft, steht die Piratenpartei schlecht da. Demnächst sind Vorstandswahlen. Aber es hat sich erst ein einziger Kandidat eingetragen.
Es gibt dazu ein sehr interessantes Pad mit einigen Gedanken zum BPT und auch zur Kandidatur, welches ich euch nicht vorenthalten möchte.
Vielleicht können wir ja mit einem neuen Vorstand einige der hier angesprochenen Probleme lösen. Dafür wäre es allerdings nötig, dass auch jemand kandidiert. Leider sieht es da schlecht aus. Also, wie wärs?
Bewerben, jetzt!
https://wiki.piratenpartei.de/Bundesparteitag_2023.2/Kandidatur
Ullrich Slusarczyk
Redaktionsmitglied Ullrich Slusarczyk
1963 in West-Berlin geboren. Jetzt in Hannover. Sehr viel gemacht im Leben und sehr viel gesehen. Schreibe gerne. Bin für direkte Sprache bekannt, manchmal berüchtigt. Halte nichts davon, Fakten auf einem DIN A4 Blatt breitzutreten, wenn das Wort „Idiot“ ausreicht. Schreibe jetzt hier die Kolumne hauptsächlich. Meine Themen sind: Gesundheit, Digitalisierung, Urheberrecht und Energie. Ich bin kein Wissenschaftler, logisches Arbeiten und Denken ist mir aber nicht fremd. Bin ein Wissenschaftsfan. Lese Science Fiction. Habe Karl May gelesen, aber auch Antoine de Saint-Exupéry oder Stanislav Lem.