Der Chef des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, hat für Datenschutz nur bedingt Verständnis. In einem geführten Interview mit hr-info war er sich nicht zu schade, als Gründe für eine umfassende Vorratsdatenspeicherung mal wieder Kinderpornographie und den hinter jeder Ecke lauernden Terrorismus anzuführen: „Schwerste Straftaten im Internet können mit klassischen polizeilichen Ermittlungsmethoden nicht mehr aufgeklärt werden. Bei schweren Straftaten wie Kinderpornografie oder im Kampf gegen den internationalen Terrorismus müsse es der Polizei möglich sein, auf Verbindungsdaten mindestens sechs Monate zurückzugreifen. Es gehe nicht darum, dass der Staat die Daten sammele, die Polizei müsse aber die Möglichkeit haben, die Daten privater Internet-Betreiber für Ermittlungen nutzen zu können“, so argumentierte Ziercke in einem vorab als Auszug veröffentlichten Interview auf heise.de.
Die mehrfach genannte Studie des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages vom März 2011, die klar belegt wie wenig eine solche angestrebte Vorratsdatenspeicherung zur Aufklärung der genannten Daten beitragen kann, scheint dem Bundeskriminalamt nicht vorzuliegen. Anstatt dessen setzt man vor Ort auch weiterhin auf Plattitüden a la „Denkt doch mal einer mal an die armen Kinder“ und „Der Terrorismus bedroht allgegenwärtig das Abendland“.
Die Studie gibt als Ergebnis eine klare Aussicht: „In den meisten Ländern kam es in den Jahren 2005 bis 2010 zu keinen signifikanten Änderungen der Aufklärungsquote. Lediglich in Lettland ist die Aufklärungsquote zwischen 2006 und 2007 erheblich angestiegen, was allerdings mit der Einführung eines neuen Criminal Procedure Law zusammenhängt und nicht auf die Umsetzung der EU Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung zurückgeführt wird.“
Was die wahllose und einzig verdachtsunabhängige Datensammelwut deutscher Behörden an absurden Möglichkeiten hervorbringt, wird von Udo Vetter am Beispiel der Polizei Hamburg sehr schön erläutert. Hier wurden Personalien von nächtlichen Passanten aufgenommen, um diese im Zuge der Ermittlungen zu den angezündeten Autos dann als Grundlage für „Hausbesuche“ zu nutzen. Diese höchst fragwürdige Auswertung und Verknüpfung von gesammelten Daten ist nach Einschätzung des Lawblog-Betreibers „kein sonderlich angenehmer Gedanke“. „Wenn die Hamburger Polizei massenhaft die Personendaten Unverdächtiger speichert und auswertet, um diese Personen später zum Gegenstand von Polizeiarbeit zu machen, dürfte das schlicht rechtswidrig sein.“, so Udo Vetter.
Hier zeigt sich also einmal mehr wie sachlich belegbaren Tatsachen reißerischen Argumenten zum Sicherheitswahn der Behörden weichen müssen, damit der Staatsgewalt in ihrer Datensammelwut zugearbeitet werden kann. Derartige Methoden seitens der Ermittlungsbehörden lassen den Weg zum „Orwell´schen Staatsmodell“ erschreckend kurz erscheinen.
Die Flaschenpost ruft daher zu einer umfassenden und nüchternen Bewertung des Interviews auf. Das vollständige Gespräch sendet hr-Info am heutigen Freitag, 26.08., um 19:30. Alternativ wäre eine Zusendung der genannten Statistiken an das BKA sicherlich auch eine schöne Maßnahme, da die Damen und Herren dort ja für ihre Vorliebe ein Backup vom Internet ziehen zu wollen bekannt sind. Hier können wir als Piraten ihnen sicherlich zur Seite stehen und wichtige Informationen beisteuern.